Die größten französischen Filmklassiker (1895 – 1999)

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Die-besten-französischen-Filme-des-20.-Jahrhunderts

Seit der Erfindung des Kinematographen durch die Gebrüder Louis und Auguste Lumière und dessen Erstvorführung im Jahr 1895 (zehn Kurzfilme am Stück, darunter Arbeiter verlassen die Lumière-Werke) hat das französische Kino fast schon endlos viele (heutzutage selbst als Cineast kaum noch alles nachzuholen) Filme mit sich gebracht. Aufgrund der zahlreichen allein herausragenden Filmerlebnisse, die in den seitdem 125 Jahren ihren Weg in die Lichtspielhäuser dieser Welt gefunden haben, hatte ich euch bereits vor einiger Zeit meine Top 30 der besten französischen Filme seit 2000 vorgestellt. Jetzt folgt endlich auch meine Top 50 der besten französischen Filme des 20. Jahrhunderts (genau genommen von 1895 bis 1999). Viel Spaß beim Entdecken. Und immer daran denken: Alles ist subjektiv. So auch das Filmverständnis. Teilt daher gerne eure französischen Lieblingsfilme mit mir in den Kommentaren.

Zu meiner Schande habe ich leider nach wie vor noch nicht gesehen: Atalante (Jean Vigo, 1934), Den Mörder trifft man am Buffet (Bertrand Blier, 1979), Mein Onkel, der Gangster (Georges Lautner, 1963), Auf das, was wir lieben (Maurice Pialat, 1983), Geschichte(n) des Kinos (Jean-Luc Godard, 1998), Série Noire (Alain Corneau, 1979), Ich und meine Liebe (Arnaud Desplechin, 1996), Le plein de super (Alain Cavalier, 1976), Rette sich wer kann das Leben (Jean-Luc Godard, 1980), India Song (Marguerite Duras, 1975), La vie de Jésus (Bruno Dumont, 1997), Triaden des Kusses (Philippe Garrel, 1989)

Platz 50: Kinder des Olymp (Marcel Carné, 1945)

u.a. mit Arletty und Pierre Renoir

Ein Märchen über die Gesellschaft und die Liebe, das jeder mal in seinem Leben gesehen haben sollte. In den meisten Bestenlisten dieser Welt würde dieses dreistündige Mammutwerk wohl viel weiter vorne landen. Das nur als Randnotiz. Denn Kinder des Olymp ist wahrlich einer der am beachtlichsten inszenierten Filme, die die Kinos dieser Welt bis heute erblickt haben. Die Welt ist eine Szene: Riesig. endlos und gleichsam limitiert. In der wir weinen, schreien, tanzen, singen und lieben. Die Kinder des Olymp ist ein selten poetischer Glücksgriff (auch dank der Zusammenarbeit mit dem Dichter Jacques Prévert) und eröffnet uns eine wundervolle, gigantisch ausgestattete Welt voller Wunder und Tragödien.  Das Leben ist Theater. Und das Theater Leben. [Trailer]

Platz 49: Ein andalusischer Hund (Luis Buñuel, 1929)

u.a. mit Simone Mareuil und Luis Buñuel

Der Ursprung des filmischen Surrealismus. Der andalusische Hund, der 1929 seine Uraufführung in Paris feierte, ging als erster Skandalfilm in die Kinogeschichte ein. Auch heute noch hat Luis Buñuels Avantgardefilm nichts von seiner Kraft verloren und schafft es, fast ein Jahrhundert später, immer noch die Leute ohne Halt in seinen völlig eigenwilligen, aber doch so anziehenden Bann zu reißen. Luis Buñuel wollte hier einen seiner Träume und einen Traum des Künstlers Salvador Dali verfilmen und verweben. Am Ende sind wie genauso schlau wie am Anfang, mit dem Unterschied, dass wir einen Kurzfilm zu sehen bekommen haben, der seiner Zeit Lichtjahre voraus war und für sein Entstehungsjahr 1929 nicht nur mutig und provakant war, sondern auch wegweisend für viele andere Künstler und Regisseure mit surrealistischen Vorlieben. [Hier könnt ihr euch den Kurzfilm anschauen.]

Platz 48: Edouard und Caroline (Jacques Becker, 1951)

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u.a. mit Daniel Gélin und Anne Vernon

Es ist schade, dass diese satirische Romantikkomödie heutzutage etwas in Vergessenheit geraten ist, obwohl sie zu Jacques Beckers (Das Loch) besten Filmen zählt.  Edouard und Caroline ist nicht weniger amüsant und unterhaltsam als Hollywoods beste Screwball-Komödien wie Leoparden küsst man nicht. Daniel Gélin und Anne Vernon stehen der Spritzigkeit der Dialoge eines Cary Grant und einer Katherine Hepburn in nichts nach. Ganz im Gegenteil: Im bourgeoisen Paris verortet entwickelt der Film seinen ganz eigenen Charme bei der Erzählung über eine junge Ehe mit ihren alltäglichen Hindernissen und Missverständnissen.

Platz 47: Pépé le Moko – Im Dunkel von Algier (Julien Duvivier, 1937)

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u.a. mit Jean Gabin und Gabriel Gabrio

Französischer Film Noir, bevor die Begrifflichkeit ‘Film Noir’ überhaupt existierte. Der Casablanca des französischen Kinos, Jahre bevor Michael Curtiz’ Casablanca in aller Munde war. Und dabei bis heute ebenso beeindruckend wie zur Zeit seiner Veröffentlichung. Pépé le Moko ist eine thematisch vielseitige Gangster-Ballade, welche bis heute nichts von ihrer Aktualität und ihrem Tempo verloren hat. Das muss man einem Film aus dem Jahr 1937 erst einmal nachmachen. Ebenfalls genial von Regisseur Julien Duvivier: Don Camillo und Peppone mit dem unvergessenen Komiker Fernandel.

