Kritik: Wild at Heart (USA 1990)

Wild at Heart 1990

Die Welt hat ein wildes Herz und ist total verrückt geworden!

Das Jahr 1990 war ein ganz besonderer Höhepunkt im Schaffen von David Lynch. Bei den Filmfestspielen von Cannes konnte er für seine Road-Movie-Romanze Wild at Heart die begehrte goldene Palme entgegennehmen. David Lynch war 1990 bereits ein bekanntes und umstrittenes Gesicht in der Kinowelt, denn mit Filmen wie Der Elefantenmensch und Blue Velvet hatte er bereits mehr als nur begeistert. Wild at Heart konnte dieser vorherigen Qualität nicht mehr ganz standhalten, es ist ein wilder, abgründigen Abenteuer mit der einen oder anderen Länge und wirkt erzählerisch gelegentlich zu unausgegoren.

Visuell spielt der Film natürlich in der ersten Liga. Die groben, trockenen und gerne auch düsteren Bilder passen sich der Grundstimmung des Films an und Kameramann Frederick Elmes liefert atmosphärische Aufnahmen. Die klassischen Lieder lassen sich ebenfalls als  passend gewählt einordnen, genau wie der Score von Angelo Badalamenti, der die Szenen stark unterstreichen kann und eine größtenteils packende Atmosphäre erzeugt.

Nicolas Cage spielt den rebellischen Sailor und ist dabei mal wieder typisch er selbst. Das ist in diesem Fall aber nichts Schlechtes. So paradox es auch klingt, Nicolas Cage übertreibt mit seinem Schauspiel wie gewohnt. Doch er übertreibt die Übertreibung selbst nicht. Klingt seltsam? Ist es auch und man muss ihn einfach spielen sehen, um es zu verstehen. David Lynchs Liebling Laura Dern spielt Sailors geliebte Lula. Richtig warm geworden bin ich mit ihr nie, doch sie spielt ihre Rolle, wie schon in Blue Velvet, überzeugend, auch wenn man nicht von großem Schauspiel sprechen kann. Anders bei Willem Dafoe als widerlicher Gangster Bobby Peru, der das klare Highlight des Casts ist und in seiner völlig überdrehten Darstellung begeistern kann. Die weiteren Rollen sind mit Diane Ladd, Harry Dean Stanton und Isabelle Rossellini ebenfalls stark besetzt.

Sailor kommt nach seinem jahrelangen Gefängnisaufenthalt wieder auf freien Fuß. Seine Liebe zu Lula hat sich dabei aber in keinem Stück abgemildert und wird beim Wiedersehen noch weiter entfacht. Zusammen wollen sie dem Leben entfliehen und sich ihrer Zweisamkeit hingeben. Doch nicht nur Lulas Mutter will sich dem gemeinsamen Glück in den Weg stellen, sondern auch ein Privatdetektiv, Killer sowie allerhand skurrile Gestalten.

Wenn David Lynch eine Liebesgeschichte inszeniert, dann ist das mit Sicherheit kein Liebesfilm von der Stange. Falscher könnte man bei dieser Annahme wohl kaum liegen. In erster Linie ist Wild at Heart ein Film ÜBER die Liebe und die Höhen und Tiefen, die man mit ihr überstehen muss. An zweiter Stelle wird der Film mit viel Abgründigkeit und den dreckigen Schattenseiten des Lebens gewürzt und die Wünsche und Hoffnungen, das Verlangen und die unstillbare Begierde müssen wir uns nicht nur erarbeiten, sondern auch oft erkämpfen, um sie endlich zu verwirklichen und auszufüllen.

So werden wir von David Lynch direkt mit einer schonungslosen Gewaltszene begrüßt. Sailor prügelt einem Mann die Seele aus dem Leib. Das Blut spritzt ohne Halt und die Kacheln färben sich mit dem Lebenssaft dunkelrot. Sailor kennt keine Gnade. Immer wieder schlägt er den Kopf des Mannes auf den Boden. Diese Szene, die der Grundstein der ersten ungewollten Trennung zwischen Sailor und Lula war, zeigt die Vorgeschichte und wieso Sailor im Gefängnis landete. Es ist klar: Sailor würde für Lula töten. Er wird zum Tier, reißt sich von allen Fesseln los. Doch die schöne Zeit für beide kommt wieder. Mit Marlboro im Mundwinkel und Schlangenlederjacke ist Sailor nicht nur feurig, sondern auch gleich einer der coolsten Charaktere der 90er.

Beide hatten es nicht leicht im Leben. Weder Lula noch Sailor. Durch Rückblenden wird uns das immer wieder verdeutlicht. Doch beide brauchen sich und wollen nur das Miteinander aus- und erleben. Für immer. Lulas Mutter, die milde gesagt, Sailor nicht besonders leiden kann, will der Liebe ein Ende setzen. In diesen Moment lässt David Lynch dann sein typisches und auch geliebtes Absurditätenkabinett aus dem Keller. Die ganze Verlorenheit und explosive Haltlosigkeit gipfelt im schmierigen Bobby Peru, der genauso falsch ist, wie jeder andere mit aufgesetztem Lächeln. Doch jeden von ihnen wird auch die Realität des Scheins erwischen.

David Lynch zeichnet uns eine Welt voller wilder Herzen in Ketten und dem gesellschaftlichen Zwang, der uns zu viel vorschreibt und uns unendlich eingrenzt. Liebe, die atmen will, wird erstickt und durch schmutzige Bedingungen ausgebremst. Dabei verzichtet David Lynch natürlich auch nicht auf die deutliche Darstellung von Sex, die zur Liebe dazu gehört, und Brutalität, die genauso zur Welt dazugehört. Woran es Wild at Heart allerdings mangelt, ist die durchgehende Spannung. Der Film kann größtenteils packen, ohne Frage, doch es schleichen sich immer wieder Längen ein, die nicht nur Randerscheinungen bleiben, sondern auch deutlich spürbar sind. Dazu kommt auch die Tatsache, dass man an einigen Stellen das Gefühl hat, dass das Drehbuch einfach nicht präzise genug ausgearbeitet wurde und gelegentlich etwas abgehackt daherkommt. Nichtsdestotrotz ist Wild at Heart ein irrer Mix aus märchenhafter Hommage und bedrohlich-finsterer Realität, in der wir uns auf den steinigen Weg zur Freiheit begeben.

Fazit: Wild at Heart ist mit Sicherheit nicht David Lynchs rundester Film. Aber es ist eine spannende und dreckige Road-Movie-Romanze. Die Drehbuchmängel und die gelegentlichen Durchhänger mildern zwar den Gesamteindruck, doch ein mehr als sehenswerter Film mit dem gewohnten Lynch-Touch bleibt es trotzdem.

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