Kritik: Pain & Gain (USA 2013) – Realität und Intimität: Das heuchlerische Kino des Michael Bay

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I believe in fitness.

Es ist ein unbestreitbarer Fakt, dass Michael Bay inzwischen ein echter Markenname in der Filmwelt geworden ist und es wie kaum ein zweiter Regisseur in den letzten Jahren so kontinuierlich geschafft hat, die Kinogänger und das Feuilleton zu derart kontroversen Diskussionen zu verleiten. Seine „Transformers“-Trilogie ließ den Box Office-Pegel ekstatisch klingeln, die Qualität der Filme war letzten Ende, gelinde ausgedrückt, recht unbefriedigend, denn wo die postmoderne Materialschlacht in Sachen CGI-Effekte natürlich neue Maßstäbe setzen konnte und die Hochleistungscomputer in Bestform aufeinander jagte, blieben die Filme hinsichtlich aller anderen Kriterien deutlich unter dem pauschalisierten Durchschnittsniveau haften. Dabei hat die Karriere des Michael Bay mit dem soliden „Bad Boys“ und dem wirklich guten „The Rock“ einst so vielversprechend angefangen. Als Michael Bay ankündigte, dass er in seinem nächsten Projekt mit dem Titel „Pain & Gain“ ein weitaus intimeres und persönlicher gestaltetes Thema behandeln wird, war das hallende Gelächter dementsprechend groß. Zu Recht.

Miami, 1994: Der Bodybuilder Daniel Lugo ist mit seinem Leben als Personaltrainer nicht mehr zufrieden und träumt davon, größere Ziele zu erreichen. Zusammen mit seinem Kumpel Adrian Doorbal sind die beiden weit davon entfernt die Sonne Floridas in vollen Zügen zu genießen, sondern arbeiten sich im Fitnessclub Sun Gym den Rücken krumm. Als Daniel auf die Idee kommt, einen reichen Geschäftsmann und Stammkunden des Fitnessstudios auszurauben, um durch Folter an sein Vermögen zu kommen, brauchen sie nur die Unterstützung des Ex-Knackis Paul Doyle, der im Gefängnis zu Gott gefunden hat. Zusammen will das Trio den – für ihre Ansicht – idiotensicheren Plan in die Tat umsetzen, jedoch überlebt das Opfer und hetzt dem Trio den bissigen Privatermittler Ed Du Bois an den Hals, der die aufgepumpte Gruppe zur Rechenschaft ziehen soll…

Dass die Story um die Verbrecherbande von Daniel Lugo und seinen muskelbepackten Kumpels tatsächlich auf realen Ereignissen beruht, wird den meisten Kinobesuchern aus Deutschland vor dem ersten Trailer wohl kaum bewusst gewesen sein, schließlich haben die schrecklichen Geschehnisse zwar in den Vereinigten Staaten ihre enormen Wellen gezogen – Daniel Lugo, Adrian Doorbal und Paul Doyle sitzen noch heute in der Todeszelle und warten auf ihre Hinrichtung – doch für den deutschen Ottonormalverbraucher wird die auf Tatsachen beruhende Handlung von „Pain & Gain“ mit Sicherheit vorerst Neuland gewesen sein. Problematisch ist am althergebrachten Schriftzug der „Wahren Geschichte“ die hollywoodtypische Instrumentalisierung, in der sich zwar auf reale Gegebenheiten bezogen wird, aber dem Publikum letztlich ein dramaturgisch frisiertes Konstrukt aufgeboten wird, bei dem es nicht mehr wirklich auf die Faktizität, sondern um den Unterhaltungswert und die plumpe Spannungskurve ankommt. Michael Bay wusste das natürlich im Voraus, nur hatte er den Vorteil, dass die Umstände, in die sich Lugo & Co. manövriert haben, wirklich komplett abstrus waren und Bays Hang zum Übertreiben geradewegs in die Karten spielten.

