„Die Tribute von Panem 2 – Catching Fire“ (USA 2013) Kritik – Keine Sieger, nur Überlebende

Autor: Jan Görner

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„Remember who the real enemy is.“

Die Parodie, behauptet der Volksmund, sei die höchste Form der Verehrung. Doch wer einen Blick auf „Die Pute von Panem –The Starving Games“, die neuste Spoof-Nachgeburt (die Hauptfigur heißt Fatniss, wie drollig!) der Regisseure Jason Friedberg und Aaron Seltzer werfen konnte, der musste doch stark an dieser Weisheit zweifeln. So eine Art der „Verehrung“ hat nun wirklich niemand verdient, insbesondere nicht eine der Überraschungen des Kinojahres 2012, „Die Tribute von Panem – Tödliche Spiele“ (OT: „The Hunger Games“). Nun kommt die heiß ersehnte Fortsetzung in die deutschen Kinos und kann tatsächlich die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen. „Die Tribute von Panem 2 – Catching Fire“ weckt dabei weniger das Verlangen nach einer Persiflage als vielmehr nach dem (in einem Jahr startenden) dritten Teil der Reihe.

Ihr Sieg bei den 74. Hungerspielen mag einige Monate her sein, doch noch immer verfolgen Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) die Erinnerungen an das traumatische Erlebnis. Auch das Verhältnis zu ihrem Partner Peeta (Josh Hutcherson) ist nur noch eine Fassade für die Fernsehzuschauer im fernen Capitol, welche Gefallen an dem Scheinpaar gefunden haben. Doch was Peeta und Katniss begonnen haben ist lebendiger denn je. Befeuert von Katniss‘ trotziger Rebellion gegen die unmenschlichen Regeln der Hungerspiele, befinden sie die abgehängten Distrikte Panems an der Schwelle zum offenen Aufstand. Um dies zu verhindern, versucht Präsident Snow (Donald Sutherland) die junge Heldin für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Doch auf der obligatorischen Siegertour durch die zwölf Bezirke des totalitären Staates zeigt sich, dass sich weder Katniss noch Peeta gewinnbringend für Propagandazwecke einspannen lassen. Also heckt Snow mit dem neuen künstlerischen Leiter der Spiele, Plutarch Heavensbee (Philip Seymour Hoffman) einen Plan aus, um die Symbolfigur Katniss zu beseitigen.

In den ersten Minuten von „Die Tribute von Panem 2 – Catching Fire“ muss Regisseur Francis Lawrence („I Am Legend“, „Wasser für die Elefanten“) fast bei Null anfangen. Die Welt, welche sein Vorgänger Gary Ross im ersten Teil so sorgsam eingeführt hat, scheint nicht mehr zu existieren. Seit Katniss‘ aufsehenerregenden Sieg bei den Hungerspielen ist nichts mehr, wie es einmal war. Doch Lawrence nimmt die Herausforderung an und meistert die Aufgabe mit Bravour. Die Fortsetzung legt von Anfang an ein hohes Tempo vor und hält es fast über die gesamte Laufzeit. Dabei konzentriert sich Lawrence neben dem Plot vor allem auf seine Charaktere und das (Liebes-) Dreieck aus Katniss, Peeta und Gale (Liam Hemsworth). Um weiter die gierigen Erwartungen der Öffentlichkeit zu befriedigen, planen Peeta und Katniss sogar eine Vernunftehe, obwohl sie ihr Herz an einen anderen verloren hat. Ein scharfzüngiger Kommentar, der eine Lesart anbietet, die sicher nicht nur hinter verschlossenen Schranktüren verstanden wird.

