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Du hast dieses Jahr nicht das große Glück, bei den Filmfestspielen in Cannes dabei zu sein? Keine Sorge – auch von zuhause aus kannst du tief in die Magie des Festivals eintauchen.
Ich habe dir eine Auswahl an früheren Film-Highlights zusammengestellt, die in engem Zusammenhang mit dem diesjährigen Festivalprogramm stehen. Diese Filme solltest du dir – falls du sie noch nicht kennst – unbedingt ansehen. Warum gerade diese? Ganz einfach: Sie wurden von Regisseur:innen inszeniert oder sind mit Schauspieler:innen besetzt, die auch dieses Jahr in Cannes mit neuen Werken vertreten sind.
Ob gefeierte Frühwerke, unterschätzte Geheimtipps oder erst kürzlich etablierte Meisterwerke – meine Empfehlungen sind die perfekte Einstimmung auf das Festivalgeschehen und bringen dir ein Stück Cannes-Atmosphäre direkt ins Wohnzimmer.
Die Wolken von Sils Maria / Personal Shopper
Olivier Assayas (u.a. Der Schakal, Ende eines Sommers) gehört für mich seit Langem zu den begabtesten Regisseuren seiner Generation. Mehrere seiner Filme feierten bereits in Cannes ihre Weltpremiere – darunter Die Wolken von Sils Maria, eine Reflexion über das Älterwerden im Filmgeschäft, sowie Personal Shopper, ein atmosphärischer Horrorfilm über Verlust, Trauer, Geister und digitale Kommunikation. In ersterem spielt Juliette Binoche, die diesjährige Jurypräsidentin, eine der Hauptrollen; in beiden ist zudem Kristen Stewart zu sehen, die in diesem Jahr ihr Langfilmdebüt The Chronology of Water in der Sektion Un Certain Regard vorstellen darf. [Special: Die besten Filme mit Juliette Binoche]
Der schlimmste Mensch der Welt
Joachim Triers Sentimental Value ist 2025 bereits der vierte Film des norwegischen Regisseurs, der in Cannes gezeigt wird – nach Oslo, 31. August (Un Certain Regard, 2011), Louder Than Bombs (Offizieller Wettbewerb, 2015) und dem gefeierten Der schlimmste Mensch der Welt (Offizieller Wettbewerb, 2021). Für letzteren wurde Renate Reinsve mit dem Preis für die beste Darstellerin ausgezeichnet – und sie ist auch in Sentimental Value wieder mit dabei. Der schlimmste Mensch der Welt erzählt in zwölf Kapiteln die Geschichte von Julie, Anfang dreißig, die sich zwischen wechselnden beruflichen Ambitionen und turbulenten Beziehungen zunehmend selbst verliert. Nach einem abgebrochenen Medizinstudium wechselt sie zunächst zur Fotografie, später arbeitet sie in einer Buchhandlung – auf der Suche nach einer Identität, die sich stets zu entziehen scheint. Ebenso unstet verläuft ihr Liebesleben. Der Film zeichnet eindrucksvoll nach, wie Julie zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und eigenen Lebensentwürfen aufgerieben wird. Mit jeder Szene entfaltet sich Renate Reinsve als eine der größten schauspielerischen Entdeckungen der letzten Jahre – eine ebenso sensible wie eindrucksvolle Präsenz auf der Leinwand.
Titane
Auch Julia Ducournau kehrt dieses Jahr mit ihrem neuen Film Alpha nach Cannes zurück. Bereits zuvor waren zwei ihrer Werke dort zu sehen: 2016 feierte sie ihr Debüt mit Raw in der Sektion Semaine de la Critique. Noch aufwühlender und unvergesslicher war nur Titane, für den sie 2021 die prestigeträchtige Goldene Palme gewann. Und wirklich – solch einen Film habt ihr noch nicht gesehen! Titane wirkt, als hätte David Cronenberg Laurence Anyways inszeniert – auf brillante, verstörende Weise. Mit einem geschätzten Budget von nur sechs Millionen Euro schuf die Regisseurin einen der berauschendsten Filme der letzten Jahre – inklusive einer herausragenden Debütperformance von Agathe Rousselle. [Komplette Kritik]
Barton Fink
Man darf die Frage durchaus stellen: Was wären die Gebrüder Coen ohne die Filmfestspiele von Cannes? Filme wie Fargo, The Man Who Wasn’t There oder No Country for Old Men feierten allesamt ihre große Premiere an der Croisette. Doch ein Werk ragt besonders heraus: Barton Fink. Der Film markiert einen Meilenstein in der Karriere der Coens und stellt bis heute einen Rekord auf – er gewann gleich drei Hauptpreise in Cannes: die Goldene Palme, den Preis für die Beste Regie und den für den Besten Darsteller. Barton Fink wurde damit zum Auftakt einer bemerkenswerten internationalen Erfolgsgeschichte. Und der surrealistische Film über einen Bühnenautor aus New York (John Turturro), der in Hollywood in eine Schaffenskrise gerät, ist auch heute noch mehr als nur sehenswert! In diesem Jahr kehrt Ethan Coen ohne seinen Bruder Joel nach Cannes zurück und präsentiert als Midnight Screening seinen neuen Film Honey Don’t! mit Margaret Qualley und Chris Evans.
Wendy and Lucy
Kelly Reichardt ist in diesem Jahr mit The Mastermind zum zweiten Mal im Wettbewerb um die Goldene Palme vertreten. Allerdings dieses Mal nicht wieder mit Michelle Williams, mit der sie erstmals 2008 für den herausragenden Independent-Film Wendy and Lucy zusammenarbeitete. Dieser feierte damals seine Weltpremiere in der Reihe Un Certain Regard. Wendy and Lucy ist eine der stärksten Filme der beiden, weil er nüchtern die Realität einer Frau am Rande der Gesellschaft zeigt. Und wie immer bei Reichardt ist es ein leises Drama – doch gerade deshalb ausdrucksstark, bewegend und von tiefem Humanismus geprägt.
Do The Right Thing
Auch Spike Lee ist dieses Jahr mit seinem neuen Film Highest 2 Lowest außerhalb des Wettbewerbs in Cannes vertreten – doch seine Geschichte mit dem Festival reicht viel weiter zurück. 2021 war er der erste Afroamerikaner, der die Jury präsidierte (wobei er versehentlich zu früh die Goldene Palme für Titane verkündete, was für Aufsehen sorgte). Zudem feierten bereits mehr als eine Handvoll seiner Filme in Cannes Premiere, darunter der 80er-Jahre-Klassiker Do The Right Thing. Der Film erzählt von einem heißen Sommertag in Harlem, an dem ein Konflikt zwischen einem afroamerikanischen Jugendlichen und einem italienisch-amerikanischen Pizzabäcker eskaliert – großes Kino!