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Es ist in der Tat bedauerlich, dass viele Menschen nach wie vor der Ansicht sind, der Western sei ein Genre, das sich ausschließlich durch klischeehafte, maskuline Rituale definiert, bei denen breitbeinige Cowboys im Mittelpunkt stehen. Die Vorstellung, der Western bestehe vor allem aus rauen, verwegenen Helden, die am Lagerfeuer sitzen und nostalgisch von den “gefährlichen Tagen” berichten, ist weit verbreitet. Tatsächlich ist auch der Western ein vielseitiges und reichhaltigen Genres, das weit mehr zu bieten hat als die gängigen Stereotype.
Falls jemand noch Zweifel daran hegt, dem kann ich nun unter die Arme greifen. Ich habe mir fleißig diverse Western-Filme erneut angeschaut und auch noch ein paar selbst das erste Mal gesehen, um somit eine sorgfältige Auswahl an Filmen treffen zu können, die nicht nur tief in die Mythologie des Wilden Westens eintauchen, sondern auch die beeindruckende Bandbreite dieses Genres zeigen. Diese Liste lädt dazu ein, die Faszination des Westerns neu zu entdecken oder sogar zum ersten Mal wirklich zu verstehen. Ich wünsche Euch viel Freude beim Lesen und (Wieder-)Entdecken dieser Filmklassiker. Und ich bin gespannt: Welche Western sind Eure persönlichen Favoriten?
Ich habe noch nicht gesehen: Arena der Cowboys (The Lusty Man, Anthony Mann/1952), Stars in My Crown (Jacques Tourneur/1950), Nach dem Gesetz (Lev Kuleshov/1926), Der Wind (Victor Sjöström/1928), Karawane der Frauen (Westward the Women, William A. Wellman/1951), Que viva Mexico! (Sergei Eisenstein/1979), Einsam sind die Tapferen (David Miller/1962)
Platz 29: Der schwarze Falke (US 1956) von John Ford
u.a. mit John Wayne und Natalie Wood
John Wayne ist in “The Searchers” mal nicht der strahlende Alleskönner, das Symbol der Rechtschaffenheit; der von ihm verkörperte Ethan ist, trotz Kampferfahrenheit und der prinzipiellen Souveränität, ein gebrochener Niemand und Randläufer. Wie gut John Wayne sein konnte, wenn er denn mal nicht in seine Standardrolle gepresst wurde und einen Charakter ausfüllte, dessen Fundament aus Ambivalenz errichtet wurde, zeigt sich hier wieder einmal. So falsch und herablassend dieser Ethan agiert, er ist dennoch eine durch und durch traurige Figur, weil er es zugelassen hat, dass der tiefe Hass die Kontrolle über sein Dasein nehmen durfte und ihn so schließlich zerreißen konnte. Ethan ist schlicht unfähig, sich in irgendwelche Strukturen einzufügen, er ist ein Gefangener zwischen zwei Welten. Und während er die Kultur der Indianer versteht, aber nicht akzeptiert, schafft er es auch nicht mehr, einen Platz in seiner eigenen Kultur zu ergattern: „What makes a man go wander?“. „Der Schwarze Falke“ porträtiert nicht nur den ethnischen Konflikt während des 19. Jahrhundert, er zeigt durch Ethan auch einen inneren Kampf mit sich und den Dämonen auf, die man über Jahre nicht mehr loswerden kann. Am Ende zieht es Ethan wieder hinaus in die Wildnis und Tür, die anfangs noch für ihn geöffnet wurde, schließt sich wieder: Die traditionellen Werte einer Familie sind ihm noch bekannt, doch ein echter Teil von ihnen kann er nie mehr sein. Thematisch gleichermaßen interessante Pfade wurden im Western-Genre wohl nur selten eingeschlagen.
