Kritik: Cruella (USA 2021) – Emma Stone auf Abwegen

Eine Gastkritik von Jan Benz

Kritik-Cruella-2021
© Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

Vom desolaten Der König der Löwen bis zum gelungenen The Jungle Book erblickten in den letzten Jahren zahlreiche Disney-Realverfilmungen das Licht der Leinwand. Und da die Remakes überaus erfolgreich an den Kinokassen liefen, hebt Disney weiter seine Goldgrube aus. Immerhin sind aktuell knapp 20 (!) Realverfilmungen und Fortsetzungen in Planung. Nachdem man bereits Dornröschen-Bösewicht Maleficent zwei eigene Realverfilmungen spendiert hat, ist nun Cruella de Vil an der Reihe. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein Remake von 101 Dalmatiner, der bereits 1996 mit Glenn Close verfilmt wurde, sondern um ein Prequel der bekannten Geschichte. Angeführt von den beiden Oscar-Preisträgerinnen Emma Stone (La La Land, The Favourite), in ihrer schwarz-weißen Haarpracht, sowie Emma Thompson (Wiedersehen in Howards End*) als mindestens genauso fiese Modezarin, wird das üble Duo nun auf die zahlende Streaming-Gemeinschaft losgelassen. Cruella ist für eine zusätzliche Gebühr von 21,99€ auf Disney+ erhältlich und entfesselt dort eine launige, aber zu lang geratene Erzählung.

Als die 12-jährige Rebellin Estella von der Schule verwiesen wird, macht sich die alleinerziehende Mutter Catherine mit ihr auf den Weg nach London, wo die angehende Modedesignerin ihr Talent beweisen soll. Auf dem Weg dorthin legen die beiden einen verhängnisvollen Stopp auf einer Modeschau hin. Im Gespräch mit einer geheimnisvollen Frau kommt Catherine ums Leben und Estella muss sich fortan allein durch London schlagen. Dort bildet sie mit ihren beiden Trickbetrügerfreunden Jasper und Horace ein diabolisches Trio. Doch schon bald wird die exzentrische Baroness auf Estella aufmerksam und ihr Aufstieg in der Modewelt, sowie ihr Wandel zur manischen Cruella beginnt.

Natürlich stand von Anfang an die Frage im Raum, wie die durch und durch böse Cruella in eine familienkonforme Realverfilmung von Disney passen soll. Immerhin versucht die exzentrische Designerin im Original 99 Dalmatinern das Fell über die Ohren zu ziehen, um daraus einen Pelzmantel zu kreieren. Sympathisch geht wahrlich anders. Entsprechend durfte man eher eine Maleficent-Behandlung erwarten, die den Bösewicht zur sympathischen Heldin macht. Trotz der düsteren Trailer, die bisweilen an Charaktere wie den Joker und Harley Quinn erinnerten und damit wirklich Interesse weckten, unterscheidet sich Cruella letztlich gar nicht so sehr von Maleficent*. Mit dem Tod ihrer Mutter spendiert man Estella eine tragische Hintergrundgeschichte und dank ihrer humorvollen Art und ihrem anfänglichen Außenseiterdasein entwickelt man relativ schnell Sympathien für den Charakter. Wenn nach einer knappen Stunde erstmals Estellas Alter Ego Cruella Auftritt, schleicht sich dennoch eine Ambivalenz in ihren Charakter, den man sich von Angelina Jolies Maleficent ebenfalls gewünscht hätte. Cruella ist eben nicht plötzlich die Gute, sondern sorgt mit ihrer arroganten Art und dem schlechten Umgang mit ihren Freunden Jasper und Horace immer wieder für die nötige Ambivalenz. Cruella geht damit als klassische Antiheldin durch. Manch einer wird den bösen Charakter aus 101 Dalmatiner vermissen, da Cruella auch gegen Ende zu sympathisch ist, um den Film als echtes Prequel durchgehen zu lassen. Andere werden damit wiederum kein Problem haben, da Cruella hier deutlich jünger ist und ohnehin noch eine Fortsetzung angedeutet wird.

