Kritik: Die durch die Hölle gehen (USA 1978)

Eine Kritik von Pascal Reis

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Wovor sollte man in diesem Krieg noch Angst haben?

Kriegsfilme sind und bleiben ein wichtiger Bestandteil der Filmgeschichte, egal ob es der Erste Weltkrieg, der Zweite Weltkrieg, Vietnam oder der Irakkrieg ist. Diese Themen werden nicht alt und der Gesprächsstoff wird ebenfalls niemals ausgesehen. Wenn sich ein Film dann um einen der besagten Kriege dreht, dann hat man Vorfeld immer die leise Befürchtung, dass der Regisseur den Stoff nicht richtig angehen würde und sich im verhassten Pathos verrennt und ein völlig verstelltes Kriegsbild offenbart. Wir waren Helden mit Mel Gibson war 2002 ein solches Beispiel und auch Steven Spielberg kam in Der Soldat James Ryan nicht um die störende Heuchelei herum. Begeben wir uns zurück in die Zeit, in der der Vietnamkrieg noch seinen grausamen Schleier hinter sich herzog und widmen uns dem Film, der heute zu den besten Vertretern des Antikriegs-Genres zählt, obwohl es eher ein Film über die Zeit während des Krieges ist: Michael Ciminos Die durch die Hölle gehen aus dem Jahre 1978.

Die drei Freunde Michael, Nick und Steven, der frisch verheiratet ist, feiern noch ausgelassen die Hochzeit Stevens. Doch die drei Männer haben sich freiwillig zum Kriegsdienst in Vietnam gemeldet und die Tage bis zum Antritt werden immer kürzer. In Vietnam angekommen treffen sie sich in vietnamesischer Gefangenschaft wieder und werden von ihren Aufsehern gezwungen, gegeneinander russisches Roulette zu spielen. Doch sie können entkommen und trennen sich erneut auf ihrer Flucht und nichts wird wieder wie vorher sein.

Das vom Fabrikqualm verpestete Provinzstädtchen, der erbarmungslose Dschungel, die dreckigen Städte Vietnams und ganz besonders die kalten Bergwälder von Pennsylvania wurden von Kameramann Vilmos Zsigmond wunderbar festgehalten und erzeugen eine spürbare Atmosphäre der USA während des Vietnamkrieges. Gerade in der Kombination mit dem berührenden und schönen Score von Stanley Myers kann der Film seine ganze tiefe Tragik entblättern, den Zuschauer zurück in diese Zeit führen und einen ganz eigenen Gang durch die Gefühlshölle erleben lassen.

Für Die durch die Hölle gehen konnte Michael Ciminos so manchen Weltstar engagieren. In der Hauptrolle sehen wir Robert De Niro als Michael, der vorher schon mit Filmen wie Der Pate II oder auch Taxi Driver seinen Namen in die Filmgeschichte einmeißelte. Auch als Heimkehrer Michael ist das nicht anders und De Niro glänzt erneut mit emotionalem und vielschichtigem Schauspiel, welches seinen Charakter dem Zuschauer unheimlich nahe bringt. Der Oscar prämierte Christopher Walken als Michaels bester Freund Nick steht De Niro in nichts nach und schafft es die Wandlung des Menschen vor bis nach dem Krieg brillant darzustellen. Auch Charaktermime Meryl Streep als Nicks Freundin ist wie immer stark, genau wie John Savage als drittes Kriegsopfer Steven und John Cazale als Querkopf Stanley. Ein toller und abwechslungsreicher Cast.