Platz 28: True Grit (US 2010) von Ethan & Joel Coen
u.a. mit Jeff Bridges und Hailee Steinfeld
True Grit war 2010 ein kleines Revival des Western-Films. Erzählt wird die Geschichte der 14-jährigen Mattie Ross (Hailee Steinfeld), deren Vater kaltblütig erschossen wurde. Alle wissen, dass der Mörder Tom Chaney ist, aber niemand, auch der Sheriff nicht, will ihr helfen, den Mörder dingfest zu machen. Also wendet sich Mattie Ross an den Marshall Rooster Cogburn (Jeff Bridges). Der ist alkoholsüchtig, kann nur auf einem Auge sehen und ist auch sonst wegen seiner rauen Sitten kein Umgang für ein 14-jähriges Mädchen. Die Coen Brothers zauberten aus dieser an sich simplen Rachegeschichte einen der besten modernen Western mit spektakulären Kameraaufnahmen, skurrilen Personönlichkeiten, sowie einem unvergesslichen Soundtrack und bewegenden (Shootout-)Momenten. Besser als das Original. [Unsere Kritik]
Platz 27: The Hateful 8 (US 2016) von Quentin Tarantino
u.a. mit Kurt Russell und Samuel L. Jackson
Deutlich sehenswerter und weniger massentauglich gebürstet als Django Unchained – Quentin Tarantinos achter Kinofilm springt im Schaffen des Regisseur ein wenig aus der Reihe, denn das langsame Kammerspiel ist definitiv keine leichte Kost und wird sicherlich so manchem Zuschauer auf den Magen schlagen. Der Regisseur legt einen ungeahnten Pessimismus an den Tag, der in Anbetracht seiner bisherigen Filmografie sogar irgendwie erfrischend scheint. Tarantino hat mit The Hateful Eight wohl keinen perfekten, dennoch aber einen herrlich skurillen sowie politischen Western geschaffen, der seine Zuschauer allein schon durch seine düstere Grundstimmung in seinen Bann zieht und einmal mehr beweist, dass Quentin Tarantino zu den unberechenbarsten Filmemachern unserer Zeit gehört. [Unsere Kritik]
Platz 26: Friedhof ohne Kreuze (FR/IT 1969) von Robert Hossein
u.a. mit Robert Hossein und Michèle Mercier
“Friedhof der Kreuze” ist einer der unfassbarsten Rachefilme, die jemals gedreht wurden, und das auf eine ganz andere Art wie beispielsweise der Vorzeige-Western “Spiel mir das Lied vom Tod”. Der Franzose Robert Hossein hat mit “Friedhof der Kreuze” einen der gesellschaftskritischsten, zynischsten und dreckigsten Western auf die Gesellschaft losgelassen, in dem am Ende jeder auf die ein oder andere Weise für seine Taten bezahlen muss. Und zugleich ist Hossein einer der feministischsten Filme aller Zeiten gelungen – und das in einem von Männern dominierten Genre.
Platz 25: El Topo (MX 1970) von Alejandro Jodorowsky
u.a. mit Alejandro Jodorowsky und Brontis Jodorowsky
“El Topo” ist eine psychedelische Studie über Gewalt und soziale Entfremdung, eine metaphorische Religionsparabel und kennt keine erzählerische Struktur. Der Film kennt nur die suggestive Macht des Mediums als spirituellen Anti-Film-Rausch für die Sinne. Doch so wie der linkische Befreier, der reinkarnierte jesuitische Mönch immer auf der Suche nach innerem Frieden ist, sehnen auch wir uns nach Erlösung – Überall. Der Kreis schließt sich, weil er sich für jeden Einzelnen schließen muss, irgendwann, irgendwo, begleitet von lodernden Flammen, so wie es sich für einen Teufelskreis gehört. Mit “El Topo” hat das Regievirtuose Alejandro Jodorowsky auf eine nie dagewesene Weise verinnerlicht.
Platz 24: Der Gehetzte der Sierra Madre (ES/IT 1966) von Sergio Sollima
u.a. mit Lee Van Cleef und Tomas Milian
Wenn “Der Gehetzte der Sierra Madre” etwas ist, dann wohl ein geschliffenes Juwel im Genre-Kosmos, und am besten zusammen mit “Keoma – Das Lied des Todes” und “Mercenario – Der Gefürchtete” zu goutieren, wenngleich er die Klasse der beiden genannten Western nicht ganz erreichen mag. Sergio Sollimas erster Exkurs in die janusköpfige Welt des Italowestern ist weit, weit, weit mehr als nur eine Fingerübung auf fremdem Terrain. Man könnte es ihm beinahe ankreiden, denn mit der urwüchsigen Borstigkeit dieses Gefildes hat “Der Gehetzte der Sierra Madre” recht wenig gemein, dafür ist er zu sorgfältig arrangiert in seiner technischen Komposition, kommt aber dennoch so effektiv und durchdacht als Politparabel über Jäger und Gejagte daher geritten, dass er stimmungsmäßig auch heutzutage noch voll ins Schwarze trifft.
