"Motorway" (HK 2012) Kritik – Quietschende Reifen auf den nächtlichen Straßen Hongkongs

Autor: Pascal Reis

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“Mich hat noch niemand eingeholt!”

Die Filmwelt hat uns gelehrt, dass es nicht immer die humanen Mitwirkenden in beliebigen Werken sind, die über die Jahre einen beachtlichen Kultstatus erlangen können, sondern auch die motorisierten Gefährte, die von bestimmten (Anti-)Helden quer durch die Szenerie gescheucht wurden. Unweigerlich denkt man dabei an Frank McQueen und seinen Ford Mustang in „Bullitt”, den weißen Dodge Challenger R/T aus „Fluchtpunkt San Francisco”, dem in Quentin Tarantinos Grindhouse-Huldigung „Death Proof“ nochmal eine ganz besondere Rolle zugesprochen wurde, oder auch an den legendären Aston Martin DB5, der zuletzt Daniel Craig in „Skyfall“ als stilvolles Fortbewegungsmittel zur Verfügung stand, aber in dem auch schon Sean Connery in den 1960er Jahren eine äußerst gute Figur gemacht hat. Die Liste könnte man wahrscheinlich bis ins Unendliche ausführen, der Sinn der Sache sollte jedoch schnell erfasst sein: Es geht nichts über einen coolen Protagonisten, der sich in sein ebenbürtiges Vehikel schmeißen darf und mit kühler Mimik über die Landstriche jagt. Jedoch kann ein schickes Automobil einen Film letzten Endes auch nicht vor Drehbuchlöchern und inszenatorischen Mängeln retten, wie Pou-Soi Cheangs Auto-Action „Motorway“ beweist.

Zwar ist Cheung ein guter Fahrer und beherrscht viele signifikante Skills, die so manchen Autobahnraser altaussehen lassen, doch der junge Polizist muss noch so Einiges in seinem Leben lernen, um wirklich in der Liga der ganz großen Stealth Riders, eine Spezialeinheit in Hongkong, mitsprechen zu können. Zusammen mit seinem Kollegen Lo, der deutlich mehr Berufs- und Lebenserfahrung besitzt, jagt er verbrecherische Fluchtwagenfahrer und stoppt die illegalen Straßenrennen. Als Cheung es mit dem berühmt-berüchtigten Jiang zu tun bekommt, der bereits Legendenstatus in der Fluchtwagenfahrerszene besitzt, lässt dieser ihn wie einen kläglichen Anfänger aussehen. Jedoch war dies nicht die einzige Begegnung mit dem Schwerverbrecher Jiang, denn der plant mit der Crew bereits ein ganz großes Ding, in dem es um die Entwendung eines faustgroßen Diamanten geht. Cheung muss ihn stoppen, auch wenn er sein Leben damit aufs Spiel setzt…

Über die Schauspieler müssen nicht viele Worte verloren werden, denn Pou-Soi Cheang geht es in „Motorway“ in erster Linie um die stylische Optik und die temporeichen Verfolgungsjagden. Der chinesische Teenie-Schwarm Shawn Yue („Legend of the Fist“) ist per se schon ein sympathische Kerlchen und auch als Hauptdarsteller Cheung keinesfalls ungeeignet, doch wenn wir uns seine Entfaltungsmöglichkeiten anschauen, ist keine große Analyse von Nöten, um festzustellen, dass die Fesseln des Drehbuches äußerst enggeschnürt sind und Yue letztlich ein Begleiter seines/der Fahrzeuge/s ist und nicht umgekehrt. Anthony Wong Chau-Sang („Infernal Affairs – Die achte Hölle“), der alles andere als ein unbekanntes Gesicht im asiatischen Filmraum ist, trifft es als Lo hingegen noch etwas härter. Würde er sich nicht in einer Szene als Mr.Miyagi-Verschnitt offenbaren dürften und dem Jüngling Cheung mal zeigen, wie man wirklich mit Kupplung, Bremse und Gas in Extremsituationen umgeht, so würde von seiner Performance wohl keine weitere Sekunde im Gedächtnis haften bleiben, ganz zu schweigen von Xiaodong Guo („The Warlords“), der sich als Antagonist Jiang lediglich auf einige finster Blicke beschränken muss.

Die motivierte Intention von Pou-Soi Cheang „Motorway“ liegt also in einem ganz anderen Bereich, der sich aber problemlos feststellen lässt: Nämlich in der visuellen Ästhetisierung der brodelnden Pferdestärken. Die schnurrenden Autos strahlen den unentrinnbaren Charme der mechanischen Begierde aus, das Gaspedal bis auf zum Anschlag durchtreten zu können ist gleichbedeutend mit der ekstatischen Erfüllung. Dabei ist die Faszination für das Rasen über die Straßen der Nacht von Hongkong auf der Seite des Gesetzes und auf der Gegenseite der Verbrecher von gleicher Anziehungskraft ausgefüllt. „Motorway“ lässt sich natürlich durch und durch als klassischer „No Brainer“ bezeichnen und die sterotypischen Segmente des Subgenres, nämlich denen des Auto-Kinos, lassen sich an allen Ecken und Enden finden. Wir haben den jungen Polizisten, der noch etwas grün hinter den Ohren ist und sich so manches Mal selbstüberschätzt und wir haben seinen erfahrenen Partner, der ihm einen so weisen wie lukrativen Rat erteilt, an den er sich dann im Laufe der Geschichte im brenzligen Augenblick noch einmal erinnert (Überraschung!).

Sicher können sich die Verfolgungsjagden (und von denen lebt „Motorway“ nun einmal) mehr als nur sehen lassen, gerade auch wegen des urbanen Umfelds, dass immer wieder in die adrenalingeladenen Sequenzen eingebaut wird, und den grölenden Motoren einen mehr als ansehnlichen Anstrich verleiht, doch die Intensität einer Straßenjagd wie in „Bullitt“ oder auch „Leben und Sterben in L.A.“ erreicht „Motorway“ zu keiner Zeit. Wenn dann noch Xavier Jamauxs „Time Quest“ erklingt, ist die opportune Referenz an Nicolas Winding Refns „Drive“ in stimmungsvoller Klangfarbe auf ihrem Höhepunkt angelangt. Das passt allerdings auch nur allzu gut in das Gesamtbild von „Motorway“, denn mit Eigenständigkeit oder Originalität kann sich Regisseur Pou-Soi Cheang hier wahrlich nicht adeln lassen. Nichtsdestotrotz kann man sich auf die solide Unterhaltung über knapp 90 Minuten einlassen, die Charaktere sind zwar derart simpel gestrickt, dass sie gegen jede „Need for Speed“-Gamefigur den Kürzeren ziehen würden. Auch die Inszenierung fällt immer wieder aufgrund ihrer sprunghaften Unsauberkeit negativ auf, schlecht ist „Motorway“ dennoch sicher nicht, gerade die Fetischisten schneller Karren kommen voll auf ihre Kosten.

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