Kritik: Hail, Caesar! (USA 2016)

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Squint! Squint against the grandeur!

Die Berlinale scheint mir eine seltsame Art Hassliebe für den Glanz und Glamour Hollywoods zu haben. So will das Programm jährlich unbekannte und unterschätzte Filmemacher aus dem internationalen Raum hervorheben und feiern – was sehr lobenswert ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Filmfestspielen, will die Berlinale diese Filme zudem primär „dem Volk“ zeigen (an Karten kommt jeder, der genügend Zeit und Geduld hat), obwohl es natürlich auch jede Menge Insider-Events für die Branche gibt. Alles in allem werden die Veranstaltungen jedoch recht bodenständig, ohne viel Theater, über Berlin verteilt, gehalten. Die Kehrseite davon ist jedes Mal unausweichlich, dass man zum Ausgleich, um mit anderen Festivals mithalten zu können, den Roten Teppich für extra-eingeladene US-Promis im großen Stil ausrollen muss. Das heißt, es müssen doch immer noch unbedingt ein paar Hollywood-Knüller her, die dem Ganzen einen gewissen It-Faktor verleihen. Dieses Jahr konnte zum einen Meryl Streep als Jurypräsidentin gewonnen werden, zum anderen flogen George Clooney und Tilda Swinton für ein paar Tage ein, um den Eröffnungsfilm zu präsentieren, welcher das kuriose Verhältnis des Festivals zu Hollywood auf grandiose Art und Weise verkörpert. Der Film? „Hail, Caesar!“ von Joel & Ethan Coen.

Die neue Komödie des renommierten Geschwister-Teams erweckt das hektische Leben hinter den Kulissen eines Hollywood-Filmstudios der 1950er Jahre zum Leben. Eddie Mannix (Josh Brolin) hat als „Fixer“ für Capitol Pictures alle Hände voll zu tun. Was das genau bedeutet? Er kümmert sich um die vielen Probleme, die meisten persönlicher Art, der Stars des Studios. So versucht er beispielsweise das Image eines Western-Cowboys (Alden Ehrenreich) zu ändern, die außereheliche Schwangerschaft einer beliebten Schauspielerin (Scarlett Johansson) zu verbergen, ohne dass die bissigen Zwillingsschwestern Thora und Thessaly (beides Tilda Swinton) von der Presse davon Wind bekommen. Doch dann wird auch noch Baird Whitlock (George Clooney), der Star der Bibel-Epos-Produktion „Hail, Caesar!“, während der Dreharbeiten von einer mysteriösen Organisation gekidnappt, die sich selbst nur „die Zukunft“ nennt.

Durch das gesamte Filmwerk der Coens zieht sich eine besondere Faszination für die dunklen Abgründe, welche sich hinter der anständig-moralischen, familienfreundlichen und durchaus langweiligen Oberfläche des amerikanischen Lebens verbergen. Von „Blood Simple“ über „Fargo“ bis „No Country For Old Men“, die Moral der Geschichte scheint immer dieselbe zu sein: das harmonische Miteinander der idealen bürgerlichen Gesellschaft trügt, unter dem American Dream lauert nur Gewalt und Perversion. Nun haben die Brüder ihr Auge auf das wohl zwielichtigste Geschäft überhaupt geworfen: das alte Hollywood-Studiosystem. Hier wird zwar nicht unbedingt gemordet, aber an dubiosen Machenschaften und Korruption mangelt es alle Male nicht. Zum einen wird die Perversion der Filmbranche lächerlich gemacht. Jeder hat mit jedem eine Affäre und jeder weiß es, nur die Zuschauer nicht, denen in den bunten Unterhaltungsfilmen eine heile, anständige Welt vorgegaukelt wird. Eine wunderbare Szene mit einigen religiösen Vertretern, die als Wächter des Anstands und der Sitte dienen sollen, unterstreicht das mit einigen Gags, die in meiner Vorstellung wahrscheinlich die größten Lacher im Publikum erzeugen konnten. Statt in einer repressiven Vorstadt sind die Figuren dieses Mal in einem kontrollierenden Studio-System gefangen. Hier gibt es kein Entkommen für die Naiven und Gutgläubigen, ähnlich wie in einem Mafia-Film, denn die gerissenen Player bestimmen ihr Schicksal hinter geschlossenen Türen. Zu stark wird diese Thematik jedoch nicht aufgegriffen, die Coens nutzen diese Kulisse vielmehr für eine Aneinanderreihung von witzigen Aufeinandertreffen. Die Lächerlichkeit des veralteten Systems, mit all seinem trügerischen Glamour, wird hier eher gefeiert, als dass sie entblößt und verurteil wird.

Die Coens haben ein wirklich bemerkenswertes Auge (und Ohr) für skurrile Charaktertypen und Dialoge. Genauso wie es in der Welt von Casting-Agenten einen Woody-Allen-Typ gibt, so gibt es sicherlich auch eine Akte mit Coen-Gesichtern. Und „Hail, Caesar!“ ist voll von solchen Gesichtern. Niemand inszeniert das Versagen von Kommunikation und Logik so gut wie die Coens. Und so ist es für einen Fan ihrer Filme ein wahres Vergnügen, dem Spiel von Clooney und Co. zuzusehen. Einige Sequenzen stechen in dem Chaos besonders heraus, während andere leider nicht ganz landen. Tatsächlich ergibt der Film unter Umständen kein stimmiges Ganzes, was einen aber nicht unbedingt stören muss. Bei den Coens wird ja schließlich oft – und größtenteils erfolgreich – mit der potenten Ambivalenz einer unkonventionellen Handlung gespielt. Ihre Stories könnten meistens gar nicht auf einem konventionellen Schlusspunkt enden.

In vielen Momenten erinnert die Komödie deshalb vor allem an „Burn After Reading“, einem weiteren Coen-Film mit Clooney, welcher auch gezielt Verwirrung erzeugen wollte und der einen auch etwas unbefriedigt zurück ließ. Hier prallen einfach nur verschiedene Figuren aneinander, werden dabei ungewollt in eine größere Verschwörung verstrickt, und landen dann am Ende doch wieder da, wo sie angefangen haben. Was wollen uns die Coens über die falsche Moral Hollywoods, Korruption, Gier, und den Kommunismus in L.A. in den 50ern sagen? Keine Ahnung, aber es passt irgendwie zusammen.

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