Platz 46: La Boum – Die Fete (Claude Pinoteau, 1980)

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u.a. mit Sophie Marceau und Brigitte Fossey

Die sentimentale, Klischee triefende Kultkomödie, welche aus Sophie Marceau (Braveheart) einen internationalen Star machte. Bei La Boum verhält es sich ähnlich wie bei Filmen der Sorte Dirty Dancing – entweder sie treffen voll ins Herz oder man kann damit gar nichts anfangen. Für mich verkörpert La Boum pure Nostalgie und zudem treffend den Geist der überschwänglichen (französischen) Jugend.

Platz 45: Die große Sause (Gérard Oury, 1966

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u.a. mit Louis de Funès und Bourvil

Eine Bestenliste des französischen Kinos ist natürlich auch nichts ohne die beiden komödiantischen Tausendsassa Funès und Bourvil wert. Und welcher Film kann dabei schon besser sein als einer, in dem gleich beide mit von der Partie sind. Die grosse Sausse ist bis heute nicht ohne Grund eine der besten und international populärsten französischen Komödien. Ein Monument für das Lachen. [Trailer]

Platz 44: Die Frau des Fliegers / Der Freund meiner Freundin (Éric Rohmer, 1981/1987)

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u.a. mit Philippe Marlaud, Sophie Renoir, Emmanuelle Chaulet und Marie Rivière

Die Freundschaft und die Liebe sind beides äusserst leidenschaftliche Themen, wenn sie mit der nötigen Intelligenz behandelt werden. Dies stellte Éric Rohmer, dem wir so viele herausragende lebensnahe Komödien zu verdanken haben wie wohl keinem anderen französischen Regisseur, in den 80ern sowohl mit Der Freund meiner Freundin (1987), als auch mit Die Frau des Fliegers (1981) unter Beweis. Mit einem unvergleichbaren Gespür für die Inszenierung von alltäglichen Situationen folgt die Kamera in beiden Filmen ihren Protagonist_innen – zu Hause, durch Parks, durch Strassen – ganz so, als ob wir jemanden im Hier und Jetzt heimlich durch den Alltag – mit all seinen Hürden – folgen würden. Keine Filme sind zugleich so sehr Leben und Kino. Um dieses Gefühl zu verstehen, kann ich euch nur empfehlen euch mal näher mit Rohmers Schaffen zu beschäftigen.

Platz 43: Léon – Der Profi (Luc Besson, 1994)

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u.a. mit Jean Reno und Natalie Portman

Luc Besson (Nikita) gelingt in Léon – Der Profi die einmalige Charakterisierung eines einsamen Profikillers, dessen Leben vor allem aus Töten und Milchtrinken besteht. Besson macht aus einem Verbrecher und eigentlichen Antagonisten einen sympathischen Menschen, der das Herz am rechten Fleck hat. In die Welt des Mordes und der Abgeschiedenheit setzt er die frühreife Mathilda, die Vergeltung für ihren kleinen Bruder sucht. So reif sie auch erscheinen mag, unter ihrer Schale bleibt das kleine hilflose zwölfjährige Mädchen, welches in Léon eine Bezugsperson findet, die sie so vorher nie erfahren durfte: Er ist für sie Vater, Mentor und anziehender, sexueller Reiz zugleich. Den Schritt der Hebephilie geht Besson aber natürlich nicht, viel mehr zaubert er eine zarte und ebenso schützende Romanze, die sich aus Blut und Rache aufbaut, aber nie den Humor verliert, sondern vielmehr die zwischenmenschliche Bindung unterstreicht und Léon – Der Profi nicht nur zu Luc Bessons Meisterwerk, sondern auch zu einem Ausnahmefilm im europäischen Kino macht. [Komplette Kritik]

Platz 42: Jacquot de Nantes (Agnès Varda, 1991)

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u.a. mit Philippe Maron und Edouard Joubeaud

Eine grössere Liebeserklärung an die Liebe eines Lebens als Jacquot de Nantes kann es wohl nicht geben. Nouvelle Vague Meisterin Agnès Varda erzählt mit Hilfe der Erinnerungen ihres Mannes Jacques Demy (Die Regenschirme von Cherbourg) biographisch dessen Kindheit nach. Jacques Demy ist Ende der 30er Jahre ein kleiner Junge, sein Vater besitzt eine Autowerkstatt, seine Mutter ist Friseurin, er selbst liebt das Kino und träumt davon Regisseur zu werden. Agnès Varda war schon immer eine Meisterin darin, kleine Geschichten von nebenan möglichst fantasievoll und unvergesslich bebildert zu erzählen. Wie gut das mit dem Erwachsenwerden ihres Mannes, darunter der Mut erste Kurzfilme in den eigenen vier Wänden zu drehen, funktioniert, hätte ich nicht für möglich gehalten bevor ich Jacquot den Nantes das erste Mal gesehen habe. Wirklich ein liebenswürdiger, komischer Film, den man ab der ersten Sekunde sofort ins Herz schliesst.

