Kritik: The Guest (USA 2014)

Geil! Dan Stevens!
© Picturehouse

Cold as ice, this face I see.

Eisblaue Augen, Haare aus Beton und ein Körper wie ein Unterwäschemodel: Wer würde solch einen Adonis nicht in die eigenen vier Wände lassen? Regisseur Adam Wingard und Drehbuchautor Simon Barrett verdrehen kurzerhand die Vorzeichen ihres letzten Genrestreichs „You’re Next“ und holen den „War on Terror“ zurück auf amerikanischen Boden, speziell ins Leben einer „typisch“ weißen Mittelklassefamilie. Dafür reichen Wingard und seinem Kameramann Robby Baumgartner auch nur ein paar Bilder, um den Film in Gang zu kriegen. Die Mutter verabschiedet Mann und Kinder, leicht abwesend. Einen Schwenk über alte Familienfotos später und wir verstehen die glasigen Augen von Mrs. Peterson (Sheila Kelley). Ihr Sohn Caleb ist im Nahen Osten gefallen und ohne es zu ahnen beschwört ihre Trauer David (Dan Stevens) auf die Schwelle. David, wie gesagt gutaussehend, Ex-Militär und angeblicher Vertrauter Calebs, der ihn bat im Todesfall nach seiner Familie zu sehen. Der höfliche, junge Mann wird herzlich aufgenommen und revanchiert sich mit äußerst unterschiedlichen „Hilfeleistungen“, wie z.B. dem Vermöbeln der Bullys von Sohn Luke (Brendan Meyer). Still und leise wird er zu einem unverzichtbaren Teil der Familie, wenn auch sehr zum Misstrauen von Tochter Anna (Maika Monroe).

Mehr sei hier nicht verraten und ohnehin macht „The Guest“ am meisten Spaß, wenn man so gut wie nichts über ihn weiß. Noch mehr Spaß macht er allerdings, kennt man den Nährboden, auf dem er gewachsen ist. Schon mit „You’re Next“ empfahl sich Wingard als neuer John Carpenter. Der ostentative 80er Soundtrack, getragen von treibenden Synthiemelodien, legt sich wie eine zweite Haut über den Film, der sich allenfalls als Update vergangener Genreträume versteht. Umso schöner, dass diese Überführung nahtlos funktioniert, was auch daran liegt, dass Wingard die Replik der Kopie vorzieht. Er also Zitat und Verweis in den Dienst des eigenen, originären Kinos stellt. So strotzt „The Guest“ eben nicht nur vor Reflexionen der beliebten Vorbilder, sondern vornehmlich dem lustvollen Perspektivenwechsel zu Wingards letztem Film, „You’re Next“, wo ein anderer Gast, die neue Freundin des ältesten Sohns, zur ungeahnt kampferprobten Heldin wird, während die reiche Großfamilie um sie herum von einer Horde Psychopathen mit Tiermasken gejagt wird. Wo „You’re Next“ noch ganz bildlich zutiefst vergiftete Familienbande demaskierte, versteckt sich das Grauen in „The Guest“ hinter einer weitaus subtileren Maske. Als sich die Heldin im letzten Film plötzlich als unerwartet effektive Kämpferin outet, erntet es Beifall. Bei „The Guest“ spielt sich diese Solidarisierung mit Gewalt dagegen auf mehreren Ebenen ab. Auch David entpuppt sich als beinah unbesiegbare Killermaschine, allerdings auch als Vorzeigeveteran, Sexsymbol und bester Freund. Barrett und Wingard lassen diese Rollen sich allzu gerne überschneiden und verwischen die Linie zwischen gebetenen und ungebetenen Gast. Sprich, wo „You’re Next“ klare Grenzen zwischen Helden und Schuften sowie Innen und Außen, Wahrheit und Lüge zog, werden sie in „The Guest“ aufgelöst.

Dieses Prinzip spiegelt sich auch ästhetisch wider. So lässt Wingard ein ganzes Diner zu den Klängen von Stevie B’s Schmachtballade „Because I Love You“ hochgehen. Der Spagat zwischen Ernst und Ironie gelingt zwar nicht immer, doch die konstante Verwirrung, ob formal oder inhaltlich, hilft dem Film letztendlich. Die große Frage, wer oder was David nun ist, warum, wieso weshalb, versucht das Drehbuch eher unter den Tisch fallen zu lassen. Wirklich interessant ist das ohnehin nicht. Wingard vertraut nicht auf die bloße Konstruktion, sondern auf den Moment. Davids Beziehung zu Anna und Luke ist das eigentliche Kampffeld auf dem sich „The Guest“ austobt. Im atemberaubenden Finale treffen alle drei in der menschenleeren, für eine Halloweenparty reich geschmückten Turnhalle der High School aufeinander. Dazu ein Funhouse-Labyrinth als Höllengebilde inkl. einem Spiegelkabinett wie aus Orson Welles’ „Die Lady von Shanghai“ und einer nebelverhangenen Tanzfäche wie zur schönsten Prom Night. Noch immer ist aus David nicht der bloße Superbösewicht geworden, allenfalls ein charmanter Todesengel, zumindest der perfekte Soldat; geboren, um zu sterben. Luke und Anna werden auf äußerst drastische Weise mit dem Tod des gefallenen Bruders konfrontiert, den bisher Alltag, Job, Freund_innen und Drogen erfolgreich fern gehalten haben. David ist nicht nur ein Schatten Calebs. Er ist ein Schatten des Krieges und heute ebenso schwer zu vertreiben wie im damaligen Genrekino.

The Guest erscheint am 24. April 2015 auf Bluray und DVD bei Splendid Film.

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