Kritik: Phantastische Tierwesen – Dumbledores Geheimnisse (US/GB 2022)

Eine Gastkritik von Jan Benz

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© Warner Bros. Pictures

Things that seem unimaginable today will seem inevitable tomorrow.

Mit einem weltweiten Einspielergebnis von 650 Millionen Dollar avancierte Grindelwalds Verbrechen, der zweite Teil der Phantastische Tierwesen-Reihe, vielleicht nicht zum Flop, enttäuschend waren die Zahlen für Warner Bros. dennoch. Hinzu kamen mäßige Kritiken und jede Menge Probleme hinter den Kulissen. Egal ob Ezra Miller mal wieder festgenommen wird, J.K. Rowling transfeindliche Tweets veröffentlicht oder Johnny Depp als “Frauenschläger” bezeichnet werden darf, das Harry Potter-Franchise scheint aktuell einfach nicht zur Ruhe zu kommen. Entsprechend unsicher ist es, ob der geplante vierte und fünfte Film überhaupt erscheinen wird. Es lastet also eine Menge Druck auf Dumbledores Geheimnisse, der das strauchelnde Franchise durch ein überarbeitetes Drehbuch von Harry Potter-Veteran Steve Kloves wieder auf Kurs bringen soll. Und dazu muss der Film auch noch den Abgang seines größten Stars Johnny Depp verkraften, der nach seinem Rosenkrieg mit Amber Heard durch Mads Mikkelsen ersetzt wurde. Kann die Reihe mit dem dritten Phantastische Tierwesen-Kapitel also zurück zu alter Stärke finden?

Dumbledores Geheimnisse setzt die Geschichte von Gellert Grindelwald (Mads Mikkelsen) fort, der immer mehr willige Anhängerinnen und Anhänger um sich schart. Da Albus Dumbledore (Jude Law) seine alte Liebe wegen eines Blutschwurs nicht aufhalten kann, wendet er sich erneut an den Magizoologen Newt Scamander (Eddie Redmayne), der gemeinsam mit einer illustren Truppe versucht, den sinistren Zauberer zu stoppen.

Ungeachtet ihrer privaten Tweets musste J.K. Rowling eine Menge Kritik für ihre beiden Phantastische Tierwesen-Drehbücher einstecken, die keiner klaren Linie folgten und viel zu vollgestopft mit Ideen und Charakteren waren. Eine gute Romanautorin macht nun mal noch keine gute Drehbuchautorin. Also entschied sich Warner Bros. dazu, Rowling Steve Kloves an die Seite zu stellen, der, bis auf Der Orden des Phönix, sämtliche Harry Potter-Drehbücher schrieb. Eine gute Entscheidung, denn Dumbledores Geheimnisse kommt deutlich aufgeräumter daher und wird stringenter erzählt. Dazu kehrt eine angenehme Ruhe in die zuvor chaotische und überdrehte Reihe ein, die endlich auch wieder Raum für gefühlvolle Momente zulässt. So verzichten die Macher*innen in der Eröffnungsszene des Films auf eine große Actionszene, um viel lieber der wichtigen Beziehung zwischen Dumbledore und Grindelwald mehr Raum zu geben. In der einfühlsamen Szene wird dann auch endlich mal der Elefant im Raum und somit nach Jahren des Herumdrucksens die Homosexualität und die Liebe der beiden angesprochen. Ein schöner Moment! Trotzdem gibt es von diesen Momenten zu wenige im Film und die Magie der Harry Potter-Filme versprüht auch das dritte Kapitel der Tierwesensaga nicht.

Mit den zahlreichen Anspielungen und altbekannten Musikstücken schwingen die Macher*innen ordentlich mit der Nostalgie-Keule, insgesamt kommen die Rückbesinnungen auf alte Zeiten aber zu plump daher. Nur weil Steve Kloves seine Finger im Spiel hatte, haben sich zudem die Probleme der Reihe nicht in Luft aufgelöst. So leidet die Reihe weiter unter einem Identitätsproblem, da sich Rowling und Co. nicht entscheiden können, ob sie nun einen Film über Newt Scamander und seine Tierwesen machen wollen, oder einen Film über den Konflikt zwischen Dumbledore und Grindelwald. Auf beiden Hochzeiten gleichzeitig zu Tanzen gelingt auch Dumbledores Geheimnisse nicht. Und so wirken die Tierwesen oftmals deplatziert, beziehungsweise bremst Newts Geschichte den schwelenden Konflikt in der magischen Welt immer wieder aus. Immerhin gelingt es dem Film, die Tierwesen besser unter zu bringen, als beim letzten Teil und kreiert in einer relativ ernsten Passage zum Beispiel eine urkomische Szene um einen Krabbentanz. Ein seltenes humoristisches Highlight, das zwar richtig gut funktioniert, nur viel zu lange ausgespielt wird.

