Kritik: Killers of the Flower Moon (USA 2023)

– gesehen im Rahmen der 76. Internationalen Filmfestspiele von Cannes –

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There are many, so many hungry wolves.

Basierend auf dem gleichnamigen Bestseller des Journalisten David Grann aus dem Jahr 2017 meldet sich Regielegende Martin Scorsese vier Jahre nach The Irishman zurück und nimmt sich der unmenschlichen wahren Geschichte über das Massaker an Mitgliedern des Osage-Stammes in Oklahoma in den 1920er-Jahren an, womit dreißig grausame Morde verbunden waren. Diese Verbrechen wurden vom Rancher William Hale hauptsächlich unter Mitschuld seines Neffen Ernest Burkhart begangen. Es ist eine erschütternde Erzählung über die Macht und grenzenlose Gier eines einzelnen Menschen, für die ihr einiges an Sitzfleisch mitbringen solltet.

Mit seiner dreieinhalbstündigen Laufzeit ist Killers of the Flower Moon der bisher zweitlängste Film in Martin Scorseses imponierender Filmografie, nur The Irishman war noch drei Minuten “umfassender”. Eine Filmlänge, die jedoch mal wieder absolut zu rechtfertigen ist, denn nur selten wurden einem auf solch beeindruckende Weise die Schattenseiten der US-amerikanischen Geschichte vorgehalten.

Dabei markiert Killers of the Flower Moon eine weitere Zusammenarbeit zwischen dem Filmemacher und seinen beiden Stammschauspielern: Robert De Niro (u.a. Taxi Driver) und Leonardo DiCaprio (u.a. Aviator). Es handelt sich um ihre erste gemeinsame Zusammenarbeit unter der Regie des Regisseurs, wenn man den Kurzfilm The Audition (2015) einmal beiseite lässt. Und dieses Wiedersehen ist nicht nur eine schauspielerische Offenbarung.

Dieses Mal ist es nicht Orson Welles (Citizen Kane), Al Pacino (Scarface) oder Daniel Day-Lewis (There Will Be Blood) zwischen Gier und Größenwahn, sondern wir sehen einem der legendärsten Schauspieler seiner Zeit dabei zu, wie er den kaltblütigen Unmenschen gibt: Robert De Niro. Sicherlich ist es nicht das erst Mal, dass der zweifache Oscar-Gewinner Schauspieler eine abscheuliche Entwicklung durchmacht (Wie ein wilder Stier) bzw. von Anfang an seine erbarmungslose Seite zeigt (Kap der Angst). Doch so schmierig und schreckenerregend wie hier war der 79-jährige Altstar tatsächlich noch nie.

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Leonardo DiCaprio spielt dagegen, nicht weniger Oscar-würdig, den zutiefst zerrissenen Neffen, der aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrt und sich blind seinem Onkel anvertraut. Von ihm wird Ernest auch mit der indianisch-stämmigen Mollie (Lily Gladstone) verkuppelt. Sie, ihre Mutter sowie ihre zwei Schwestern sind Mitglieder des Osage-Stammes. Als eine nach der anderen der fünf Frauen eliminiert wird, bis nur noch Mollie am Leben ist, beginnt Ernest bezüglich des Ölgeschäfts seines Onkels jedoch immer skeptischer zu werden. Oder lauern da nicht doch noch eine ganz andere, dunklere Seiten in ihm? Ernest ist in jeder Hinsicht eine ambivalent geschriebene sowie von DiCaprio gespielte Figur.

Ein Budget in Höhe von 200 Millionen Dollar hat Martin Scorseses Auseinandersetzung mit den Ölmorden von Osage County veranschlagt, mit dieser finanziell großzügigen Unterstützung jedoch das beeindruckendste Bild von den Vereinigten Staaten Anfang des 20. Jahrhunderts seit There Will Be Blood gezeichnet.  Wie die 2000er Jahre mit Paul Thomas Andersons beklemmendem Meisterwerk haben nun auch die 2020er ihr US-amerikanisches Epos, welches in die Annalen der Filmgeschichte eingehen wird. Auch wenn ich an dieser Stelle nochmals Chloé Zhaos Nomadland nicht unerwähnt lassen möchte.

Martin Scorsese hat mit seinen beiden Stammschauspielern Leonardo DiCaprio sowie Robert De Niro an vorderster Front nicht weniger als ein meisterhaftes cineastisches Fresko über die gierige Seele des Menschen und das durch sie immer wieder hervorgerufene unnötige Blutvergießen geschaffen. Aber sind wir mal ehrlich: Es ist keine Überraschung, dass uns Martin Scorsese nach Silence sowie The Irishman erneut ein auf allen filmischen Ebenen meisterhaftes, vielschichtiges filmisches Porträt bietet, nein, sondern die eigentliche Überraschung ist Lily Gladstone, die uns eine beeindruckend subtile Performance bietet und sich damit jeden Preis der Welt verdient.

Fazit: Killers of the Flower Moon ist, nur wenig überraschend, unübertreffliches, intensives, majestätisches Kino über die endlose, alles zerfressende Gier. Doch so düster die Geschichte nach wahren Begebenheiten ist, Martin Scorsese weiß uns auch stets mit humanen Zwischentönen zu berühren. Ich musste am Ende Tränen verdrücken. So könnte der letzte Film des Regieasses gerne aussehen. Aber das habe ich ja auch schon über Silence und The Irishman gesagt.

★★★★★★★★

Killers of the Flower Moon startet am 19. Oktober 2023 deutschlandweit im Kino. Hier geht’s zum Trailer.

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