"American Hustle" (USA 2013) Kritik – Gähnender Hedonismus à la David O. Russell

Autor: Pascal Reis

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“You’re nothing to me until you’re everything.”

Es ist ja nicht so, als wäre David O. Russell einfach aus dem Nichts emporgestiegen, aber seine RomCom „Silver Linings“ um bipolare Störung und das Suchen und Finden zweier von der Gesellschaft Ausgestoßener hat den Regisseur und Drehbuchautor an einen Punkt in seiner Karriere eskortiert, an dem ihm ein Quäntchen mehr Ruhm und Lobhudeleien von allen Seiten das Genick hätten brechen können. Was natürlich äußerst schade um den Mann gewesen wäre, denn in ihm schlummert ein durchaus talentierter und ebenso spitzzüngiger Zeitgenosse. Wenngleich – und es klingt mal wieder nach Realsatire – gerade „Silver Lining“ dann eine herbe Enttäuschung war und er es mit seinem eigentlich erfrischend-ungenierten und dabei doch ernst zunehmenden Ansatz viel zu leicht gemacht hat, sollte man Russell nicht gleich abschreiben und verdammen. Immerhin hat er zuvor mit dem Boxer-Drama „The Fighter“ einen ungemein packenden Oscar-Crowdpleaser geschaffen, genau wie ihm mit der Kriegs-Satire „Three Kings“ auch einige Nadelstiche in das politische Herz Amerikas gelangen.

Aber Russell ist nun in vollem Umfang in der Öffentlichkeit angekommen, ihm stehen alle Türen offen, er kann sich seine Schauspieler aussuchen und ist inzwischen selbst den Personen ein Begriff, die nicht jeden Tag die heimische Filmsammlung sabbernd entstauben und liebkosen. Kann die erdrückende Popularität aber auch ein guter Indikator sein? Es kommt da ganz auf die Individualität an. Wenn man es zum Beispiel wie Nicolas Winding Refn macht, der seinen Durchbruch mit dem stylischen Neo-Noir „Drive“ feierte und dem Publikum anschließend mit „Only God Forgives“ gnadenlos vor den Kopf stieß, um zu verdeutlichen, dass die Welt es sich bloß nicht einbilden soll, ihn zu kennen und seine Methodik als ‚vorhersehbar‘ zu titulieren. Russell ist da natürlich aus einem ganz anderen Holz geschnitzt und wie schon mit „Silver Linings“ hegt er auch mit seiner neusten, bereits nach den ersten bewegten Bildern zum Übermeisterwerk stilisierten Produktion „American Hustle“ nicht die Absicht, sein Publikum in irgendeiner Form zu fordern.

Traurigerweise hat sich Russell nach „Silver Linings“ nicht weiterentwickelt und schafft es mit „American Hustle“ so rein gar nicht irgendetwas Brauchbares zu verkünden. Vollkommen außer Frage stehen dabei die handwerklichen, die technischen, die audiovisuellen Aspekte von Russells Inszenierung. Jede Kameraeinstellung ist hervorragend konditioniert, jede Aufnahme ein Hochgenuss, nur lebt „American Hustle“ schlicht und ergreifend nicht von seinen schicken Formalitäten. Diese geben dem Geschehen nur den durchkomponierten Schleier, in den sich Russell mit seiner Geschichte hätte geschmackvoll einfühlen dürfen, um das Innere der exquisiten Ummantelung nachhaltig zu unterstützen. Dem ist nicht so, weil „American Hustle“ darauf verzichtet, seinen Handlungsverlauf konkret zu strukturieren und das Szenario immer wieder nur durch narrative Anekdoten, durch luftleere Randnotizen voranschreiten lässt. Russell, und das betrübt nun wirklich, findet für sein Werk keinerlei adäquaten Rahmen und negiert den Entwicklungen auf den verschiedenen Ebenen jedwede Stringenz.

„American Hustle“ ist Nonsense ohne Hand und ohne Fuß. Was die vehemente Substanzlosigkeit etwas kompensiert, aber nicht vergessen macht, ist der durchaus vorhandene Unterhaltungsfaktor, der „American Hustle“ immer in Bewegung hält – wenn auch gelegentlich nur im trägen Schritttempo. Verantwortlich dafür sind ohne Wenn und Aber die wirklich blendend agierenden Akteure. Dass Russell seine Darsteller zur Improvisation animiert, ist kein Geheimnis und sorgt auch in diesem Fall dafür, dass das Drehbuch partiell schrecklich unausgereift und lückenhaft erscheint. Den Stars dabei zuzusehen, wie sie als Bestandteil der hedonischen 70s-Ära zur Höchstleistung auflaufen, macht zweifelsohne Spaß. Und dieses Amüsement resultiert nicht zuletzt aus der feschen Haarpracht der männlichen Riege, in der sich Bradley Cooper auch gerne mal mit Lockenwicklern in den Haaren präsentiert. Am Ende hat sich Russell mit „American Hustle“ trotzdem reichlich verzettelt und schippert mit seinem nichtssagenden Scorsese-Duplikat durch die Gewässer der Belanglosigkeit. Toll gespielt, hervorragend fotografiert, von stimmungsvollen, zeitgenössischen Songs begleitet, doch am Ende ist man genauso schlau wie vorher.

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