Warum Michael Bay „Pain & Gain“ im Vorfeld als „intimes Werk“ titulierte, bleibt unklar, denn obgleich das Budget in diesem Fall tatsächlich in einem gemäßigten Rahmen verlief (knapp 30 Millionen Dollar), ist die Besetzungsliste doch mehr wie ein großangelegtes Spektakel des Kinosommers zu verstehen: Mark Wahlberg, Dwayne „The Rock“ Johnson, Anthony Mackie, Ed Harris und auch Ken Jeong wie Tony Shalhoub geben sich in kleinen, äußerst unsympathischen Rollen die Ehre. Mit dem Fokus auf den Egomanen Wahlberg als Daniel Lugo, dem Muskelpaket Johnson als Paul Doyle und dem weiterhin auf den kompletten Hollywooddurchbruch hoffenden Anthony Mackie, hat Michael Bay rein physisch ein stattliches Trio für die Bodybuilder gefunden, nur schauspielerisch bleibt das hier weitestgehend nur auf Sparflamme köchelndes Kaspertheater, in dem Dwayne Johnson noch die beste Figur macht und dem Publikum wenigstens eine kleine Entwicklung seines Charakters vorgaukeln darf.

Die Entscheidung, drei kriminelle Arschlöcher zu den Hauptfiguren eines Filmes zu machen, ist eine durchaus mutige, schließlich hat man als Regisseur und Drehbuchautor (in diesem Fall Stephen McFeely) genug damit zu tun, die wahren Ereignissen nicht aus den Augen zu verlieren, die Charaktere nicht zu überstilisieren und die Gefühlslage des Publikums in Bezug auf die Hauptdarsteller nicht in ein falsches Licht rücken zu lassen. Das falsche Licht würde dann so aussehen, dass der Film das Verbrechertrio zu Sympathiefiguren macht und der Zuschauer mit ihnen hofft, nicht in den Bau wandern zu müssen. Ein kompletter Fehlgriff, vor allem dann, wenn der Zuschauer auf die Idee kommen sollte dieses Verhalten zu hinterfragen. In „Pain & Gain“ tritt dieser Punkt gar nicht mal so vehement auf, denn obgleich der Film versucht, den Zuschauer mit den drei Hauptdarstellern sympathisieren zu lassen, behält er auch die abartig misanthropischen wie komplett arroganten Wesenszüge der Figuren immer aufrecht.

Michael Bay hat nur erhebliche Probleme damit, seine Satire wirklich satirisch aufzuknüpfen, denn wo sich die Intention des ganzen Unsinns nun als eklatantes Misslingen des Versuches, den amerikanischen Traum zu erfassen, manifestieren möchte, hat „Pain & Gain“ in Wahrheit rein gar nichts zu vermelden und suhlt sich in sexistischen Bubizoten, während Michael Bay sich herablassend immer und immer wieder zu Selbstzitaten hinreißen lässt, nur um seinem muskulösen Trio, deren Vorbilder natürlich Tony Montana und Rocky Balboa sind, möglichst coole Aufnahmen zu spendieren. Neben seiner inhaltlichen Leere und dem Scheitern an den satirischen Ambitionen, wird hier wieder mal eine Sichtweise propagiert, die selbst im niveaulosen Kino eines Michael Bay rein gar nichts verloren hat: Frauen sind nur sexgeile Schlampen, Homosexuelle müssen verprügelt werden und Überwichtige lösen reflexartigen Brechreiz aus. „Pain & Gain“ verliert sich schließlich nach gut einer Stunde in der narrativen Endlosschleife, bewegt sich keinen Meter von der Stelle und füttert seine eigene Inkompetenz mit einer abscheulichen Denkweise, anstatt die realen Geschehnisse mal wirklich kritisch zu begutachten.

Fazit: „Pain & Gain“ ist handelsübliches Kino der Marke Michael Bay. Die realen Geschehnisse dienen lediglich als verblödete Projektionsfläche für pubertären Schwachsinn, der seinen satirischen Ambitionen hinsichtlich des amerikanischen Traums und dem Scheitern des Trios immer wieder stupide aus dem Weg huscht, um sich dann in dumpfen Hochglanzzelebrationen seiner bulligen Hauptdarsteller zu wälzen. Ein abscheulicher und ebenso unbrauchbarer Film, der nicht nur Michael Bays sexistische Selbstgefälligkeit zum Ausdruck bringt, sondern auch, dass ihm Kriminelle doch irgendwo sympathisch zu sein scheinen – Gesetz dem Fall, sie sind echte Patrioten.

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