Cruella_2021_EmmaStone

An anderer Stelle wird man sich deutlich einiger sein, denn Cruellas Vorgeschichte wirkt schon arg konstruiert und ein wenig absurd. Ob es nun die schwarz-weißen Haare sind, mit denen Cruella geboren wird, oder die zähnefletschenden Dalmatiner, die wie Kampfhunde auf Estellas Mutter losgehen, es gibt die eine oder andere komisch anmutende Szene. Auch die Verbindungen mit dem Original wirken oftmals deplatziert. So dient beispielsweise die Abspannszene als eine sehr ungelenke Überleitung zum Original, die man sich besser gespart hätte. Letztlich wird Cruella aber kaum jemandem weh tun. Die ungemein düstere Atmosphäre des Trailers wird durch eine humorvolle Grundstimmung aufgelockert und Cruella entpuppt sich letztlich als ein zahmer Familienfilm. Obwohl die Gemeinsamkeiten mit Harley Quinn nicht von der Hand zu weisen sind und die FSK mit ihrer Freigabe ab 6 Jahren vielleicht etwas zu gütig war, erfindet sich Disney mit dem Film nun nicht neu.

I’m just getting started, darling.

Letzten Endes macht es ohnehin am meisten Spaß, den beiden Oscar-Preisträgerinnen dabei zuzusehen, wie sie sich nicht nur ein erbittertes Duell liefern, sondern auch sichtlich Spaß an ihren nicht gerade subtilen Rollen haben. Bereits Glenn Close gab Cruella im Jahr 1996 einen überhöhten Charakter und Emma Stone knüpft nahtlos daran an. Die Rolle der frechen Modegöre passt einfach perfekt zu der talentierten Stone, die auch das darstellerische Können mitbringt, um Cruellas Wandlung glaubhaft darzustellen. Selbiges gilt für Emma Thompson, deren Charakter sehr an Meryl Streeps Miranda Priestly in Der Teufel trägt Prada erinnert. So wunderbar diabolisch die Baroness im Film ist, letztlich ist sie als Gegenspielerin eine Kopie von Cruella in 101 Dalmatiner und damit etwas unkreativ ausgefallen. Wer aber immer schonmal wissen wollte was passiert, wenn Miranda Priestly auf Harley Quinn trifft, wird hier eine Antwort erhalten.

Für die Inszenierung zeigt sich der Australier Craig Gillespie verantwortlich, der kürzlich mit I, Tonya für Aufsehen gesorgt hat. Seine Inszenierung fällt ungemein rasant aus und erinnert, auch wegen der Heist-Thematik, etwas an die Ocean’s-Filme. Hinzu kommt eine Verspieltheit, die sich in zahlreichen Zeitungsmontagen zeigt und gerade in den öffentlichen Aktionen von Cruella zu überzeugen weiß. Diese Inszenierung, gepaart mit einem rockigen 70er Jahre Soundtrack, sorgt für eine ungewohnte Punk-Rock-Attitüde, welche den Film umgibt. Das mag in einem Hochglanzblockbuster von Disney befremdlich wirken, hebt sich dadurch aber deutlich von der Masse der bisherigen Realverfilmungen ab. Dazu glänzt der Film mit seinen prachtvollen Kostümen und darf sich damit früh Hoffnungen auf einen Oscar machen. Um einen Oscar für die besten visuellen Effekte stehen die Chancen jedoch eher schlecht. Anders als im Film von 1996, stammen die Hunde größtenteils aus dem Computer. Nun hat Disney mit The Jungle Book und Co. bereits bewiesen, wie toll sie Tiere animieren können, hier sehen die animierten Hunde allerdings richtig unnatürlich aus und reißen den Zuschauer immer wieder aus der Immersion.

Fazit: Cruella kommt längst nicht so düster und ambivalent daher wie erhofft, sorgt mit seiner launigen Punk-Rock-Attitüde und einer rasanten Inszenierung dennoch für solide Unterhaltung. Dafür ist vor allem das Duell der beiden glänzend aufgelegten Darstellerinnen um Emma Stone und Emma Thompson verantwortlich, die sichtlich Spaß an ihren diabolischen Rollen haben, sowie auch die tollen Kostüme. Auf der Gegenseite stehen die Verweise auf das Original, die oftmals deplatziert wirken, und die mies animierten Hunde. Dazu fällt die ausufernde Erzählung etwas zu lang aus. Trotz allem gehört das Prequel zu den gelungeneren Realverfilmungen von Disney, da es sich am Ende von der Masse abheben kann und den Zuschauer durchgehend bei Laune hält.

Cruella erscheint läuft seit gestern gegen Gebühr bei Disney+. Sicherlich wird der Film später dieses Jahr, wie bereits Raya und der letzte Drache, auch noch auf Blu-ray und DVD veröffentlicht.

Hier geht es zum Trailer auf Youtube.

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