Bei der Erwähnung des Regisseurs Michael Ciminos dürfte es wohl nur bei den erfahrenen Filmfreunden klingeln. Mit Die Letzten beißen die Hunde, Im Jahr des Drachen, Der Sizilianer oder Heaven’s Gate hat Ciminos nicht gerade das große Publikum angesprochen, mit letzterem führte er sogar ein Filmstudio in den Ruin, obwohl es sich um ein aus heutiger Sicht meisterhaftes Western-Epos handelt. Sein erstes Meisterwerk lieferte er 1978 mit Die durch die Hölle gehen und konnte sich damit den verdienten Oscar für seine hervorragende Regiearbeit in die Vitrine stellen. Auch über die vier weiteren Auszeichnungen für den Besten Film, den Besten Nebendarsteller und den Besten Schnitt durfte sich Cimino zu Recht freuen, denn sein Film darf sich ohne falsche Scham als “einer der besten Kriegsfilme aller Zeiten” betiteln lassen. Noch ein Jahr vor Francis Ford Coppolas Apocalypse Now inszenierte Cimino keinen Film über den Krieg, sondern über die Menschen. Michael, Nick und Steven sind die besten Freunde und verbringen nicht nur den Alltag gemeinsam, sondern auch ihre Arbeitszeit im Stahlwerk. Der Krieg ruft und die Männer und diese wollen ihrem Vaterland dienen und lassen ihre Frauen, Freundinnen, Eltern und Bekannten zurück.

In Vietnam verändern sie sich alle und die Beziehung zwischen ihnen wird nie wieder dieselbe sein. Gezwungen zum abscheulichen russischen Roulette reichen sie sich die geladenen Waffen gegenseitig zu. Zurück in Amerika ist auch hier nichts mehr beim Alten und Michael, der zwar noch den stabilsten Eindruck macht, findet sich nicht mehr zurecht. Er wird sich niemals mehr irgendwo zu Hause fühlen und auch hier ist die Freude zwar groß beim Wiedersehen mit Freunden und vertrauten Gesichtern, doch es hat sich einfach alles verändert. Alle drei Männer machen verschiedene Wege durch und doch sind sie der gleichen Bestie zum Opfer gefallen. Wenn Michael bei der Jagd den prächtigen Hirsch verschont und den Schuss in die Luft abfeuert, ist das ein hoffnungsvoller Ruf in die Zukunft und ein bevorstehender Rettungsversuch seines alten Freundes. Doch der Krieg macht weder vor der Vergangenheit, der Familie noch vor der Freundschaft halt.

Die durch die Hölle gehen ist in erster Linie kein Film über den Vietnamkrieg, sondern ein Bild über die Menschen in diesen Jahren und die Gefühle der Nation während des Krieges. Cimino teilte seinen Film in drei Teile und wir schreiten gemeinsam durch die Zeit vor, während und nach dem Krieg. Ein schwerer und intensiver Gang durch die Hölle, ohne Rückkehr oder jegliche Wiedergutmachung. Wir sehen die Kriegshandlungen, müssen mitansehen wie Kinder und Frauen erschossen und Soldaten verbrannt werden und unsere drei Freunde sich langsam dem psychischen Druck geschlagen geben müssen. Die Männer kehren traumatisiert, desillusioniert und innerlich zerfallen zurück. Eine Heimat haben sie nicht mehr, alles ist fremd und vergangen. Das russische Roulette symbolisiert den Krieg und die Regellosigkeit wie die Sinnlosigkeit spiegeln sich in diesem abstoßenden Glücksspiel wieder. Auf sensible und ruhige Weise nimmt Cimino sich dieser Zeit an, macht sie fühlbar und lässt uns schmerzhaft verstehen. Kein Hass und kein Zorn, sondern innere Einsamkeit, Trauer und Ratlosigkeit. Wenn am Ende zaghaft “God Bless America” angestimmt wird, ist das fernab von jedem Patriotismus, sondern nur das verzweifelte Zusammenrücken aus verlorenen Menschen in dunkelster Stunde, die sich aneinanderklammern und trotzdem nie wieder ein Ganzes ergeben werden.

Fazit: Die durch die Hölle gehen ist einer der Ausnahmefilme, welche sich weder mit Trommelfeuer, noch mit Amerikaflaggen, die stolz im Wind wehen, dem Thema Krieg annehmen. Michael Ciminos Klassiker spiegelt eine Zeit wieder und machte das auf harte, aber ehrliche und gefühlvolle Weise. Ein Jahrhundertfilm über Verluste und ewige Veränderungen, mit hervorragenden Schauspielern, tollen Aufnahmen, einem feinen Score, grandioser inszeniert. Ein wichtiger wie eindringlicher Film, den man gehen haben sollte.

★★★★★★★☆
Ein echtes Juwel

Hier geht’s zum Trailer auf Youtube.

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