Platz 23: Convoy (US 1978) von Sam Peckinpah
u.a. mit Kris Kristofferson und Ali MacGraw
In einer Western-Liste darf natürlich auch Sam Peckinpah nicht fehlen. Ein Regisseur, der immer einen Western gedreht hat, auch wenn es auf den ersten Blick nicht den Anschein danach macht. Ein Beispiel hierfür ist sein Trucker-Roadmovie “Convoy”, einer der ungewöhnlichsten Genrebeiträge und noch heute einer der besten Actionfilme, die das Kino je gesehen hat – und leider ist “Convoy” heutzutage viel zu sehr in Vergessenheit geraten.
Platz 22: Zwölf Uhr mittags (US 1952) von Fred Zinnemann
u.a. mit Gary Cooper und Thomas Mitchell
Man muss Regisseur Fred Zinnemann und seinem Drehbuchautor Carl Foreman schon ein gehöriges Maß an Mut attestieren, denn in einer Zeit, in der sich der Western noch nicht als düsterer Abgesang definieren wollte und das uramerikanische und aus heutiger Sicht durchaus nostalgisch verklärte Menschenbild samt Moralvorstellungen dieser Epoche vielmehr propagierte, anstatt dieses auf explizite und subtile Art und Weise zu hinterfragen. Mit „Zwölf Uhr mittags“ nämlich schlägt Zinnemann in eine ganz andere Kerbe und erzeugt ein ganz und gar reziprokes Profil im Kontext seiner Entstehung, in dem er sich von jener Heldenstilisierung eines John Wayne distanziert und mit dem Town Marshal Will Kane (Gary Cooper) einen Charakter formt, der Emotionen ans Tageslicht bringt, die in einem von Machos dominierten Universum nur mit Schwäche assoziiert werden würden. “Zwölf Uhr mittags” ist ein bedeutsamer Western, weil er sich an keine Regeln hält und einfach in allen Belangen für sich alleine stehen kann. Und das schaffen ja bekanntlich nur die wenigsten Filme.
Platz 21: Dead Man (US 1995) von Jim Jarmusch
u.a. mit Johnny Depp und Gary Farmer
“Dead Man” ist eine zutiefst philosophische, mythisch-sinnliche Reise zu dem Punkt, der uns alle Menschen eint: Der Tod. In famosem Schwarz-Weiß gedreht stellt Jim Jarmusch dabei nicht nur einmal die Frage nach dem Sinn dieser Reise. Der Zuschauer wird daher Zeuge, zu was sich manch einer verleiten lässt, um dem Leben vor dem Tod noch einen Sinn zu geben. Irgendwie zwischen Hoffnung und Pessimismus geht Jim Jarmusch also auf die Suche nach dem Sinn des Lebens, streift dabei jedwede Genres und kreierte somit einen nicht einfach goutierbaren, aber dennoch außergewöhnlichen Film, den sich kein Western-Fan entgehen lassen sollte. [Unsere Kritik]
Platz 20: “Das Wiegenlied vom Totschlag” (US 1970) von Ralph Nelson
u.a. mit Peter Strauss und Donald Pleasance
“Das Wiegenlied vom Totschlag” ist eine grausame Ballade über die Sinnlosigkeit des Krieges und des Mordens, welche durch die weiträumigen Kameraaufnahmen der Wildnis nochmals an Prägnanz gewinnt: Es hätte damals im wilden Westen genug Platz für alle Menschen gegeben, aber wenn Krieg zum Geschäft wird, interessiert das niemanden mehr. Diese Aussage ist traurig, die bittere Ironie wird durch den wunderschönen Soundtrack, der über die gewalttätigen Szenen gelegt wird, nochmals verdeutlicht. Was bleibt, ist einer der wichtigsten, aber auch umstrittensten Western überhaupt, der nach über 40 Jahren noch nichts von seiner Wucht verloren hat.
Platz 19: “Keoma – Das Lied des Todes” (IT 1976) von Enzo G. Castellari
u.a. mit Franco Nero und Woody Strode
Als der Spaghetti-Western bereits ausgestorben schien, fügte Enzo G. Castellari diesem 1976 einen letzten Klassiker hinzu, der bis heute Unvergessen bleibt – auch wenn sich dieser eher unter Genre-Fans einen Namen gemacht hat. In Keoma besinnt sich Castellari ein letztes Mal auf die Stärken des Genres (u.a. Franco Nero in der Hauptrolle), um diese dann mit sichtbarer Freude durch den cineastischen Fleischwolf zu drehen. Herausgekommen ist einer der dreckigsten und pessimistischsten Western, welche die Filmwelt bis heute gesehen hat, der auch inhaltlich einiges zu bieten hat.
