Filme

Kritik: Die wilde Zeit (FR 2012) – Der magische Blick auf eine vergangene Gegenwart
Drama, Filmkritiken, Französischer Film, Heimkino

Kritik: Die wilde Zeit (FR 2012) – Der magische Blick auf eine vergangene Gegenwart

Ich lebe in meiner eigenen Fantasiewelt - wenn die Realität kommt und an meine Tür klopft, öffne ich ihr nicht. Im Frankreich der frühen 1970er-Jahre sind die pulsierenden Nachwirkungen des Pariser Mais noch in vielerlei Städten und Vororten spürbar. Dieser Mai im Jahr 1968 sorgte für das Lostreten einer Lawine der Unzufriedenheit des größtenteils jungen Volkes. Inmitten dieser Aufbruchstimmung verfolgen wir das aufregende Leben des kunstinteressierten Gilles und seiner Freunde. Stark an die eigene Jugend angelehnt (und somit partiell mit autobiographischem Habitus), entwirft der Regisseur und Autor Olivier Assayas mit „Die wilde Zeit“ (OT: Après mai) das vielschichtige Zeit-Portrait einer Dekade, deren Motto „Widerstand“ lautete. Ganz bewusst verschließt er sich einer herkömmliche...
Kritik: Inside Llewyn Davis (USA, FR 2013)
Drama, Filmkritiken

Kritik: Inside Llewyn Davis (USA, FR 2013)

Alles, was du anfasst, wird zu Scheiße. Als wärst du der idiotische Bruder von König Midas! Im New York der 60er Jahre platzt die Folkszene aus allen Nähten. In verrauchten Lokalen, auf der Straße oder im Bekanntenkreis geben die Künstler ihre Werke zum Besten und suchen nach dem einen großen Deal, der sie aus ihrer künstlerischen Misere holen wird, denn für viele reicht die Kunst nicht zum Leben, doch ein Leben ohne Kunst ist keine Option. In Inside Llewyn Davis bringen die Coen-Brüder (No Country For Old Men) das ganz alltägliche Elend des Künstlertums auf die Leinwand, natürlich nicht ohne ihren typischen eigenen Humor. Doch trotz einiger heiterer Passagen handelt es sich bei Inside Llewyn Davis wohl um den melancholischsten und gleichzeitig geerdetsten Coen-Film, der den Kinogän...
Filme, Filmkritiken, Heimkino

Kritik: Die Eiskönigin – Völlig unverfroren (USA 2013)

Autor: Conrad Mildner "Some people are worth melting for." In vielerlei Hinsicht war Disneys „Rapunzel – Neu verföhnt“ eine Überraschung. Nachdem das Studio mit „Küss den Frosch“ den Schulterschluss mit seiner Zeichentrickvergangenheit suchte und sich gleichzeitig zu neuen Ufern aufmachte, indem es die erste Schwarze Disney-Prinzessin präsentierte, waren die Erwartungen groß, was der nächste Animationsfilm bereit halten sollte. Die Ernüchterung kam bereits mit der Ankündigung, dass „Rapunzel“ rein computeranimiert sein wird, hatte man doch auf eine längere Rückkehr zum Zeichentrick gehofft. Der Film entpuppte sich letztendlich als überraschend rasantes Musical-Abenteuer mit Hitchcock-Anleihen. Die Geschichte der Vorlage rückte noch mehr in den Hintergrund, so dass der Film in den USA nur...
Filme, Filmkritiken, Heimkino

Kritik: Tore tanzt (DE 2013)

Autor: Conrad Mildner"Wenn ich nicht glauben könnte, dann hätte ich gar nichts." Ab dem 20. November wird die ehrwürdige MOMA in New York der "Neuen Berliner Schule" ein Programm widmen. Die analytisch-ästhetisierten Werke dieser "Schule" sind auf Festivals gern gesehene Gäste, schaffen es nur nicht diese Anerkennung auch im eigenen Land zu generieren. Woran das liegt und ob die Filme daran schuld sind, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden, wohl aber der internationale Eindruck das "deutsche" (Arthouse-)Kino sei nur durch die Brille dieser sogenannten "Schule" interessant. Die Antipoden zu Arslan, Schanelec und Co. finden sich nämlich nicht nur im Zentrum gut-bürgerlicher Spießer-Komödien eines Til Schweigers und auch nicht im US-Replikkino der Eichinger-Dynastie.Dieses Jahr gewäh...
Kritik: Prisoners (USA 2013) – Wie weit darf ein Mensch gehen?
Drama, Filme, Filmkritiken, Thriller

Kritik: Prisoners (USA 2013) – Wie weit darf ein Mensch gehen?

Pray for the best, but prepare for the worst. Detective Lokis krampfhaftes Blinzeln steht symptomatisch für die psychische Belastung, der er sich Tag für Tag aussetzt. Mal ist es erträglich, oft aber eine zermürbende Tortur. Lokis Verstand funktioniert wie ein sich ständig um die eigene Achse kreisendes Uhrwerk; wie eine Präzisionsmaschine, die winzige Details und Einzelheiten in ihre logische Ordnung bringt. Fehlt jedoch ein winziges Teilchen, wird deutlich, dass Loki längst nicht mehr zu den frischen Ermittlern seines Bundes zählt, sondern in seiner abgekämpften, bis zum Hals tätowierten Hülle dem mentalen Zusammenbruch eher auf die Schliche gekommen ist, als der eigentlichen Auflösung des tiefschürfenden Falles um die zwei vermissten Mädchen. Jake Gyllenhaal gibt diesen Loki mit ...
Kritik: Venus im Pelz (FR/PL 2013) – Roman Polanski ein weiteres Mal zwischen Schein und Sein
Drama, Filme, Filmkritiken, Französischer Film