Platz 41: Verbotene Spiele (René Clément, 1952)

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u.a. mit Brigitte Fossey und Georges Poujouly

Bevor René Clément 1960 in einem weiteren Meisterwerk in die Sonne eintauchte, erforschte er 1952 in diesem Schwarz-Weiß-Drama mit Zärtlichkeit den zweiten Weltkrieg aus den Augen von Kindern. Noch nie war die Welt der Erwachsenen so dumm, brutal und sinnlos wie aus dem Blickwinkel zweier unschuldiger Kinder, die mit Schmerz, Verlust, Tod und Krieg zu kämpfen haben. Und doch ist der Film sanft, subtil, unauffällig in der Darstellung der Torheiten des Erwachsenen und erfrischend unsentimental in Bezug auf die Darstellung des Schmerzes und der Schönheit der Kindheit. [Trailer]

Platz 40: Humanität (Bruno Dumont, 1999)

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u.a. mit Emmanuel Schotté und Séverine Caneele

Menschlichkeit mit einem kleinen M… Humanität ist eine pessimistische Vision der Welt von Bruno Dumont, der uns mit seinem im Jahr 1999 erst zweiten gedrehten Spielfilm ein kleines Juwel des französischen Kinos präsentiert. Emmanuel Schotté schenkt uns eine schauspielerische Darbietung, die alle Hoffnung erlischt. Sein geschlagener Hundeblick vermittelt erstaunliche Emotionen: Mitleid, Angst, Mitgefühl, Ekel … Bruno Dumont spielt die Karte der Provokation, indem er unvergesslich-schockierende Bilder präsentiert. Auf einer Höhe mit Menschenfeind (Gaspar Noë, 1998) und definitiv kein Film für jedermann.

Platz 39: Betty Blue – 37.2 Grad am Morgen (J.J. Beineix, 1986)

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u.a. mit Béatrice Dalle und Jean-Hugues Anglade

Betty Blue ist zwar bis heute aufgrund der zweiten Filmhälfte umstritten, ist meiner Meinung nach jedoch trotzdem bzw. gerade deswegen der Inbegriff des französischen Kinos der 80er Jahre. Das europäische Kino war selten so wild, so emotionsgeladen, so nicht-europäisch, so episch erzählt, so abenteuerlich. Ich könnte die Liste der Worte, die diesen Film so einmalig machen, ewig fortsetzen. Eine unglaublich schöne und traurige Liebesgeschichte ist Betty Blue – 37.2 Grad am Morgen. Bildgewaltig erzählt und mit einem meiner absoluten Lieblingssoundtracks und daher am besten auf einem möglichst grossen Bildschirm und mit Soundanlage zu erleben. [Trailer]

Platz 38: Hafen im Nebel (Marcel Carné, 1938)

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u.a. mit Michèle Morgan und Jean Gabin

Ein weiterer von zahlreichen Filmen in dieser Liste mit Schauspiellegende Jean Gabin, der hier einen militärischen Deserteur spielt, welcher auf der Flucht seine Liebe in einer verqualtem französischen Hafenstadt findet. Hafen im Nebel erzählt auf bis heute unvergleichbar einnehmende Weise von einsamen Herzen, Hoffnungen, Träumen und der Liebe in einer kriegsgebeutelten Zeit. [Trailer]

Platz 37: Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen (Robert Bresson, 1956)

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u.a. mit Francois Leterrier und Charles Le Clainche

Auch Gefängnisfilme können die Franzosen. Die minimalistische, lebensnahe, dokumentarisch anmutende Inszenierung des Gefängnisausbruchs des Protagonisten in Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen ist Spannungskino par excellence und bist heute unerreicht. Jedenfalls fast, denn ein zweiter herausragender französischer Vertreter des Knastfilms erwartet euch weiter vorne in dieser Liste. Zudem haben wir unseren Nachbarn ja auch noch Ein Prophet (2009) zu verdanken.

Platz 36: Hiroshima mon amour (Alain Resnais, 1959)

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u.a. mit Emmanuelle Riva und Eiji Okada

Das Filmdebüt von Filmvisionär Alain Resnais ist gleichzeitig einer seiner besten Filme. Erzählt wird die romantische Geschichte einer Französin und eines Japaners unmittelbar nach dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima während des zweiten Weltkriegs. Hiroshima mon amour  ist, wie Resnais’ späterer Letztes Jahr in Marienbad, ein visionäres Drama, inszenatorisch wie auch erzählerisch. Schönheit und Schmerz, nie lag beides näher beieinander, als in diesem Antikriegsfilm, welcher vollkommen ohne Explosionen und ohne Kriegsschauplätze auskommt. Der Krieg findet nämlich immer auch in jedem Menschen statt. Das verdeutlicht Hiroshima mon amour so elegant, gefühlvoll, innovativ und poetisch wie kein anderer Film vor oder nach ihm. [Trailer]

Platz 35: La Jetée – Am Rande des Rollfelds (Chris Marker, 1962)

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u.a. mit Jean Négroni und Hélène Chatelain

Aufgrund der endlosen philosophischen und poetischen Gedanken lässt sich dieser 29-minütige Kurzfilm nur schwer zusammenfassen. Und das, obwohl La Jetée nicht mehr als ein Fotoroman ist. Chris Markers filmisches Experiment enthält nur eine einzige animierte Einstellung und funktioniert trotzdem – oder gerade deswegen – als bedeutsame, beängstigende, faszinierende Science-Fiction-Arbeit. Ein sehr großer Film, gedreht mit den scheinbar simpelsten Mitteln.

Platz 34: Friedhof ohne Kreuze (Robert Hossein, 1969)

u.a. mit Robert Hossein und Michèle Mercier

Friedhof der Kreuze ist einer der eindrücklichsten Rachefilme, die jemals gedreht wurden, und das auf eine ganz andere Art wie beispielsweise der Vorzeige-Western „Spiel mir das Lied vom Tod“. Der Franzose Robert Hossein hat mit Friedhof der Kreuze einen der gesellschaftskritischsten, zynischsten und dreckigsten Western auf die Gesellschaft losgelassen, in dem am Ende jeder auf die ein oder andere Weise für seine Taten bezahlen muss. Und zugleich ist Hossein einer der feministischsten Filme aller Zeiten gelungen – und das in einem von Männern dominierten Genre.