Die Charaktere verschlägt es dabei endlich auch nach Deutschland, was durch die klaren Einflüsse von Adolf Hitler auf Grindelwalds Charakter und den zeitlichen Rahmen der 1930er-Jahre zwangsläufig so kommen musste. Angeführt werden die deutschen Magier*innen von einem deutschen Schauspieler, dessen Charakter Anton Vogel eine Schlüsselrolle spielt. Oliver Masuccis Rolle fällt damit viel größer aus als erwartet und der Deutsche liefert eine gelungene Vorstellung ab, was mich persönlich sehr gefreut hat. Optisch erinnert Masucci dabei an sein Gegenüber Mads Mikkelsen in der Rolle als Gellert Grindelwald. Sein optischer Wandel gegenüber dem wasserstoffblonden Johnny Depp wird nie angesprochen, stattdessen setzt Mikkelsen Depps Erbe nahtlos fort. Allerdings haben wir es hier mit einem ganz anderen Grindelwald zu tun als noch in den Vorgängern. Mads Mikkelsens Interpretation wirkt gegenüber dem exzentrischen Ansatz von Depp deutlich geerdeter und auch etwas bedrohlicher und er gibt einen von ihm gewohnt gelungenen Bösewicht ab. Einen besseren Ersatz hätten die Verantwortlichen für Depp kaum finden können. Und wenn der Däne die Rolle von Anfang an innegehabt hätte, würde heute kein Hahn nach einem anderen Schauspieler krähen.

Dadurch sind Highlights in Dumbledores Geheimnisse aber umso schwerer auszumachen, von besagter Krabben-Szene einmal abgesehen. Abseits dieser witzigen Momente (auch Dan Foglers Muggel ist erneut ein Szenendieb), kann der Film kaum für denkwürdige Momente sorgen, was auch an den mangelnden Actionszenen liegt. Die 142 Minuten sind dialoglastig und ruhig erzählt, während die Action nur sehr spärlich eingesetzt wird. Und wenn es dann mal zu Kämpfen kommt, fallen diese doch arg unspektakulär aus. Wer bereits in diesem Teil auf das große Duell zwischen Dumbledore und Grindelwald gehofft hatte, wird enttäuscht sein und auch die anderen Duelle, wie Dumbledores Kampf gegen Credence, bleiben hinter den Erwartungen zurück. Dadurch erweckt der Film einen doch recht zähen Eindruck, da in den überlangen 142 Minuten nicht allzu viel Erinnerungswürdiges passiert. Ob Dumbledores Geheimnisse also der Film ist, der die Reihe rettet, darf durchaus bezweifelt werden. Letzten Endes halten sich die Verantwortlichen aber ein Hintertürchen offen. Das Ende des Films schließt viele Nebenhandlungen ab, und wenn keine Fortsetzung erscheinen würde, könnte ich mit diesem Abschluss ganz gut leben. Vielleicht erfährt die Reihe ja sogar eine komplette Neuausrichtung ohne Newt Scamander? Da Dumbledores Konflikt mit Grindelwald noch nicht beendet ist und der “Kampf des Jahrhunderts”, wie er im Buch immer bezeichnet wurde, noch aussteht, würde ich mir als Potterhead eine Fortsetzung trotz meiner mäßigen Zufriedenheit dennoch wünschen.

Fazit: Dumbledores Geheimnisse stellt eine Verbesserung zum Vorgänger Grindelwalds Verbrechen dar und liegt in etwa auf dem Niveau des ersten Teils. Dafür sorgt ein aufgeräumtes und stringenter erzähltes Drehbuch von Harry Potter-Veteran Steve Kloves, dass den ruhigeren und gefühlvolleren Momenten endlich wieder mehr Raum gibt. Gleichzeitig kann der neue Film aber auch nicht alle Schwächen ausmerzen und die Phantastische Tierwesen-Reihe leidet weiter unter einer Identitätskrise, da es den Machern nicht gelingt, Newts Tierwesen und den Konflikt zwischen Dumbledore und Grindelwald unter einen Hut zu bringen. Dazu fehlt es dem Film an echten Highlights, was auch den unspektakulären Actionszenen von Stammregisseur David Yates geschuldet ist. Mads Mikkelsen kann mit einem völlig anderen Ansatz als Grindelwald überzeugen. Damit reicht es auch für Dumbledores Geheimnisse nur zu einem maximal soliden Film, der nie die Magie der Harry Potter-Filme versprühen kann. Ich hoffe auf eine drastische Neuausrichtung ohne Newt Scamander, falls tatsächlich noch weitere Filme gedreht werden sollten.

Hier geht es zum Trailer auf Youtube.

Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse startet am 7. April 2022 bundesweit im Kino. Ab dem 14. Juli 2022 ist der Film dann bereits fürs Heimkino erhältlich.*

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