„Rush – Alles für den Sieg“ (USA 2013) Kritik – Auf der Überholspur ist kein Platz für Zwei

Autor: Jan Görner

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„Watching you win those races while I was fighting for my life, we are equally responsible for getting me back in the car.”

Denkt man darüber nach, dass der Verbrennungsmotor und die ersten Kinematographen etwa um dieselbe Zeit das Licht der Welt erblickten, fällt es nicht schwer die enge Beziehung zu verstehen, die wir seither zu unseren Gefährten und Filmen entwickelt haben. Beginnend mit „Racing Hearts“ 1923 bis zur oktangeschwängerten „Fast & Furious“-Reihe heutiger Tage haben auch Hollywood und Automobile eine bis heute innige Beziehung zueinander. Mit der Formel-1-Saison 1976 und der für sie formativen Rivalität zweier legendärer Rennfahrer widmet sich nun Oscar-Gewinner Ron Howard („Apollo 13“, „A Beautiful Mind“) einem der Höhepunkte der Motorsporthistorie und münzt ihn gleichzeitig in ein Glanzlicht des Rennfilm-Genres um.

Zu Beginn der 70er Jahre streiten zwei Fahrer um den Aufstieg in den Renn-Olymp, die unterschiedlicher kaum sein könnten: James Hunt (Chris Hemsworth) und Niki Lauda (Daniel Brühl). Während der Österreicher Lauda als zielstrebiger Perfektionist gilt, ist Hunt ein Lebemann und Gefühlsfahrer. Nicht nur beruflich geraten die beiden Piloten aneinander, auch abseits der Rennstrecke prägt sich ihre Gegensätzlichkeit in teils heftigen Wortgefechten aus. Als der WM-Führende Lauda beim Großen Preis von Deutschland 1976 lebensgefährlich verunglückt, ist sein Verfolger Hunt plötzlich aussichtsreichster Titelanwärter. Doch gegen jeden ärztlichen Rat und mit unbeugsamem Willen kämpft sich Lauda zurück und sitzt nur sechs Wochen nach dem Crash wieder im Cockpit. Beim Grand Prix von Japan, dem letzten Rennen der Saison, soll die Entscheidung zwischen den Rivalen fallen.

Niki Laudas folgenschwerer Unfall auf regennasser Strecke am 01. August 1976 ist das zentrale Ereignis in Ron Howards („Apollo 13“) mitreißendem Renndrama „Rush – Alles für den Sieg“. Es bildet die Zäsur im Wettstreit zwischen dem Strategen Lauda (Ferrari), der das Rennen auf dem gefährlichen Nürburgring wegen des Wetters absagen wollte und James Hunt (McLaren), welcher seinerzeit mit der Mehrheit des Fahrerfeldes dagegen stimmte. Angefangen von den gemeinsamen Anfängen in der Formel 3 bis zur dramatischen Saison `76 zeichnet das Drehbuch von Peter Morgan („Frost/Nixon“) den Verlauf einer der größten Rivalitäten der Sportgeschichte nach. Doch anders als beispielsweise Sylvester Stallones verpfuschte Fremdschäm-Doppelstunde „Driven“ (2001) hat „Rush“ nicht nur Testosteron im Tank. Neben dem aufregend inszenierten Renngeschehen gelingt es Howard auch überzeugend die grundverschiedenen Persönlichkeiten seiner Charaktere herauszuarbeiten. Während der goldmähnige James Hunt mit dem Topmodel Suzy Miller (Olivia Wilde) ein Jetset-Leben genießt, sieht der biedere Lauda die Formel 1 als Geschäft. Könnte er irgendwo besseres Geld verdienen, er würde es tun.