Platz 33: Die Reise zum Mond (Georges Méliès, 1902)

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u.a. mit Georges Méliès und Henri Delannoy

Die Geburtsstunde des Science-Fiction-Films, ein revolutionäres Kunstwerk im Jahr 1902. Und heute kann man darüber schmunzeln und sich köstlich amüsieren – über die Puff-Effekte, den wunderbaren Soundtrack und den Charme. Das sind wahrlich zehn Minuten, die jeder Filmfan mal gesehen haben sollte, denn Die (fantastische!) Reise zum Mond von Georges Méliès ist ein prägendes Stück Kinogeschichte! (Hier könnt ihr euch kostenfrei auf Youtube den Kurzfilm anschauen.)

Platz 32: Augen ohne Gesicht (Georges Franju, 1960)

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u.a. mit Pierre Brasseur und Alida Valli

Dank dieses frankensteinischen Geniestreichs wird Regisseur Georges Franju als Vorläufer des Gore-Kinos bezeichnet, das tatsächlich erst einige Jahre später seinen Anfang nahm. Eigentlich gibt es hier nur eine Szene, die wirklich für Schrecken sorgt. In dieser entfernt ein Chirurg, der seiner Tochter ein neues Gesicht geben möchte, während einer verstörenden Operation einem seiner Opfer das Gesicht. Seitdem haben viele Regisseure versucht, Georges Franju nachzuahmen – das beste Beispiel hierfür ist Pedro Almodovars Die Haut, in der ich wohne (2011). Augen ohne Gesicht hat einen zeitlosen Einfluss. Nicht nur auf das Kino, sondern wohl auch aus wissenschaftlicher Perspektive betrachtet.

Platz 31: Eine Frau ist eine Frau (Jean-Luc Godard, 1961)

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u.a. mit Anna Karina und Jean-Paul Belmondo

“Is this a tragedy or a comedy? Either way it’s a masterpiece.” Eine Frau ist eine Frau ist eine brillant geschriebene dramatische Komödie, ein für seine Zeit völlig revolutionärer Film. Hervorzuheben ist hier auch das Darstellertrio Anna Karina, Jean-Paul Belmondo und Jean-Claude Brialy. Selten hat man Schauspielern die Leidenschaft vor der Kamera so sehr abgenommen wie ihnen. Das ist auch der, mal wieder, famosen Kameraarbeit von Raoul Coutard zu verdanken, die den energetischen Rhythmus dieser Musical-Komödie bestimmt. Die fesselnde Musik von Charles Aznavour passt sich dem Geschehen perfekt an. Das Resultat ist ein poetisches Werk, welches kurzweilig und tiefgründig zugleich ist.

Platz 30: Alphaville – Lemmy Caution gegen Alpha 60 (Jean-Luc Godard, 1965)

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u.a. mit Eddie Constantine und Anna Karina

Jean-Luc Godard spaltet(e) die Gemüter mit provokativer Vorliebe. Dabei stellt er für den Großteil der Filmliebhaber so etwas wie den eindrucksvollsten Virtuosen der Filmgeschichte dar, der durch sein gezieltes Vorstoßen gegen herkömmliche Sehgewohnheiten nicht nur an die Fiktion der Illusion des Kinos erinnert und dadurch auf jede tradierte Regel gepfiffen hat, sondern auch durch sämtliche (Re-)Zitierungen und Referenzen aus den verschiedensten Kunstbereichen seinen Platz als unantastbarer Visionär im Herzen der Cineasten gesichert hat. Dies stellte er auch 1965 im Science-Fiction-Genre unter Beweis, denn Alphaville ist ohne Frage einer der philosophischsten (ganz im Sinne von George Orwells 1984) sowie ungewöhnlichsten Genrebeiträge, die das Kino bis heute gesehen.

Platz 29: Nur die Sonne war Zeuge (René Clément, 1960)

u.a. mit Alain Delon und Maurice Ronet

Patricia Highsmith, Alain Delon und perfide Spiele um Macht und Identität. Kann nur ein Klassiker sein. Und ist auch einer. Die Romanverfilmung von René Clément ist nicht nur ein stilistischer Siegeszug des französischen Kinos, Nur die Sonne war Zeuge ist auch einer prägnantesten Vertreter des 1960er Jahre Spannungskinos. Und wem das nicht reicht: Alain Delons von Schweißperlen dominiertes Schauspiel und die brennend heiße Atmosphäre, für die Henri Decaes legendäre Kameraarbeit sorgt, sollten Argument genug sein, diesen Sommerthriller zu lieben. [Trailer]

Platz 28: Ich liebe dich, ich liebe dich (Alain Resnais, 1968)

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u.a. mit Claire Duhamel und Van Doude

Platz 27: Sie küssten und sie schlugen ihn (Francois Truffaut, 1959)

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u.a. mit Jean-Pierre Léaud und Claire Maurier

Francois Truffauts Coming-of-Age-Film schildert die Kindheit des in indifferenter Umgebung aufwachsenden Jungen Antoine Doinel und ist dabei gleichermassen ein Ruf nach Freiheit und Selbstbestimmung wie auch nach Anerkennung und (Eltern-)Liebe. So gekonnt wie Francois Truffaut hat das bis heute jedoch kein anderer Regisseur mehr erzählt. Sie küssten und sie schlugen ihn ist ein berührendes Meisterwerk und der Anfang des unvergesslichen fünfteiligen Antoine-Doinel-Zyklus, welcher über 20 Jahre hinweg mit Hauptdarsteller Jean-Pierre Léaud gedreht wurde. Ein einmaliges Experiment in der Geschichte des Films.

