"Wanderlust – Der Trip ihres Lebens" (USA 2012) Kritik – Nudisten, Hippies und Paul Rudd

“Fuck the penguins!”

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Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, den gesellschaftlichen Zwängen vollständig zu entfliehen, einfach seinen Job hinzuschmeißen und sich nicht mehr im großen Hamsterrad des Lebens für einen Hungerlohn abstrampeln zu müssen? In „Wanderlust – Der Trip ihres Lebens“ wird dieser Traum für Paul Rudd („Our Idiot Brother“) und Jennifer Aniston („Meine erfundene Frau“) wahr, denn nachdem ihr bisheriges Leben in die Brüche geht, beschließen die beiden, ihren bisherigen Lebensstil einmal kräftig umzukrempeln und sich einer waschechten Hippie-Kommune anzuschließen. Zwei Neu-New-Yorker versuchen sich als Vollzeit-Hippies? Klingt doch erst mal lustig, vor allem wenn man weiß, dass auf dem Regiestuhl David Wain, seines Zeichens Regisseur der unterschätzten Komödie „Vorbilder?!“, Platz genommen hat. Doch leider enttäuscht „Wanderlust“ auf ganzer Linie, denn statt treffsicherer Situationskomik und charmanten Antihelden gibt es diesmal Vulgärhumor und klischeebeladene Charaktere, wobei massig Penisse in Zeitlupe wohl die ärmliche Hauptattraktion des Films darstellen.

Für George (Paul Rudd) und Linda (Jennifer Aniston) geht ein Traum in Erfüllung, denn das glücklich verliebte Pärchen hat es endlich geschafft, eine finanzierbare Wohnung in New York zu ergattern. Zwar ist der Wohnraum klein und die Lage nicht perfekt, aber was macht man nicht alles, um ein Teil der beliebtesten Stadt der Welt zu werden. Doch als George seinen Job verliert und Linda, ihres Zeichens ambitionierte Dokumentarfilmerin, für ihre Pinguin-Dokumentation keinen Abnehmer findet, stehen die beidem vor dem Ruin. In größter Not plant das Pärchen erst einmal ein paar Tage bei Georges neureichem Bruder Rick (Ken Marino) Unterschlupf zu suchen und einen klaren Kopf zu bekommen, doch auf dem Weg dahin legen die beiden einen ungeplanten Zwischenstopp in einer Kommune voller freundlicher Alt-Hippies ein, der ihr bisheriges Leben kräftig auf den Kopf stellt…

Das männliche Geschlechtsorgan feiert momentan Hochkonjunktur in amerikanischen R-Rated-Komödien, denn diese wollen momentan vor allem eins: Schockieren. Und womit schockt man das prüde amerikanische Publikum am besten? Richtig, mit einem Penis. Von „Hangover 2“ über „American Pie: Das Klassentreffen“ bis hin zu „Nie wieder Sex mit der Ex“: Penisse, wohin das Auge reicht und das meist nur um den berüchtigten R-Rated-Stempel aufgedrückt zu bekommen. Kam diese Einstufung früher noch einem „Todesurteil“ an den Kinokassen gleich, ist es für amerikanische Komödien heutzutage fast schon ein Muss, als R-Rated eingestuft zu werden, denn nur so kann man sich gegen die nicht minder vulgäre Konkurrenz durchsetzen. Doch ein schlapper Peniswitz allein macht noch keine gute Komödie, das beweist auch „Wanderlust – Der Trip ihres Lebens“. Denn obwohl hier Joe Lo Truglio als Nudist Wayne eifrig seine Nudel in die Kamera hält und später sogar ein Treffen nudistischer Weinhersteller in Slow-Motion gesprengt wird, ist und bleibt der Comedygehalt gleich null. Aber vielleicht ist man als Europäer in dieser Hinsicht einfach zu abgebrüht…

Wenn es doch wenigstens sonst etwas zu Lachen gäbe, wäre das Ganze ja nicht so schlimm, aber „Wanderlust – Der Trip ihres Lebens“ wird nach einer angenehm harmlosen Aufwärmphase zu einem wahren Fremdschäm-Marathon, inflationärer Gebrauch von Schimpfwörtern inklusive. Bezeichnend dafür ist die Szene, in der Paul Rudd minutenlang vor dem Spiegel äußerst unbeholfen infantilen Dirty-Talk zum Besten gibt. Allerdings dürften Sprüche wie „I’m gon’ puts my dick in!“ höchstens bei spätpubertären Kinobesuchern für Heiterkeit sorgen.