Platz 18: “Mercenario – Der Gefürchtete” (IT 1968) von Sergio Corbucci
u.a. mit Tony Musante und Franco Nero
In Il Mercenario (alternativer dt. Titel: Die gefürchteten Zwei) quetscht Regisseur Sergio Corbucci alle seine Adern, ob romantische, blutige, politische oder humorvolle, bis zum letzten Tropfen aus. Zwar gelang ihm damit nicht sein allerbester Film, aber ein weiterer Genrebeitrag aller erster Sahne, in dem Unterhaltung und Anspruch Hand in Hand. Wie jede Arbeit von Corbucci prägt auch Il Mercenario eine ernstzunehmende politische Thematik: Kritik an der Revolution und am Kapitalismus werden hier ebenso angesprochen, wie die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft. Famos ist hierbei nicht nur, wie Corbucci das System des Kapitalismus anhand eines Frauenkörpers erläutert. Komödiantische Einlagen, wahnwitzig inszenierte Action und coole (Anti-)Helden sorgen für Spaß, Leidenschaft und Emotionen, und machen es dem Zuschauer sehr einfach, diesen Western sofort lieb zu gewinnen. Der Höhepunkt ist eines der am stimmigsten inszenierten Italo-Western-Duelle der Filmgeschichte, kongenial von Ennio Morricones Musik untermalt.
Platz 17: “Brokeback Mountain” (US 2005) von Ang Lee
u.a. mit Jake Gyllenhaal und Heath Ledger
Brokeback Mountain ist einer der wohl ehrlichsten Liebesfilme überhaupt, der die Liebe so zeigt wie sie ist: Ungebunden, frei und unkontrollierbar. Noch nie war Liebe an verschiedene Geschlechter gebunden, das muss man sich immer vor Augen halten, denn wenn sie sich ihr Ziel sucht und gefunden hat, dann können wir nichts dagegen tun. Nebenbei hat Brokeback Mountain noch zahlreiche weitere Argumente dafür zu bieten, dass er einer der wichtigsten Western überhaupt ist.
Platz 16: “Der Scharfschütze” (US 1950) von Henry King
u.a. mit Gregory Peck und Millard Mitchell
Der Originaltitel The Gunfighter (zu Deutsch: Der Revolverheld) ist weitaus treffender als sein deutscher Titel, da er präzise den Kern des Westerns erfasst. Der Film, 1950 von Henry King inszeniert, ist ein melancholischer und gleichzeitig dekonstruierender Abgesang auf den Western-Mythos und dessen einst gefeierte Heldenfiguren. The Gunfighter nahm eine bemerkenswerte Vorreiterrolle ein, indem er zentrale Themen aufgriffen hat, die später im Spaghetti-Western und im Kino des New Hollywood eine bedeutende Rolle spielen sollten. Anstatt die glorifizierten Legenden der Vergangenheit weiter zu verklären, hinterfragt The Gunfighter die Romantisierung des Revolverhelden. Jimmy Ringo (zeitlos gespielt von Gregory Peck) steht für eine ältere Generation, die sich den Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels, den sie selbst initiiert haben, stellen muss. Aber auch die Paranoia zu Anfang des Kalten Kriegs oder das Hinterfragen von traditionellen Männlichkeitsbildern wurden in diesem Western-Klassiker verarbeitet.
Platz 15: “There Will Be Blood” (US 2007) von Paul Thomas Anderson
u.a. mit Daniel Day-Lewis und Paul Dano
Was lässt sich über There Will Be Blood noch sagen, das noch nicht gesagt wurde? Tatsächlich gibt es da vieles, denn Paul Thomas Anderson hat mit dem Neo-Western einen Film auf die Menschheit losgelassen, der so viele Deutungsmöglichkeiten bietet wie es sonst nur filmische Meilensteine wie 2001: Eine Odyssee im Weltraum tun. There Will Be Blood ist ohne Frage einer der wichtigsten Filme, welche die 2000er Jahre hervorgebracht haben, einschließlich zwei der intensivsten schauspielerischen Darbietungen.