Platz 26: Lautlos wie die Nacht (Henri Verneuil, 1963)

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u.a. mit Jean Gabin und Alain Delon

Lautlos wie die Nacht lässt sich ohne weiteres als einer der besten Heist-Krimis überhaupt betiteln. Dabei legt Regisseur Henri Verneuil (Der Clan der Sizilianer) sein Hauptaugenmerk jedoch nicht auf den Überfall des Palm Beach Casinos in Cannes, sondern auf die beiden Charaktere Charles und Francis und die präzise Planung des Coups, die bis in das kleinste Detail genauestens durchdacht wurde. Ohne die Spannungsschraube in krachenden Szenen explodieren zu lassen, behält Henri Verneuil über 120 Minuten stetig sein ruhiges Tempo und arbeitet sich Stück für Stück bis zum finalen Raubzug vor, der dann wiederum zu den besten der Filmgeschichte gehört. Minimalistisches Kino wie dieses entfaltet am Ende doch meistens die grösste Wirkung.

Platz 25: Nacht und Nebel (Alain Resnais, 1955)

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u.a. mit Michel Bouquet und Heinrich Himmler

Alain Resnais drehte im Jahr 1955 ein überwältigendes Requiem über den Schrecken der Nazi-Lager, welches wirklich jeder einmal gesehen sollte. Es war der erste Film, der sich offen mit dem Holocaust befasste, zu einer Zeit, als die Wunden des Zweiten Weltkriegs noch nicht geheilt waren. Nacht und Nebel hält eines der unheimlichsten Kapitel der Menschheitsgeschichte fest und leitet dabei einen Großteil seiner Wirksamkeit aus der immensen Frage ab: Wer ist für all den Schrecken verantwortlich? Mit dieser nur 32 Minuten umfassenden Dokumentation sagte Alain Resnais im Prinzip bereits vor Jahrzehnten alles, was es über den Holocaust zu sagen gibt.

Platz 24: Die Regenschirme von Cherbourg / Die Mädchen von Rochefor(Jacques Demy, 1964/1967)

u.a. mit Catherine Deneuve, Francoise Dorléac und Nino Castelnuovo

Hier konnte ich mich wirklich nicht entscheiden. Europa war noch nie eine Hochburg des Filmmusicals, doch während in den USA die glorreiche Musical-Ära zu ende ging, belebte sie Jacques Demy eigenhändig im Frankreich der 60er Jahre wieder, in schönstem Technicolor wohlgemerkt. Die Regenschirme von Cherbourg und der danach entstandene Die Mädchen von Rochefort bilden die Speerspitze seines Schaffens, das sich von den Werken seiner französischen Kolleg*innen doch überaus unterschied. Die Regenschirme von Cherbourg bildet dabei die experimentelle Hälfte. Zwar erzählt der Film eine eher klassische, tragische Liebesgeschichte, allerdings vor dem Hintergrund des Algerienkriegs und komplett im Rezitativ gesungen. Die Mädchen von Rochefort, ebenfalls mit Catherine Deneuve, besitzt übliche Musical-Nummern und knüpft deutlicher an Hollywood an. Ein gealterter Gene Kelly spielt eine Nebenrolle. Die Musik von Michel Legrand ist zudem ein wahrer Hit-Garant und kann immer wieder gehört werden.

Platz 23: Das Loch (Jacques Becker, 1960)

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u.a. mit Michel Constantin und Jean Keraudy

Platz 22: Die Verachtung (Jean-Luc Godard, 1963)

u.a. mit Brigitte Bardot und Michel Piccoli

Was kann man noch zu Jean-Luc Godards revolutionärem Nouvelle-Vague-Meisterwerk sagen, das noch nicht gesagt wurde. Als einer der Filme schlechthin des französischen Kinovisionärs, hatte natürlich auch Die Verachtung enormen Einfluss auf das spätere Kino. Und dabei tat Jean-Luc Godard eigentlich nicht viel mehr, als auf der Insel Capri zwei sich liebende Menschen (legendär: Brigitte Bardot und Michel Piccoli) dabei zu filmen, wie sie sich auf tragikomische Weise gegenseitig zerfleischen. „If you love me, just be quiet.“ Das ist von Raoul Coutard in Bilder gefasst, die nicht von dieser Welt scheinen, und begleitet, dank Georges Delerue, von einem der wahrlich beeindruckensten Filmscores aller Zeiten.

Platz 21: Der Tag bricht an (Marcel Carné, 1939)

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u.a. mit Jean Gabin und Jules Berry

Mein Lieblingsfilm von Marcel Carné (Kinder des Olymp). Der Tag bricht an prägte das Kino und überzeugt aufgrund der zu seiner Zeit waghalsigen Inszenierung, die den Zuschauer bis heute in ihren Bann zieht, nach wie vor. Jean Gabin bekommen wir auf der Höhe seines schauspielerischen Schaffens zu sehen. Die Geschichte wirkt aus heutiger Sicht zwar ein wenig simplistisch, doch sind es vor allem die Dialoge aus der Feder von Jacques Prévert und das zeitlose Setting, welche begeistern. Der Tag bricht an scheint die Zeit, auch dank der zeitlosen Themen, nichts anhaben zu können. [Trailer]

Platz 20: Die Teuflischen (Henri-Georges Clouzot, 1955)

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u.a. mit Simone Signoret und Paul Meurisse

Kein Wunder, dass sich Alfred Hitchcock von Die Teuflischen angegriffen gefühlt hat und sich 5 Jahre später dazu gezwungen sah, seinem französischen Gegenspieler Henri-Georges Clouzot mit Psycho entgegenzutreten. Und ja, der Thron des Psycho-Thrillers gehört dem pummeligen Briten, allerdings muss sich Henri-Georges Clouzot mit seinem Klassiker keinesfalls verstecken, schließlich fungierte er nicht nur für den Master of Suspense in gewisser Weise als Inspiration, sondern legte auch den brillanten Grundstein für ein unheimlich fesselndes wie vielseitiges Genre. Aber über Die Teuflischen muss man nicht viele Worte verlieren, man muss ihn in seinem detaillierten Facettenreichtum und der präzisen Inszenierung am eigenen Leib erfahren. Die Illusion des perfekten Mordes, eingehüllt in atmosphärische Schwarz-Weiß-Fotografien, wird zum Suspense-Manifest ohne jede dramaturgischen Fehltritte oder melodramatische Abweichungen.