Natürlich gab es auch in David Wains „Vorbilder?!“ schon derbe Sprüche und zotige Späße zu Hauf, die fanden jedoch ihren Ausgleich in einer äußerst feinfühligen Charakterzeichnung der Protagonisten, denn diese wurden trotz ihrer sehr speziellen Hobbys und merkwürdigen Eigenarten nie dem Spott des Publikums preisgegeben. Gänzlich anders gestaltet sich da die Sachlage in „Wanderlust“: Kaum eine sympathische Figur findet sich unter den vielfältigen Nebencharakteren, die meist erschreckend schablonenhaft gezeichnet sind. Überholte und bereits x-fach gesehene Hippie-Stereotype wie die ultra-feministische Kampfbraut, den verkifft-senilen Alt-Hippie und den lyrisch bewanderten Kommunenguru treffen auf profitgeile, herzlose Bauunternehmer, die böse wie sie nun mal sind, nichts Besseres zu tun haben, als mit allen Mitteln den friedliebenden Kiffern das Land unter den nackten Füßen wegzumopsen und darauf ein Spielcasino zu bauen.

Nicht einmal die beiden Protagonisten Paul Rudd und Jennifer Aniston können da noch viel retten, zumal man auch mit deren Charakteren nicht so richtig warm werden will. Außerdem zweifelt man bereits nach kurzer Zeit an deren Glaubwürdigkeit als funktionierendes Pärchen. Denn spätestens wenn Aniston die leichtfertig dahergesagte Übereinkunft bezüglich „freier Liebe“ innerhalb der Kommune sofort als Freifahrtschein für ein schnelles, körperliches Intermezzo mit dem inoffiziellen Kommunenguru Seth (Justin Theroux) nutzt, möchte man ihnen nur noch raten, schnellstmöglich einen Termin beim Eheberater zu vereinbaren.

Fazit: „Wanderlust – Der Trip ihres Lebens“ ist nach „Jack und Jill“ die nächste große Komödien-Enttäuschung dieses Jahres. Statt einen augenzwinkernden Einblick in die Probleme sozialer Aussteiger zu bieten, reicht es hier gerade einmal für ein paar anzügliche Witze und reichlich derbe Dialoge. Lediglich Anistons ungewohnt körperbetontes Auftreten tröstet einen hin und wieder über die deutlichen Mängel im Film hinweg.

Bewertung: 2/10 Sternen

1 Comment

  • Dieser Film hat gleich in jeder Hinsicht enttäuscht. Der Hauptdarsteller mit seinen vulgären verbalen Ausfällen disqualifiziert sich während des Films mehrfach als ernstzunehmender Partner und Mensch, die Hauptdarstellerin findet zum schlechten Schluß des Films dann jedoch zu ihm und zur Glorifizierung der kapitalistischen Lebensweise zurück. Das wird dann als Happy End, bestmöglicher Ausgang und als sehr romantisch verkauft.
    Die Hippies werden einer nach dem anderen als komplett durchgeknallte Individuen dargestellt und mit ihnen wird die Idee der Gewaltlosigkeit Gandhis als unlebbare Spinnerei herabqualifiziert. Die Vermeidung schier unendlichen Tierleids durch die vegane Lebensweise wird als übertieben, unlebbar und nicht ernst zu nehmen offenbart und der Ratschlag übermittelt so zu leben wie es einem das Gefühl vorgibt und sich dabei nicht mit moralischen Bedenken ablenken zu lassen. Die offene Aussprache die die Hippies miteinander praktizieren indem sie ihre Wahrnehmungen, Gefühle und Bedürfnisse austauschen, was zu noch nie erfahrener Nähe führen kann, wird als Klamauk veralbert. Die Droge Ayahuasca wird als psychedelische Partydroge dargestellt und damit das ihr innewohnende Potential beispielsweise in der Drogenentwöhnung sowie der Hilfe in der Auseinandersetzung mit Kindheitstraumen und Katalysator in Selbstfindungsprozessen wird für Menschen dadurch noch unzugänglicher. Dieser Film ist eine herbe Enttäuschung im Sinne einer Aufklärung über die Beweggründe der Hippibewegung, sowie ein Bärendienst im Sinne einer ernsthaften Auseinandersetzung mit sich selbst und der Befreiung vom verkrusteten kapitalistischen Gedankengebäude.

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