Kritik: True Grit (USA 2010) – Mehr, als ein Western

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Rooster Cogburn: Why, by God, girl, that’s a Colt’s Dragoon! You’re no bigger than a corn nubbin, what’re you doing with all this pistol?
Mattie Ross: It belonged to my father, he carried it bravely in the war, and I intend to kill Tom Chaney with it if the law fails to do so.
Rooster Cogburn: Well, this’ll sure get the job done if you can find a fence post to rest it on while you take aim.

‘True Grit’ erzählt die Geschichte der 14-jährigen Mattie Ross (Hailee Steinfeld), deren Vater kaltblütig erschossen wurde. Das junge Mädchen reist nach Fort Smith in Arkansas, um ihren Vater zu identifizieren. Alle wissen, dass der Mörder Tom Chaney ist, aber niemand, auch der Sheriff nicht, will ihr helfen, den Mörder dingfest zu machen. Also wendet sich Mattie Ross an den Marshall Rooster Cogburn (Jeff Bridges). Der ist alkoholsüchtig, kann nur auf einem Auge sehen und ist auch sonst wegen seiner rauen Sitten kein Umgang für ein 14-jähriges Mädchen. Und auch der Texas Ranger (Matt Damon), ob er will oder nicht, muss sich bei der Verfolgung des Mörders dranhängen…

Wir schreiben das Jahr 1964, der Mann ohne Namen, einer meiner Western-Helden, welcher von dem damals unbekannten Clint Eastwood verkörpert wurde, erblickt die Welt. Eine Rolle, welche Eastwood nur unter der Voraussetzung angenommen hatte, dass seine Textpassagen auf ein Minimum gekürzt werden. Fast 50 Jahre später, der Western scheint gestorben, denken sich zwei Gebrüder: “Lass uns den Westen zurückerobern!” Die Frage: Haben sie den richtigen Plan, geht der Ritt gen Westen gut?

Ihre Taktik: Sie stellen mal wieder sämtliche Genre-Konventionen auf den Kopf. Keine stillen Helden werden ihren Weg zurück auf die Leinwand finden, nein, das wäre zu einfach. Sondern Machogehabe, jeder redet und flucht wie ein Wasserfall. Und hier finden die Coens zu ihrer Stärke. Jede Zeile, jeder Dialog sitzt perfekt. Allerdings kann ich weder raten den Film auf Deutsch anzuschauen, noch das erste Mal auf Englisch ohne Untertitel, denn Rooster Cogburns Genuschel ist das Unverständlichste, was ich jemals gehört habe. Und doch nervt das nicht, keineswegs. Das ist Fett-Cogburn wie er leibt und lebt. Und Matt Damon ist hier nicht wiederzuerkennen: “Hat der mal Jason Bourne gespielt? – Nein der doch nicht.” La Boeuf ist für mich Matt Damons bisher beste Rolle. Trotz der beiden großen Charaktermimem wäre der Film ohne eine weitere Figur nicht das, was er ist. Hailee Steinfeild ist wohl die größte Entdeckung des neuen Jahrzehnts. Jeff Bridges und Matt Damon können noch so grandios spielen, dieses Mädchen weiss stets etwas draufzusetzen.

Der Film ist simpel von der Erzählweise. Das wird denke ich einige stören. Ich persönlich war nach dem Kinobesuch erst mal nachdenklich. Unsicher ob ich hier gerade Zeuge eines Meisterwerks war oder nicht. Ich setze mich also in die Tram nach Hause und immer mehr kommen die Gefühle in mir hoch. Diese unbeschreibliche Atmosphäre des Films, mit Filmen wie ‘die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford’ oder ‘No Country for Old Men’ nicht vergleichbar. Ein “Western biblischen Ausmaßes” wurde er bereits genannt. Das kann ich nur unterschreiben. Denn wenn anfangs Cogburn mit Gott gleichgestellt wird, dem Erhabenen über Leben und Tod, und wenn jede Aufnahme unrealistisch real und soghaft wirkt, dann ist das ganz großes Kino.

Zuviel möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Hier haben die Coens erneut ihren ganz eigenen Stil gefunden. Und ich frage mich nun doch langsam, wo zaubern sie immer wieder diese Ideen her? Diese eben erwähnten Dialoge, welche ich zu den besten aller Zeiten zählen möchte. Diese Darsteller, welche für ihre Rollen wie geboren scheinen. Diesen zu jedem Zeitpunkt gelungenen Einsatz von klassischen Musikstücken. Ganz besonders in ihrem Erzähltempo lassen sich die Coen Brüder sehr viel Zeit. Naturaufnahmen, Nahaufnahmen von den Darstellern und minutenlange Dialoge sind hier keine Seltenheit und so entsteigt der eigentlich simplen Geschichte eine Komplexität und Tiefe, welche ihresgleichen suchen. Eine einfache Story wird zum Epos. Das ist eine einzigartige Leistung.

Zum Schluss möchte ich bemängeln, dass der Film nicht noch eine halbe Stunde länger dauert und man sich nicht noch mehr Zeit für die Charaktere der Gegenspieler genommen hat. Es ist fast unmöglich den unsäglichen Hass mitzufühlen, den Mattie Gegenüber dem Mörder ihres Vaters empfindet. Diesen Hass bringt Steinfeld zwar gekonnt zur Geltung, aber möchte man doch noch gerne mehr über den miesen Charakter von Tom Chaney und Konsorten erfahren.

‘True Grit’ ist kein typischer Western. Und gerade deswegen sollte dieser Film für jedermann zugänglich sein, ob Westernmuffel oder nicht, denn er ist aufgrund seiner Genre-Brüche mainstreamig, was mir persönlich zwar ein wenig aufstoßt, aber wollen wir uns mal nichts vormachen, wenn ‘True Grit’ nicht das Revival des Westerns ist, dann dürfte das wohl kein Regisseur der Welt mehr schaffen. Abgesehen vielleicht von Mr. Tarantino.

Und so schließe ich: “They say he has grit. I wanted a film with grit.”

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