Platz 19: Der Teufel mit der weissen Weste (Jean-Pierre Melville, 1962)

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u.a. mit Jean-Paul Belmondo und Jean Desailly

„Il faut choisir. Mourir ou mentir?“ – „Man muss wählen. Sterben… oder lügen?“ Vom König der komplexen und hochstilisierten Gangster-Filme, Monsieur Jean-Pierre Melville, inszeniert, ist Le Doulos ein düsteres Schattenspiel über Mord, Vertrauen und Verrat. Jean-Paul Belmondo bietet, hier noch am Anfang seiner langen Karriere, eine seiner großartigsten Leistungen. Die wunderbare Welt der Gangster? Eher nicht: Jean-Pierre Melville schaffte mit seiner meisterhaften Inzenierung einen Sog, der diese Welt als abscheulich, düster und nicht lebenswert darstellt. Wie ihm das im Detail gelungen ist? Schaut euch den Film an und ihr werdet um eine bedeutsame Erfahrung reicher, denn Le Doulos ist nicht mehr und nicht weniger als einer der herausragendsten Film Noirs.

Platz 18: Es war einmal… (Jean Cocteau und René Clément, 1946)

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u.a. mit Jean Marais und Josette Day

Lange vor irgendwelchen Disney- oder Realverfilmungen des französischen Volksmärchens Die Schöne und das Biest gab es Jean Cocteau. Die Magie des Märchens ist in Es war einmal bis zum Ende ein Schatz subtiler Bilder, faszinierender Musik, barocker Opulenz, sexueller Intensität, unterstützt von den beiden bezaubernden Darbietungen Jean Marais’ (Das Biest) und Josette Days (Die Schöne). Es geht um die Themen Unschuld und Gier, die transformative Kraft der Liebe, die Angst vor dem Unbekannten, Oder um es aus der fantasievollen Perspektive zusammenzufassen: Die Magie des Lebens. Jean Cocteau war zu seiner Zeit ein gefeierter Dichter und Filmemacher, Es war einmal ist der Höhepunkt seines Schaffens, in dem beides Hand in Hand geht. [Trailer]

Platz 17: Z – Anatomie eines politischen Mordes (Costa-Gavras, 1969)

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u.a. mit Yves Montand und Jean-Louis Trintignant

Bereits vor über fünfzig Jahren perfektionierte der griechisch-französische Regisseur Costa-Gavras, Meister der politischen Thriller, die filmische Kunst mit seinem zeitlosen, französischsprachigen Meisterwerk Z. Die Geschichte handelt davon, wie eine autoritäre rechte Partei ihren Weg zur Macht erkämpfte, als sie Costa-Gavras Heimatland Griechenland zerstörte, was zu einem unterdrückenden Militärputsch führte. Z ist ein wütendes Testament einer politischen Zeit, die stets im Bewusstsein der Menschen bleiben sollte, formvollendet inszeniert, komplex gezeichnet, spannend und ohne einfache Antworten. [Trailer]

Platz 16: Meine Nacht bei Maud (Éric Rohmer, 1969)

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u.a. mit Jean-Louis Trintignant und Francoise Fabian

Einer meiner absoluten Liebling unter den Nouvelle Vague Filmen und der beste Teil von Éric Rohmers ‘moralischen Erzählungen’. Und dabei erzählt der Film grösstenteils nur von einer Frau und einem Mann, die eine Nacht miteinander verbringen. Die sexuelle Anziehungskraft zwischen Francoise Fabian und Jean-Louis Trintignant wird ständig durch Debatten über Moral und Versuchung verschleiert. In der ganzen Nacht, die die beiden zusammen verbringen, “passiert” nichts außer unaufhörlichem Reden. Trotzdem ist Meine Nacht bei Maud ein zutiefst aufregender und erotischer Film – subtil erzählt, voller Ungewissheiten, komplex, humorvoll und bewegend. Éric Rohmers zeitloses Meisterwerk.

Platz 15: Sommer (Éric Rohmer, 1996)

u.a. mit Melvil Poupaud und Amanda Langlet

Der letzte und bis heute für mich beste Éric Rohmer Film in dieser Liste. Noch nicht erwähnt hatte ich nämlich seinen meisterlichen Zyklus ‘Erzählungen der Vier Jahreszeiten’. Und davon ist Sommer einer der mit Abstand außergewöhnlichsten Filme im Spätschaffen des französischen Regisseurs. Filme, die mit einer derartigen Ambition und Leidenschaft gedreht werden, wie diese an der Bretagne-Küste spielende Romantikkomödie, gibt es nur selten. Sommer ist der ultimative Coming-Of-Age-Film, welcher im Strandsetting auf bis heute gleichermaßen einmalige wie charmante Art und Weise von den Hürden der Liebe und des Erwachsenwerdens erzählt. Ein sommerlicher Hochgenuss.

