Kritik: Kirschblüten und Rote Bohnen (Japan 2015)

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Ich wollte so etwas in der Art schon immer machen.

Naomi Kawases lebensbejahende Verfilmung des Romans „Kirschblüten und Rote Bohnen“ erreicht die deutschen Kinos in diesen kalten und bedrückenden Wintermonaten genau zur rechten Zeit. Der Filmstart ist auch passend aus dem Grund gewählt, dass ansonsten fast alle Kinoleinwände derzeit von Oscar-Dramen besetzt werden. In diesen Oscarzeiten, wo bombastische Emotionen dominieren, wirkt Kawases Film wie Balsam für die Seele des frustrierten Cinephilen. Er erinnert einen nämlich an etwas, was man im Schatten der Oscars oft vergisst: dass Film nicht manipulativ sein muss, um bewegend zu sein.

Sentaro (Masatoshi Nagase) betreibt einen kleinen Dorayaki-Pfannkuchen-Laden in Tokio. Die Arbeit bereitet ihm wenig Freude und seine Kundschaft nervt ihn. Eines Tages steht eine alte Frau, Tokue (Kirin Kiki), vor seinem Geschäft und fragt ihn, ob sie sich für die Aushilfsstelle bewerben könne. Er weist sie mehrere Male ab, doch eine Kostprobe ihrer selbstgemachten Rote-Bohnenpaste überzeugt ihn schließlich. Jeden Morgen, noch vor Sonnenaufgang, kochen sie zusammen eine Ladung der Bohnenpaste. Sentaro stellt verwundert fest, dass seine Pfannkuchen mit der Paste viel besser schmecken. Vor dem Laden steht die Kundschaft plötzlich Schlange. Doch die alte Frau hütet ein Geheimnis, welches Sentaro in den Ruin treiben könnte.

In dieser Zusammenfassung fehlt eigentlich eine zentrale Figur des Films. Die Schülerin Wakana (Kyara Uchida) komplettiert den Kreis der drei Generationen und den Bogen der Handlung. Sie fühlt sich, genauso wie Sentaro, in einer ausweglosen Situation gefangen. Sie lebt in einem winzigen Apartment mit ihrer verbitterten, meistens betrunkenen Mutter, die nicht will, dass Wakana auf die Oberschule geht. Sie soll lieber Geld für den Haushalt verdienen. Abends sitzt das junge Mädchen vor dem Vogelkäfig und bittet ihr exotisches Haustier etwas leiser zu singen, damit sich ihre Mutter nicht aufregt. Den Pfannkuchen-Laden besucht sie eigentlich nur, weil sie dort die misslungenen Kuchen umsonst mit nach Hause nehmen darf.

Tokue, die seltsame alte Frau, befreit nicht nur Sentaro aus seinem Trott, sondern gibt auch diesem schüchternen Mädchen etwas Hoffnung. Die Tragik der Tokue-Figur kann nicht ohne den weiteren Plot preiszugeben detailreicher beschrieben werden. So werde ich es dabei belassen zu sagen, dass in dem Film Fragen rund um die Themen verlorene Zeit und das Genießen einzelner Momente – kleiner Dinge, wie das Rascheln von Baumästen im Wind – aufgeworfen. Es ist eine große Leistung Kawases, die 2007 mit ihrem Film „Der Wald der Trauer“ den Grand-Prix-Preis in Cannes gewann, dass die tragische Vergangenheit dieser Figur nicht die ganze Geschichte überschattet. Stattdessen gönnt sie Tokue und uns ein paar kompromisslos glückliche Momente, in denen wir dem skurrilen Koch-Duo bei der Arbeit zusehen dürfen.

Manchen wird diese recht einfach strukturierte Story als zu vorhersehbar und oberflächlich erscheinen. Wenn man sich jedoch auf diese Art der subtilen Inszenierung einlässt, so wird man im Laufe des Films umso reicher belohnt. Kawase lenkt ihre Figuren mit einer sanften Hand in immer enger-werdenden Bahnen auf einander zu, so dass ihr Aufeinandertreffen sehr natürlich erscheint. In diesem Stil verhält sich auch die Kamera, welche Kawases Protagonisten unauffällig und ruhig beobachtet. Man könnte sagen, dass sie scheinbar großen Respekt vor ihren Figuren hat. Dieser Respekt ist wichtiger als man ahnt, denn unter dieser zunächst sehr niedlichen Prämisse verstecken sich Inhalte von großer Bedeutung.

Fazit: Ein wunderbarer Wohlfühlfilm, der einen an kalten Wintertagen genauso wärmen kann wie eine schöne Tasse Tee.

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