Platz 14: “Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel” (US 1980) von Michael Cimino
u.a. mit Kris Kristofferson und Isabelle Huppert
Heaven’s Gate ist so elegisch wie elektrisierend, es ist das innere Grollen mit der eigenen Identität, das den umfassenden Aufbruch und Zerfall, das Werden und Verstreichen, den Auftakt und den Umsturz derartig intensiviert: Irgendwann sind sie alle nur noch Fremde im eigenen Land. Keine Dekonstruktion ohne Neukonstruktion – nur zu welchem Preis? Seine erschlagende Virtuosität ist noch heute einmalig und Michael Ciminos Mut, fortan nur noch Persona non grata angesehen, ein Mammutwerk zu inszenieren, dessen weitsichtige Ehrlichkeit wahrhaft imponiert, hat sich mehr als nur bewährt. Heaven’s Gate ist ein bis heute unterschätztes Meisterwerk, imponierend in seiner Ehrlichkeit, überwältigend in seiner cineastischen Virtuosität. Mit das Beste, was man filmisch erleben und erfahren kann.
Platz 13: “Der mit dem Wolf tanzt” (US 1990) von Kevin Costner
u.a. mit Kevin Costner und Mary McDonnell
In 240 Minuten erzählt der damalige Regiedebütant Kevin Costner eine unvergessliche Geschichte über den wahren Wert von Freundschaft (Ob Mensch zu Mensch oder Mensch zu Tier), über Selbstfindung im eigentlichen Feindesgebiet und über das Ablegen von festgefahrenen Vorurteilen und Ansichten. In Der mit dem Wolf tanzt dreht sich alles um Liebe, Leidenschaft, das Kennenlernen und Verstehen von fremden Kulturen und ihren Bräuchen. Letzten Endes gelang Kevin Costner eine bildgewaltige, epische und unvergessliche Parabel über Humanität und die destruktive Macht von Vorurteilen. Kevin Costner hat es geschafft, einen Unterhaltungs- und Aufklärungsfilm zugleich zu inszenieren, der über 30 Jahre nach seiner Veröffentlichung den Zuschauer immer noch knapp vier Stunden zu begeistern vermag.
Platz 12: “No Country For Old Men” (US 2007) von Joel & Ethan Coen
u.a. mit Javier Bardem und Tommy Lee Jones
Stell dir vor, du spazierst durch eine staubtrockene Wüste irgendwo im Niemandsland von Texas und stößt zufällig auf eine Horde toter Mexikaner. Das Resultat einer misslungenen Drogenübergabe oder was mag wohl der Grund sein? Und schließlich stolperst du über einen Koffer gefüllt mit zwei Millionen Dollar. Würdest du ihn einfach dort liegen lassen oder ein Risiko eingehen und ihn nach Hause mitnehmen? Diesen und anderen Schicksalsfragen gehen die Coen-Brüder in ihrem düsteren Neo-Western-Thriller-Meisterwerk No Country For Old Men auf die Spur. Eine im Grunde genommen simple Story entwickelt sich hier zu einer der außergewöhnlichsten Katz- und Mausjagden der Kinogeschichte. Das beeindruckende an diesem Film ist die Art und Weise, wie Spannung nur durch Geräusche der Natur, durch geringen, aber zum richtigen Zeitpunkt brutalen Einsatz von Action, durch famose Naturaufnahmen und vor allem durch die einzigartigen, fantastisch gespielten Charaktere erzeugt wird. Das ist Kino höchster Güte, welches man heutzutage nur noch sehr selten zu sehen bekommt. Oder wie Roger Ebert schrieb: No Country For Old Men ist ein ‘Wunder’.
Platz 11: “Der Mann, der Liberty Valance erschoss” (US 1962) von John Ford
u.a. mit James Stewart und John Wayne
Der Mann, der Liberty Valance erschoss ist ein Ausnahmefilm in der Vitae des Ausnahmeregisseurs John Ford, der bereits mit Der schwarze Falke in dieser Liste vertreten ist, und mutet als Höhepunkt seines kompletten Schaffens an: Nie hat er ausdrucksstarker inszeniert und keines der Drehbücher seiner Filme scheint dermaßen auf den Punkt erzählt. Hinzu kommt natürlich der unglaubliche Cast, denn James Stewart und John Wayne laufen Seite an Seite zur ihrer Höchstform auf. Herausgekommen ist im Großen und Ganzen John Fords großes Vermächtnis, welches im Erscheinungsjahr von ebenso großer politischer Bedeutung war und auch heute noch ist. Der Mann, der Liberty Valance ist ein Paradebeispiel für einen zeitlosen Klassiker.
