Kritik: Secretary (USA 2002) – Bei Maggie Gyllenhaal darf Liebe schmerzen

“Who’s to say that love needs to be soft and gentle?”

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Der Sadomasochismus wird aus dem gesellschaftlichen Blickwinkel nur zu gern als reine Devianz bezeichnet, als abartig, abstoßend, abnormal und vor allem als vollkommen unverständliches Unterfangen. Wieso fügen sich Menschen gegenseitig Schmerzen zu? Wo liegt der eigentliche Verhaltensursprung bei solchen Handlungen? Wieso führt Erniedrigung zur explosiven Ekstase, zu immer weiterem Verlangen? Welchen Hintergrund besitzen die ganzen Befriedigungen rundum Devotion und Dominanz? Dabei muss sich der passive wie aktive Sadismus/Masochismus nicht immer auf der sexuellen Ebene abspielen, sondern kann ganz andere ausschlaggebende Punkte besitzen.

Doch wie soll man das einer Person beibringen, die schon bei Gesprächsthemen wie dem vorehelichen Geschlechtsverkehr die Augenbrauen schockiert hochzieht? Vielleicht hilft „Secretary“ aus dem Jahre 2002. Zu Anfang verschrien als „etwa andere RomCom“ erzählt Regisseur Steven Shainberg über eine junge Frau namens Lee (wunderbar: Maggie Gyllenhaal) mit schweren psychischen Störungen, frisch aus der Anstalt entlassen, verletzt sie sich immer wieder mit sämtlichen Utensilien selbst.

Warum sie in der Anstalt war, wird während des Films nicht deutlich, lediglich Andeutungen lassen sich an mehreren Ecken und Enden wiederfinden. Die familiären Diskrepanzen, gerade die Beziehung zu ihrem alkoholsüchtigen Vater drängt sich da in den Vordergrund und lässt den Suizidversuch damit in Verbindung bringen, vielleicht ist es auch die Ehekrise ihrer Eltern selbst, die Lee oft genug miterleben musste. Immer wieder, wie ein Drogenabhängiger im fortgeschrittenen Stadium, braucht sie ihre Dosis Schmerz, nur dann fühlt sie sich lebendig, kann sich noch las Teil dieser Welt sehen und nicht als unnötiges Anhängsel der geschichteten Sozialstruktur.

Doch ganz hat sie sich noch nicht aufgegeben und ihre zittrige Bewerbung in einer kleinen Anwaltskanzlei als Sekretärin wurde überraschend angenommen. Ihr Chef Edward Grey (selten besser: James Spader) lässt das graue Mäuschen langsam zu sich finden, zeigt Verständnis für ihre „Vorliebe“, gibt ihr dabei was sie braucht und hilft ihr ebenfalls bei der qualvollen Akzeptanz der eigenen Existenz. „Secretary“ ist dabei sicher keine dieser unsäglichen romantischen Komödien, die an ihrer oberflächlichen Falschheit ersticken, sondern hat durchaus ein gewisses Maß an Tiefe vorzuweisen, auch wenn sich das Geschehen immer wieder an herkömmlichen Richtlinien entlangschlängelt. Dennoch bleibt ein sehenswerter Film über ein auferlegtes „Tabuthema“, mit interessanten Figuren, ohne Längen, einigen Lachern und den nötigen subtilen Zwischentönen. Ansehen und annehmen ist hier die Devise.

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