Dass dies zu keiner Zeit kitschig wird, ist der rundherum guten Leistung des Casts zuzuschreiben. Doch über allem schwebt immer noch Jennifer Lawrence („Silver Linings“). Die Oscargewinnerin verleiht der gepeinigten Heldin wider Willen neben der tiefen Verletzlichkeit ihrer jungen Jahre auch einen staubtrockenen Witz, der die mitunter recht kühl wirkende Katniss dem Publikum annähert. Wie ausgereift das Spiel der 23-Jährigen ist, zeigt sich exemplarisch an der Schlusseinstellung, die, wortlos vorgetragen, Katniss‘ gesamten inneren Konflikt nur anhand von Lawrence‘ Mimik veranschaulicht. Großartig. Es schadet dabei natürlich nicht, dass Jennifer Lawrence überdies eine bezaubernd schöne junge Frau ist, der zumindest dieser Kritiker hoffnungslos verfallen ist. Aber auch Stanley Tucci („Der Teufel trägt Prada“) als schmieriger Lautsprecher des Regimes und Philip Seymour Hoffman („Capote“) als undurchsichtiger Spielleiter der Hungerspiele sind, wenn vielleicht nicht auf der absoluten Höhe ihrer Kunst, so doch mit sichtbarem Eifer bei der Sache.

Noch stärker als im Vorgänger kann das Produktionsdesign punkten. Kulissen, Look, Kostüme, alles ist stimmig und gerade abseitig genug, um überzeugend zu wirken. Der Klassengegensatz zwischen dem dekadenten, im Überfluss schwelgenden Capitol und den armen Randgebieten spiegelt sich auch in der Farbgebung wider. Ist in Katniss‘ heimatlichen Distrikt 12 alles aschfahl und leblos, kennt die Pracht im Machtzentrum keine Grenzen. Während die Menschen woanders im Land hungern, werden auf den ausschweifenden Festen der Hauptstadt als Longdrinks getarnte Brechmittel gereicht, um Platz für weitere Schlemmereien zu schaffen. All dies trägt zur Schlüssigkeit einer dystopischen Zukunftswelt wie Panem bei, sie wirkt tatsächlich belebt.
Um sich Katniss‘ zu entledigen, ersinnt Präsident Snow für die 75. Ausgabe der Hungerspiele einen perfiden Plan. Das Aufgebot soll diesmal ausschließlich aus ehemaligen Siegern bestehen, was Katniss als einzige weibliche Gewinnerin ihres Distrikts einen Platz in der Arena garantiert. Das Geflecht der Kontrahenten ist diesmal durchschaubarer und deutlich interessanter. Statt einer Bande mordlüsterner bis apathischer Jugendlicher ist die Konkurrenz in der Fortsetzung demographisch ausgewogener. Auch haben Katniss und Peeta Verbündete unter den Teilnehmern, was die Dynamik der ungleichen Schicksalsgemeinschaft ungemein belebt.

Gleichzeitig muss sich die junge Hoffnungsträgerin ihren Gefühlen für Peeta stellen. Der Survival-Aspekt ist zeitlich jedoch deutlich weniger raumgreifend als im ersten Teil, dessen Überlebensdramaturgie mitunter etwas ermüdend sein konnte. Tatsächlich vergehen fast anderthalb Stunden, ehe die Hunger Games beginnen können. Dafür lauern diesmal verstärkt Tücken in der Spielumgebung selbst auf die Teilnehmer. Ein verheerender Giftnebel verdeutlicht nochmal eindringlich die (allerdings recht familienfreundlich in Szene gesetzte) Gefahr der Hungerspiele, die keine Sieger kennen, sondern nur Überlebende.

Fazit: Francis Lawrence macht fast alles richtig, um einen packenden Genrestreifen abzuliefern: Spannung, Gesellschaftskommentar, aber auch Romantik, es wird alles geboten. Dass der Regisseur trotz des hohen Tempos all diese Bälle in der Luft behält, ist beeindruckend. Mit einer wundervollen Jennifer Lawrence, die einen insgesamt tollen Cast anführt, ist „Die Tribute von Panem 2 – Catching Fire“ für mich eine der großen Überraschungen des Jahres.

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