Platz 14: Letztes Jahr in Marienbad (Alain Resnais, 1961)

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u.a. mit Delphine Seyrig und Giorgio Albertazzi

1961 erreichte das (französische) Kino einen eigensinnigen Höhepunkt. Einen Versuch, das Drama mit der Avantgarde zu verbinden. Ein filmisches Experiment, welches die damaligen Kritiker in zwei Lager teilte und nichtsdestotrotz den Goldenen Löwen in Venedig gewann. Ein Mann und eine Frau, gekleidet in stilvoller Abendgarderobe. Kamerafahrten durch ein prunkvolles Schloss, untermalt von den penetranten Klängen einer Orgel. Eine Männerstimme setzt ein, ergeht sich in ständigen Wiederholungen. Die Exposition von Letztes Jahr in Marienbad gibt unweigerlich die Richtung für die darauffolgenden 90 Minuten vor. Was Alain Resnais (Hiroshima mon amour) damit geschaffen hat, ist ein mutiges Werk, das nicht davor scheut seine Zuschauer vor den Kopf zu stoßen. Retrospektiv auch ein notwendiges Werk, welches der Kunstform Film wichtige Anschübe gab und sie zu stetiger Veränderung trieb. [Komplette Kritik]

Platz 13: Das Irrlicht (Louis Malle, 1963)

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u.a. mit Maurice Ronet und Léna Skerla

Platz 12: Masculin – Féminin (Jean-Luc Godard, 1966)

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u.a. mit Jean-Pierre Léaud und Chantal Goya

Masculin – Feminin oder: Die Kinder von Marx und Coca-Cola ist meiner Meinung nach einer der absolut besten Filme von Jean-Luc Godard (Die Verachtung, Außer Atem). Es ist einfach eine weitere von zahlreichen Arbeiten, die das enorme Talent, welches Jean-Luc Godard in den 60ern besaß, unter Beweis stellen. Die zwischen Romantikkomödie und Sozialdrama leichtfüßig wechselnde Stimmung setzt sich auf brillante Weise mit der Psychologie von Männern und Frauen auseinander und kokettiert dabei gezielt mit gesellschaftlichen Widersprüchen, welche jeder von uns in sich trägt. Der Alltag jedes einzelnen Menschen, auch scheinbar banale Situationen, spiegelt immer auch ernstere Themen wieder. Nicht immer machen dabei unsere Entscheidungen und unser Handeln Sinn, denn die Welt dort draußen ist für einfache Antworten schlicht zu komplex. Und wir alle sind Kinder des Krieges, der Sexualität und der Politik, ob wir wollen oder nicht. Masculin – Feminin schildert voller Experimentierfreudigkeit den Alltag ebenjener junger Erwachsener, geprägt durch die Vergangenheit und auf der Suche nach sich selbst, und ist in dieser Hinsicht so relevant und zeitlos wie wohl kein anderer Godard-Film. Gedreht ist das alles in unvergesslich-poetischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen.

Platz 11: Endstation Schafott (José Giovanni, 1973)

u.a. mit Alain Delon und Jean Gabin

Endstation Schafott ist ein unter die Haut gehendes Plädoyer gegen die Todesstrafe. Ein Aufruf an Anerkennung, Verzeihung und Einsicht. Mit seinen fantastischen Darstellern, der groben Optik und der tollen Inszenierung erleben wir einen Film, der nicht nur zum Nachdenken anregt, sondern noch Stunden nach dem Ende unglaublich stark wirkt. Ein schmerzhafter und aufwühlender Film, der viele Fragen aufkommen lässt und den Zuschauer festhält. Ein düsterer Film, der selbst in Momenten der Freude und Wärme weiß, wie er sie vertreiben kann.

Platz 10: Die Wahrheit (Henri-Georges Clouzot, 1960)

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u.a. mit Brigitte Bardot und Paul Meurisse

Einer der wenigen Filme in dieser Liste, die ich tatsächlich erst vor Kurzem gesehen habe. Umso überraschter war ich dann Zeuge eines dermaßen bewegenden Meisterwerks zu werden, welches seit 1960 nichts von seiner Brisanz verloren hat und eine der bis heute unvergesslichsten schauspielerischen Leistungen einer Frau zu bieten hat. Brigitte Bardot in der Rolle der selbstbestimmten Frau, der die Gesellschaft Einhalt gebieten möchte und die dadurch schließlich mit einer Mordanklage vor Gericht landet, ist emotional aufwühlend und diskussionswürdig, zuweilen aber auch wirklich unterhaltsam und lebensbejahend. Die Kontradiktionen und Konflikte einer Gesellschaft, welche am liebsten diktieren möchte, wie jemand (hier die Frau) zu leben hat, kommen durch die Schwarz-Weiß-Aufnahmen optimal zur Geltung. Die Wahrheit ist in jedweder Hinsicht ein bedeutendes Stück Kinogeschichte und Henri-Georges Clouzots bester und wichtigster Film (weshalb es Lohn der Angst nicht in diese Liste geschafft hat).

Platz 9: Armee im Schatten (Jean-Pierre Melville, 1969)

u.a. mit Lino Ventura und Paul Meurisse

In Armee im Schatten reflektiert Frankreichs Regie-As Jean-Pierre Melville seine eigene Vergangenheit. Auf ernüchternde Weise schildert er den Kampf einer Résistance-Gruppe gegen die deutsche Besatzung während des zweiten Weltkriegs. Unpathetisch und komplett ohne unnötige reißerische Szenen ist Jean-Pierre Melville damit sein persönlichster Film und eines der großartigsten (Antikriegs-)Dramen der Filmgeschichte gelungen.

Platz 8: Hass (Mathieu Kassovitz, 1995)

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u.a. mit Vincent Cassel und Saïd Taghmaoui

La haine ist seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1995 wirklich kein bisschen gealtert und bis heute vor allem thematisch einer der relevantesten Filme des europäischen Kinos. Der Film erzählt die Geschichte einer Gesellschaft, die im Niedergang begriffen ist und sich im Laufe des Niedergangs immer wieder wiederholt, um sich zu beruhigen: ‘So weit so gut, so weit so gut, so weit so gut.’ Das Wichtigste jedoch ist nicht der Sturz, sondern die Landung. War Regisseur Mathieu Kassovitz ein Visionär? Zumindest beschreibt er Situationen und Unruhen in Vororten, die Frankreich noch Jahrzehnte später belasten. Wir folgen in La haine drei im alltäglichen Leben der Vororte verlorenen Jugendlichen einen Tag lang durch ihr Leben, wie sie versuchen vorwärts zu kommen, sie jedoch an ihre Grenzen gebracht werden und schliesslich ihrem Schicksal unterliegen. Das alles ist in Schwarz-Weiß gedreht. Ein eleganter Kontrast. Zeitlos.

Platz 7: Vier im roten Kreis (Jean-Pierre Melville, 1970)

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u.a. mit Yves Montand und Alain Delon

Jean-Pierre Melville erzählt hier im Grunde die simpelste Gangster/Heist Geschichte: Zwei Verbrecher tun sich zusammen, sammeln den nötigen dritten Mann für ihren geplanten Coup und werden von einem zielstrebigen Polizisten auf Schritt und Tritt verfolgt. Kennen wir schon, das haben wir oft genug gesehen. Was jedoch den Unterschied ausmacht, ist die Art diese Geschichte zu erzählen und das beherrscht Jean-Pierre Melville im letzten grossen Meisterwek seiner Regiekarriere in Perfektion. Vier im roten Kreis wird von vielen als Melvilles bester und reifster Film angesehen. Verständlicherweise, denn es ist ein prägendes Werk und ein Wegweiser für viele andere Thriller. Mit seinen fantastischen Darstellern, der perfektionierten Optik und Inszenierung und der tollen Musik hat er sich einen ganz besonderen Platz in der Filmwelt verschafft, den er mehr als nur verdient. [Komplette Kritik]

Platz 6: Der Mieter (Roman Polanski, 1976)

u.a. mit Roman Polanski und Isabelle Adjani

Es ist verblüffend, mit welch einer Leichtigkeit Roman Polanski in Der Mieter die Hilflosigkeit eines in die enge getriebenen jungen Mannes schildert und verkörpert. Und was machen wir Mitmenschen? Wir wollen/können diesen Mann nicht verstehen. Ein schockierender Film, der einem auch noch heute die Nackenhaare zu Berge stehen lässt und zutiefst berührt. [Komplette Kritik]

Platz 5: Belle de jour – Schöne des Tages (Luis Buñuel, 1967)

u.a. mit Catherine Deneuve und Jean Sorel

In diesem erotisch-verstörenden Meisterwerk vom Meister des Surrealismus Luis Buñuel darf man Catherine Deneuve auf dem Höhepunkt ihrer Karriere begleiten, wie sie eine verführerische, junge Dame, die ihrem drögen Bourgeoisie-Leben entfliehen möchte, verkörpert. Dabei ist der Film noch heute genauso aktuell und mitreißend wie im Erscheinungsjahr 1967.

Platz 4: Elf Uhr nachts (Jean-Luc Godard, 1965)

u.a. mit Anna Karina und Jean-Paul Belmondo

Aus der Zusammenarbeit von Regisseur Jean-Luc Godard, Kameramann Raoul Coutard und den beiden Protagonisten Jean-Paul Belmondo und Anna Karina entstand eine farbenfrohe Mixtur aus Crime-Story, Musical, Melodrama und grotesker Komik, hinter deren Fassade sich die eigentliche Handlung abspielt. Narrheiten der Gesellschaft, das unabdingbare Scheitern der Liebe, die Suche nach dem Glück, Romantik und Existenzialismus sind die Hauptthemen, denen dieses Kunstwerk auf den Grund geht. Dabei schuf Godard ein Zitat, welches als eine der berühmtesten Hommagen an das Kino gilt: „Der Film ist wie ein Schlachtfeld. Liebe, Hass, Action, Gewalt, Tod. In einem Wort: Emotionen.“

Platz 3: Die große Illusion (Jean Renoir, 1937)

u.a. mit Jean Gabin und Erich von Stroheim

Der Antikriegsfilm schlechthin. Ein Plädoyer für die Völkerverständigung, gedreht zwischen den zwei Weltkriegen, in einer krisengebeudelten Zeit. Der Gedanke eines geeinten Europas, und das in einem Film aus dem Jahr 1937. Kaum zu glauben, aber so unfassbar revolutionär, zeitlos und noch heute packend können Filme sein. [Trailer]

Platz 2: Außer Atem (Jean-Luc Godard, 1960)

u.a. mit Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg

Anti-Kino in seiner höchsten Vollkommenheit, zwischen Kunst, Spontanität und Perfektion. À bout de souffle ist ein Meisterwerk sondergleichen, welches man ab dem ersten Augenblick hasst oder liebt. Ich persönlich habe darin meinen liebsten Godard entdeckt, der hier mit dem Thema Liebe ebenso destruktiv wie liebenswert hantiert, Erzählkonventionen über Bord wirft und sich vollkommen der narzisstischen Welt widmet, in der Träume und Liebe ebenso erreichbar wie zum Scheitern verurteilt sind. Vielen Dank Monsieur Godard für diesen Einblick, der mir immer wieder in Erinnerung ruft, warum ich das Kino so sehr liebe.

Platz 1: Der eiskalte Engel (Jean-Pierre Melville, 1967)

u.a. mit Alain Delon und Francois Périer

Schauspiel, wie man es heutzutage nicht mehr geboten bekommt, eine bis ins kleinste Detail wunderbar durchdachte Geschichte und eine ebenso durchdachte Inszenierung, die ihrer Zeit voraus waren. Alain Delon ist hier der Schauspielgott, kurzum: Le Samourai ist einer der absolut unvergesslichsten europäischen Filme, natürlich inszeniert von Jean-Pierre Melville, von wem auch sonst.

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