"Eureka" (USA/GB 1983) Kritik – Schicksalsbestimmung im Kampf um die Seele

Autor: Pascal Reis

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“At first I thought you wanted my daughter. Then I thought you wanted my gold. Now I think you want my soul.”

Es ist ein Trauerspiel, dass vielen selberernannten Cineasten der Name Nicolas Roeg kein Begriff mehr zu sein scheint. Dabei hat der britische Individualist nicht nur die Filmwelt durch seine informalen Werte geprägt, sondern ihr auch im handwerklichen Bereich einen Stempel aufgedrückt. Seine kapriziöse Kameraführung und die auktoriale Schnitttechnik trugen fortwährend eine ganz eigene, unverwechselbare Handschrift und assoziierten die normfremden Perspektiven mit verschiedensten Bewusstseinsebenen. Das Kino des Nicolas Roeg war ebenso auf seine subjektive Impression ausgelegt, wie es auch auf die zergliedernde Analyse von zwischenmenschlicher Symbolik und übernatürlicher Mystik zielte. Dabei stellt vor allem sein unschätzbarer Klassiker „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ den markanten Leuchtturm in Roegs Œuvre dar, während sein gesamtes Schaffen von sämtlichen Perlen durchzogen wird, ob „Blackout“ mit Art Garfunkel oder „Der Mann, der vom Himmel fiel“ mit einem androgynen David Bowie in Topform. Vollkommen zu Unrecht vergessen scheint hingegen sein 1983 veröffentlichter Kassen- und Kritikerflop „Eureka“.

In seiner Gier nach Geld reist Jack McCann bis in die gnadenlosesten Wälder der Welt, in denen die Kälte schnell zum Tod führen kann. Jack ist davon überzeugt, einen riesen Batzen Gold zu finden, der ihm zu unendlichen Reichtum verhelfen wird, dabei nimmt er sogar in Kauf, sich von seiner Abenteurergruppe zu trennen und auf eigene Faust durch die weiße Weiten zu streifen. Jacks Übermut bewahrheitet sich allerdings nach einigen Strapazen und wie durch ein Wunder bricht Jack in eine echte Goldmiene, die ihm jede finanzielle Sorge bis in alle Ewigkeit vom Halse halten wird. Mit dem Reichtum kommen jedoch auch die Geier und die zwielichtigen Anleger Mayakofksy und Aurelio D’Amato wetzen bereits die Messer, während Claude van Horn die Person für sich gewinnt, die Jack als einzige in seinem Leben etwas bedeutet: Seine Tochter Tracy.

Als Prestigeprojekt in Roegs Karriere eingegangen, hat „Eureka“ einen Cast der Extraklasse im Repertoire. Das fängt mit Jack McCann an, der von einem großartigen Gene Hackman mannigfach verkörpert wird und den Spagat zwischen familiärer Verzweigung und den missgünstigen Folgen seiner Wohlhabenheit veritabel ausspielt. Hinter ihm trumpfen in geordneter Klassifizierung Theresa Russell, Joe Pesci und Mickey Rourke auf. Wenngleich Letztere nicht die große Screentime bekommen, um von ihrem ganzen Können Gebrauch zu machen; aber fähigen Darstellern reicht die Zeit, die sie zugesprochen bekommen um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Eine wirkliche Duftmarke setzt allerdings Rutger Hauer mit seiner ambivalenten Performance des Schwiegersohnes Claude Maillot Van Horn. Bis zum Ende verströmen seine stahlblauen Augen ein Meer aus unschlüssigen Doppeldeutigkeiten. Das eine derartige Besetzung nicht mehr Zuspruch und Aufmerksamkeit verbuchen konnte oder wird, ist genauso fragwürdig wie die allgemeine Verachtung der Presse für Roegs Werk.

„Eureka“ beginnt wie ein usueller Abenteuer-Film, in dem ein obsessiver Charakter den eingebrannten Traum vom aussorgenden Schatz verfolgt. Ungeachtet davon streut Roeg nach wenigen Minuten bereits ein charakteristisches Kennzeichen seiner künstlerischen Vita ein: Die Faszination des Übernatürlichen, verkabelt mit dem Mysterium des menschlichen Seins. Obgleich Roegs Inszenierung auf den ersten Blick einer beinahe konventionellen Formulierung folgt, braucht es nicht lange, bis die leibeigene Kognition der vexierten Sachlage erste Wellen wirft. Roeg manifestiert die vordergründigen Archetypen in einem Szenario, welches trotz seiner recht reservierten Schale nie der befürchteten Seifenopermentalität verfällt, sondern einem narrativen Faden folgt, der das humane Konstrukt zwischen schonungsloser Habgier und innerfamiliärer Erkenntnis nie aus den Augen verliert und dem Zuschauer so eine Geschichte mit Substanz liefert. Es liegt nicht im Anliegen des Regisseurs den Rezipienten für 120 Minuten zu berieseln; hier geht es um Abstrahleffekte einer einzelnen Metamorphose in Bezug auf das private und gesellschaftliche Umfeld.

Wo in Roegs Werken die Addition aus Mensch und Natur zur menschlichen Natur führte und den symbolischen Randnotizen für den aufmerksamen Zuschauer eine Hilfestellung zur Entschlüsselung auserwählter Fragmente diente, wird in „Eureka“ ein geheimnisvoller Stein zum Schicksal des Jack McCann. In den ersten Minuten des Filmes wird die einschneidende Wichtigkeit dieses Unikats mit der Existenz von Jack identisiert und vorerst diskontinuierliche Sätze in das Geschehen geworfen, die im Verlauf der Erzählung wiederholt werden und immer mehr Aussagekraft ansammeln. „Eureka“ entwickelt zu einem Film über das prophezeite Schicksal und zu einem Kampf, der sich nicht nur um die besitzergreifende Missgunst dreht, sondern auch um die von Eifersucht erfüllte Seele des gutsituierten Familienoberhauptes – Der Tod spielt hier fortwährend eine signifikante Rolle. Wenngleich Roeg es nicht schafft, den Zuschauer vor gelegentlichen Durchhängern zu bewahren, ist ihm ohne Frage ein philosophisches Werk über emotionale Verästelungen geglückt, in dem Deportation schließlich als Konversion verstanden werden darf und Luxus nie ohne Einsamkeit auskommt. Liebe ist nach wie vor nicht käuflich.

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