Kritik: Venus im Pelz (FR/PL 2013) – Roman Polanski ein weiteres Mal zwischen Schein und Sein

Meine bessere Hälfte, sagt man das noch? - Wieso, was sagt man denn heutzutage? - "Arschloch". 80 Jahre hat Altmeister Roman Polanski (Rosemarys Baby) bereits auf dem Buckel, doch das kann ihn nicht davon abhalten, sich weiterhin seiner Leidenschaft für das Filmemachen und das Theater zu widmen. Doch wo sein letzter Film Der Gott des Gemetzels, eine Adaption von Yasmina Rezas gefeiertem, gleichnamigen Bühnenstück, nicht gänzlich überzeugen konnte und sich in oberflächlicher, eintöniger Kritik am Bildungsbürger verlor - von Subtext keine Spur - ist Venus im Pelz nun eine von Roman Polanskis persönlichsten Arbeiten geworden und nach Der Ghostwriter (2010) ein weiteres Zeugnis dafür, dass man von ihm jederzeit eine Glanzleistung erwarten sollte. Seine Adaption von Leopold von Sacher-Ma...
Filme, Filmkritiken, Heimkino

Kritik: Liberace (USA 2013)

Autor: Conrad Mildner"I want to be everything to you, Scott. I want to be father, brother, lover, best friend." Gestern Nacht wurden die Emmys, Amerikas bedeutendster Fernsehpreis, verliehen und in den Kategorien der Mini-Serien und Fernsehfilme gab es einen klaren Gewinner, Steven Soderberghs Biopic über den legendären Show-Pianisten Liberace (Michael Douglas), der seine Homosexualität zeitlebens verheimlichte und zahlreiche Beziehungen mit jüngeren Männern einging. Einer von ihnen war Scott Thorson (Matt Damon), den Liberace nicht nur adoptierte, sondern sogar mithilfe von Schönheitsoperationen in sein jüngeres Ebenbild verwandeln wollte. Früher gehörte es zum guten Ton jedes Jahr einen Soderbergh-Film im Kino zu sehen und in manchen Jahren wurde uns diese Möglichkeit sogar zweimal gesch...
Kritik: Take This Waltz (CA 2011)
Drama, Filmkritiken, Komödie

Kritik: Take This Waltz (CA 2011)

I just bought a new melon baller and I'd like to gouge out your eyes with it. Es ist schon ein Trauerspiel: Während seichte Teenie-Romanzen beinahe Schlag auf Schlag das moderne Kino überschwemmen, dürfen wirklich reife Auseinandersetzungen über die Liebe und ihre Auswirkungen nur sporadisch über die Leinwände flimmern. Und werden dann auch noch vom Publikum weitestgehend übergangen, weil entweder die heuchlerischen Posterboy-Illusionen nicht gefüttert werden oder die Geschichte einfach zu real wirkt und dem Zuschauer zu nahe treten könnte, weil er sich wiedererkennen und gegebenenfalls so manches schmerzhaftes Eingeständnis bewerkstelligen müsste. Qualitätsware der Marke Liebe von Michael Haneke oder auch Derek Cianfrance Indie-Meisterwerk Blue Valentine lassen den geneigten Cineas...
Kritik: Django (IT 1966) – Nie war der wilde Westen dreckiger
Filmkritiken, Western

Kritik: Django (IT 1966) – Nie war der wilde Westen dreckiger

I sure never thought I'd end up grave-digging and not even getting paid for it, either. Anyhow, it's better to be above ground doing that than below ground doing nothing. Der Western ist ein dehnbarer Begriff, denn er ist für mich das vielseitigste Genre überhaupt. Alles ist anzutreffen, ob Humor, Drama, Action, Tiefsinn, Emotionen, Politik oder Romantik. Umso erstaunlicher ist es, wieviele Eigenschaften Regisseur Sergio Corbucci in seinem Western 'Django' miteinfließen lies. Der Film zeigt einen der einprägsamsten Anti-Helden der Filmgeschichte, besitzt zudem große historische Relevanz. Der Einfluss der amerikanischen Geschichte, zum Beispiel des Kukluxklans oder der politischen Lage während des Kalten Krieges, liegt nahe. Trotz all seiner Härte und seines politischen Zusammenhangs is...
Filme, Filmkritiken, Heimkino

Kritik: Wir sind die Millers (USA 2013)

Autor: Conrad Mildner "Me crossing the border alone, huge red flag, but families, they don’t get a second look." Die große Fernsehrevolution der letzten zehn Jahre hat sich nicht nur im Drama-Bereich vollzogen. Obwohl vornehmlich Serien wie „The Wire“, „Game of Thrones“ und „Mad Men“ das Bild des Quality-TVs prägen, hat sich auch im Comedy-Bereich vieles getan. Die klassische Sitcom im Multi-Camera-Stil mit Live-Publikum gibt es kaum noch und selbst Erfolgsserien wie „How I met your Mother“ zeichnen ihr lachendes Publikum bei einer Kinovorführung auf. Seit „Arrested Development“, also vor gut zehn Jahren, hat sich die komische Seite des Fernsehens schrittweise verändert und Comedy-Serien werden, trotz ihrer beschaulichen Episodenlänge von ca. 20 Minuten, gedreht wie ihre anspruchsvollen ...