Platz 10: “Vierzig Gewehre” (US 1957) von Samuel Fuller
u.a. mit Dean Jagger und Barbara Stanwyck
Samuel Fullers Vierzig Gewehre ist der wahrscheinlich einflussreichste Western der Filmgeschichte, denn er hat auch andere Genres geprägt und Regielegenden wie Jean-Luc Godard inspiriert. Zudem ist der Film für eine Zeit, in der vom Italowestern noch lange keine Rede war, ungewöhnlich zynisch. Und dann ist da noch Barbara Stanwyck, die den Zuschauer mit ihrem eindringlichen Schauspiel von der ersten bis zur letzten Minute an den Bildschirm fesselt. Es gibt für Cineasten aber noch viele weitere Gründe Vierzig Gewehre zu lieben. Und deswegen sollte ihr euch, falls ihr Samuel Fullers Wunderwestern noch nicht gesehen habt, dringend auf die Suche nach diesen Gründen begeben.
Platz 9: “The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz” (US 1969) von Sam Peckinpah
u.a. mit Ernest Borgnine und L.Q. Jones
Sam Peckinpah zum Zweiten. The Wild Bunch ist natürlich als sein ‘absoluter Film’ zu verstehen: Ein Abgesang auf den Western, parallel zur mexikanischen Revolution, und auch eine eindringliche Grabesrede für das von Gewalt zerrüttete Amerika. The Wild Bunch ist aber nicht nur nach wie vor politisch hochaktuell, sondern auch revolutionär in Szene gesetzt, weshalb der Film nach wie vor sowohl inszenatorisch als auch erzählerisch zu begeistern vermag.
Platz 8: “Panik am roten Fluss” (US 1948) von Howard Hawks
u.a. mit John Wayne und Montgomery Clift
Parallelen zu Paul Thomas Andersons There Will Be Blood lassen sich erkennen, doch natürlich kam Panik am roten Fluss (OT: Red River) viel früher, und während der von Daniel Day-Lewis gespielte Daniel Plainview ein misanthropischer Gierlappen war, besitzt John Waynes Tom noch ein Herz. Nur fehlt der Appell, der dieses wieder rhythmisch schlagen lies. Wenn sich die beiden Protagonisten noch einmal gegenüber stehen und Tom auf seinen Sohn einprügelt, bis sich sein Gesicht durch das Blut immer vehementer verfärbt, kommt es endlich zu dem Augenblick, der Tom aus seinem emotionalen Winterschlaf wachrüttelt. In welcher Form sei an dieser Stelle nicht verraten, jedoch besitzt diese Szene einen ungemein emanzipatorischen Charakter und hat definitiv Filmgeschichte geschrieben.
Platz 7: “Zwei glorreiche Halunken” (IT 1966) von Sergio Leone
u.a. mit Clint Eastwood und Eli Wallach
Zwei glorreiche Halunken ist ein echtes Essenzwerk. Wer sich mit dem Western-Genre auseinandersetzen möchte, der muss sich zwangsläufig an dem herausragenden Abschluss von Sergio Leones Dollar-Trilogie versuchen. Zwei glorreiche Halunken hat es sich verdient als ‘episch’ bezeichnet zu werden. Ein memorabler Moment jagt den nächsten. Hier darf der Zuschauer Zeuge werden, wie Filmgeschichte geschrieben wurde.
Platz 6: “McCabe & Mrs. Miller” (US 1971) von Robert Altman
u.a. mit Warren Beatty und Julie Christie
Das Ende des US-amerikanischen Westernfilms in all seinem Zynismus, seiner Brutalität, seiner Nachdenklichkeit, seiner Poesie. Robert Altmans McCabe & Mrs. Miller ist die konsequente Dekonstruktion eines Genres, verknüpft mit realpolitischen Auseinandersetzungen, inszeniert in einem bildgewaltigen, dreckigen Schneeszenario. Kurz: Unvergesslich, ein Meisterwerk.
Platz 5: “Butch Cassidy und Sundance Kid” (US 1969) von G. R. Hill
u.a. mit Paul Newman und Robert Redford
Butch Cassidy und Sundance Kid ist die Geschichte zweier Banditen, die gegen den Zeitgeist und den technischen Fortschritt ankämpfen. Sie sind Träumer in einer sich wandelnden Gesellschaft. Regisseur George Roy Hill geht diese Thematik mit viel Feingefühl, