Autor: Sebastian Groß
Du darfst doch gar nicht fliegen, mit deinen falschen Titten.
Asche wirbelt umher, eine Wolke aus Ruß und giftigem Dampf rollt unaufhaltsam über die angesengte Landschaft, Brocken aus Stein und Hitze rasen wie Kometen durch die Luft und zerschmettern alles, was sie treffen: Häuser, Autos, den Asphalt der Straßen, auf den die Menschen voller Verzweiflung schreiend um ihr Leben fliehen. Ihre Heimat war einmal, denn ein Vulkan zerstört mit seiner gewaltigen Kraft alles, was in seiner Nähe ist. Was bleibt ist Chaos, Vernichtung und Tod. So würde die Beschreibung einer Katastrophenfilms klingen, in dem ein feuerspeiender Vulkan der Grund dafür ist, dass die Helden um ihr Überleben kämpfen. Bei Eyjafjallajökull (wer den Titel fehlerfrei aussprechen kann sollte überlegen einen Logopädie-Praxis zu eröffnen) ist es zwar auch ein feuriger Berg, der dafür sorgt, dass die beiden Hauptcharaktere rennen, flüchten und bibbern müssen, jedoch nicht in einem lebensbedrohlichen, sondern in einem komödiantischen Kontext.
Sommer, 2010. Für einige Tage fällt der komplette Flugverkehr in Europa aus, weil der isländische Vulkan Eyjafjallajökull den Großteil des kontinentalen Luftraums mit einer gigantischen Aschewolke überzieht. Auch der Fahrlehrer Alain ist davon betroffen, der mit dem Flugzeug eigentlich von Frankreich nach Korfu, Griechenland, fliegen wollte, um dort der Hochzeit seiner Tochter beizuwohnen. Doch die Aschewolke ist nicht das einzige Problem: In dem Flugzeug ist auch Alains Ex-Frau Valerie, die ebenfalls zur Hochzeit will. Nach der Zwangslandung in München müssen die beiden gemeinsam versuche nach Griechenland zu kommen. Doch ihr gegenseitiger Hass aufeinander macht dieses Unterfangen zu einer wahren Tour de Force.
Der französische Schauspieler Dany Boon, der mit Willkommen bei den Schtis für einen der erfolgreichsten Filmen Frankreichs verantwortlich war und seitdem von vielen als der neue Aushängeclown des französischen Kinos gehandelt wird, darf auch in Eyjafjallajökull erneut das liebenswerte, tapsige Knautschgesicht spielen. Zwar kommt Boon unter der Regie von Alexandre Coffre hier ohne sein sonstiges Trottelimage aus, eine wirkliche Weiterentwicklung zu seinem sonstigen Spiel ist die Rolle des Alain aber auch nicht. ‘Schuster bleib bei deinen Leisten’ war hier eindeutig das Motto. Nur die Socken wurden Gott sei Dank gewechselt. Nicht vergessen darf aber auch Boons Konterpart werden. Dany Boon braucht immer einen Kontrastcharakter, damit sein Humor auch wirklich funktioniert: In Willkommen bei den Schtis war dies Kad Merad (22 Bullets), bei Nichts zu verzollen der Belgier Benoit Poelvoorde (Mann beißt Hund). Nun darf sich Boon in Eyjafjallajökull – Der unaussprechliche Vulkanfilm mit Valérie Bonneton (Kleine wahre Lügen) kabbeln, versöhnen, zerstreiten.
Die Frage, die sich da automatisch stellt, ist, ob Boon und Bonneton (die erst kürzlich zusammen in Der Super-Hypochonder im Kino zu sehen waren) auch eine brauchbare Chemie zueinander haben. Die Antwort: Ja, die haben sie. Nur leider scheint das Script anderer Meinung zu sein. Das Problem ist, dass das Drehbuch von Laurent Zeitoun, Yoann Gromb und Regisseur Coffre in Sachen Progression oftmals einen Schlenker zu viel macht. Mal übertreiben es die Autoren hemmungslos und lassen ungehemmt einen Jesus-Freak mit mobiler Kirche und brutaler Serienkillervergangenheit auf die beiden Hauptprotagonisten los, nur um dann wenig später den daraus resultierenden schrägen wie schwarzen Humor wieder durch handelsübliche Komik aus dem Giftschrank Lachen für Jedermann zu ersetzen. Das Resultat: Eyjafjallajökull – Der unaussprechliche Vulkanfilm stottert sich durch seine Geschichte und Alain und Valerie wird eine originäre Entwicklung verwehrt. Dies heißt nicht, dass sich die Komödie in Sachen Witz lumpen lässt. Die Gagdichte ist hoch, nur leider qualitativ oftmals nicht immer so hochklassig und kohärent, um dauerschmunzelnd und amüsiert im Kino zu sitzen.
Das Handlungskonstrukt sowie die Reaktionen und Ergebnisse, die der chaotische Road Trip des ewig keifenden Ex-Paares anrichten, erinnern an die Landschaftsaufnahmen, die Regisseur Coffre seinen Publikum auf die Leinwand klatscht: Artifiziell. Ähnlich wie die auf Perfektion colorkorrigierten Bilder von Bergen, Brücken und Wälder, erscheint auch der Verlauf des Films. Coffre gelingt es nicht, seiner übertriebenen Geschichte zumindest einen Hauch von Authentizität einzuverleiben. Vor allem die Figuren bleiben so belang- wie konturlos, als ob auch sie nicht mehr wären als eine hübscher Panoramaaufnahme auf einer Postkarte für Touristen, die man für ein paar Cent an jeder beliebigen Raststätte kaufen kann. Und so fällt auch das Fazit zu Eyjafjallajökull – Der unaussprechliche Vulkanfilm aus: Alles ganz hübsch und schmuck verpackt, aber trotz allem recht leblos. Ein Film, der auf dem heimischen Fernsehbildschirm wohl am besten aufgehoben ist.