„Thor“-Darsteller Chris Hemsworth legt seine Version von James Hunt dabei großspurig und sympathisch zugleich an. „Rush“ zeigt den Engländer aber auch als egozentrischen Playboy mit Hang zu selbstzerstörerischem Verhalten. Nachdem er jahrelang mit seinem Substanzmissbrauch zu kämpfen hatte, starb der Engländer 1993 mit nur 45 Jahren. Der natürliche Charme Hemsworths lässt einmal mehr über seine recht begrenzten Talente als Schauspieler hinwegsehen. Anders Daniel Brühl („Inglourious Basterds“) als geerdeter Taktiker Niki Lauda. Auch wenn die äußerliche Übereinstimmung (trotz guter Maskenarbeit) nicht vollends gegeben sein mag, ist das, was der Deutsch-Spanier abliefert, eine triumphale Leistung. Bis in die kleinsten Details ahmt Brühl Laudas Manierismen und sprachliche Eigenheiten nach, tritt fast hinter der Rolle zurück. Wenn er seiner Frau Margarethe (Anna Maria Lara) in der Hochzeitsnacht gesteht, dass Glück das größte Pech ist, das man haben kann, weil man fortan etwas zu verlieren habe, sagt das viel über seinerzeit den aufgrund seines Äußeren und seiner Listigkeit als „Ratte“ verschrienen Lauda. Es erklärt, wie Lauda die persönliche Gegnerschaft zu Hunt in Respekt für dessen fahrerisches Können und seine Menschlichkeit umwandelt konnte. Beginnend mit der Rekonvaleszenz des dreifachen Weltmeisters krönt Brühl den dritten Akt von „Rush“ mit einer Bravurleistung. Höhepunkt ist eine Pressekonferenz zu Laudas Rückkehr in die Rennserie, die ihn als im wahrsten Sinne des Wortes gebranntes Kind kennzeichnet. Eine Berücksichtigung durch die Academy hätte sich der 35-Jährige redlich verdient.

Neben dem ausgezeichneten Produktionsdesign ist es auch Howards sprachliche Sensibilität, die „Rush“ Authentizität verleiht. Statt sich der angeblichen Aversion amerikanischer Zuschauer gegen Untertitel zu beugen, lässt der Regisseur seine Figuren in ihrer Muttersprache agieren. Warum auch sollten Nicki Lauda und seine Frau nicht Deutsch miteinander sprechen. Wobei die deutsch-britische Co-Produktion durch die Thematik des traditionell eurozentrischen F1-Zirkusses ohnehin wohl eher auf das internationale Publikum zugeschnitten sein dürfte. Dass mit Oscar-Gewinner Ron Howard dennoch ein gestandener Hollywoodregisseur gewonnen werden konnte, liegt nach dessen Aussage am starken Skript von „The Queen“-Autor Morgan.

Mit enormem Aufwand wurden auch die Rennszenen rekonstruiert. Dabei musste nicht nur das Fahrerfeld über mehrere Rennzeiten nachvollzogen werden, teilweise wurden dafür Fahrzeuge nachgebaut, wenn sie nicht beschafft werden konnten. Die Detailverliebtheit zahlt sich aus. Ron Howard hat trotz einer kurzen Schwächephase („Illuminati“,„Dickste Freunde“) nichts von seinem Gespür für Tempo und Rhythmus eingebüßt. Der Erzählstil ist ökonomisch-geradlinig und gerade deshalb so effektiv. Dabei kommt es aus dramaturgischen oder produktionstechnischen Gründen zwar unweigerlich zu der ein oder anderen Ungenauigkeit, im Kern jedoch glückt es „Rush“ hervorragend den Zeitkolorit einzufangen. In Verbindung mit dem dröhnenden Bombast von Hans Zimmers Score liefert Regisseur Howard rasante High-Speed-Action, die zum Mitfiebern einlädt.

1 Comment

  • Die Rennszenen sind echt der Hammer! 🙂 Die beiden Hauptdarsteller haben mich auch positiv überrascht. Witzigerweise waren Hunt und Lauda im wirklichen Leben gute Freunde, die strikt zwischen Privatem und Beruflichem getrennt haben. Dass man das im Film aus dramaturgischen Gründen geändert hat, kann ich nachvollziehen, weil sich in den USA kaum jemand für Formel 1 interessiert. Für mich unterm Strich ein super Einstieg in die neue Awardsaison und der beste Rennfahrerfilm, den ich bisher gesehen hab. Bin danach natürlich verwegen mit 60 durch die Stadt gedüst xD

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