Kritik: Revenge (FR 2017)

© Neon

Bereits der Titel von Coralie Fargeats Filmdebüt wirkt wie das reduzierte Destillat eines ganzen Subgenres, das auf eines seiner essentiellen Kernelemente heruntergebrochen werden soll. Mit Revenge wagt sich die französische Regisseurin in das Rape-and-Revenge-Genre. Jene vorwiegend von männlichen Regisseuren in den 70er Jahren dominierte Abwandlung des Exploitationfilms, bei der der weibliche Körper auf brutale Weise missbraucht wird, um anschließend mithilfe kathartischer Racheakte wieder einen Funken Leben in sich spüren zu können. Subversiv inszeniert die Regisseurin ihr Werk dabei von Anfang an insofern entgegen den üblichen Konventionen des Subgenres, indem die weibliche Hauptfigur Jen ab der ersten Szene, in der sie von der Kamera eingefangen wird, als laszives Lustsymbol sowie unwiderstehliche Lollipop-Lolita erstrahlt. Anstelle einer voll ausformulierten Persönlichkeit, die den Opfern des Rape-and-Revenge-Films im Verlauf des auf drei Akte ausgelegten Handlungsmusters geraubt wird, wenn ihre Körper zum oberflächlichen Objekt verdammt werden, ist Jen zunächst kaum mehr als eine blanke Projektionsfläche für erotische Männerfantasien, die sich unter extremen Umständen wandeln und verformen wird.

In einem Interview verriet Hauptdarstellerin Matilda Anna Ingrid Lutz, dass sie sich speziell für ihre Performance im ersten Akt von Revenge stark an Marilyn Monroe orientiert habe, deren Biographie sie als Vorbereitung auf die Dreharbeiten las. Eine Anekdote, die absolut einleuchtet, wenn der Zuschauer die Protagonistin anfangs dabei beobachtet, wie diese einem verführerischen Sexsymbol ähnelnd geradezu durch ihre Szenen schlafwandelt. Unterstützt wird ihr Spiel dabei von der bewusst voyeuristischen Inszenierung der Regisseurin, die Lutzs extrem attraktiven Körper zu zahlreichen Gelegenheiten gierig mit der Kamera abtastet.

In der Geschichte des Films hat sich Jen mit ihrem Liebhaber Richard, der zugleich mit einer anderen Frau verheiratet ist und Kinder hat, in ein abgelegenes, luxuriöses Ferienhaus irgendwo mitten in der Wüste begeben, wo das Paar ein romantisches Wochenende verbringen will. Unterbrochen wird das lustvolle Miteinander jedoch durch die verfrühte Ankunft von zwei Freunden Richards, mit denen dieser später auf die Jagd gehen wollte. Spontan verfallen die nun anwesenden vier Personen in Feierlaune, wobei Jen einem der beiden Männer am Abend beim Tanzen ein paar aufreizende Signale zu viel sendet.

Am nächsten Morgen, als Richard eine Weile nicht da ist und Jen mit den beiden Männern alleine auf dem Anwesen zurückbleibt, geschieht der unausweichliche  zweite Akt der Rape-and-Revenge-Struktur. Die junge Frau wird von dem frustrierten Abgewiesenen vergewaltigt, während der andere Mann wegsieht, ebenso wie die Kamera, die mit diesem den Raum verlässt und anschließend nur noch Bruchteile der schrecklichen Tat einfängt. Mit der Rückkehr von Richard, der seine Freundin traumatisiert vorfindet, verkommt Revenge endgültig zu einer Art surrealem Albtraum, nachdem der attraktive Playboy beschließt, das gerade erst geschändete Opfer töten zu wollen, damit sie die Männer durch ihre Aussagen nicht ins Gefängnis bringen kann. Aufgespießt auf einem spitzen Stück Holz scheint das Ableben der Protagonistin besiegelt, doch Jen wird, getreu den geradezu mythologisch überhöhten Spielregeln des Subgenres folgend, von den Toten wiederauferstehen.

Im ausgedehnten Racheakt der Protagonistin, bei dem von vornherein bereits drei klare Opfer festgelegt worden sind, offenbart Fargeats Film weitaus weniger Ansätze einer feministischen Dekonstruktion des Subgenres als vielmehr eine reißerische Aneignung männlich geprägter Perspektiven sowie genreinhärenter Mechanismen. Wie ein Fiebertraum, der in grell übersteuerten Farben regelmäßig auf der Leinwand explodieren darf, erscheint Revenge unter der sengenden Wüstensonne als knalliges Pop-Art-Inferno. Den inhaltlichen Konventionen des Rape-and-Revenge-Films begegnet die Regisseuren dabei mit verblüffenden Formen und Farben.

So vereinen sich unerwartete Close-up-Sequenzen, in denen zum Beispiel Bluttropfen wie Bombardements auf Ameisen niederprasseln, mit Momenten, in denen Fargeat männliche Körper, deren Füße mit Glasscherben penetriert wurden, mit ebenso erbarmungsloser Ausdauer gleichberechtigt beobachtet wie die unter dem Einfluss einer Droge halluzinierende Jen bei der lebensrettenden Wundversorgung mit Messer, Feuerzeug und einem Teil einer Bierdose. Auf eher abseitig-poetische Weise findet die Regisseurin schließlich im Finale zur Krönung ihrer visuellen Ausdruckskraft, wenn die Gänge der Ferienwohnung zum Labyrinth werden, in dem Gewehrläufe zum Takt der spannungsgetriebenen Musikuntermalung vorsichtig um Ecken spitzen und das strahlende Weiß der Innenausstattung von blutbesudeltem Rot verdrängt wird.

Revenge ist ab dem 23. August 2018 auf Blu-ray und DVD erhältlich. Falls unsere Kritik dein Interesse geweckt hat, dann unterstütze CinemaForever gerne, indem du den Film via einer der folgenden Links bestellst.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.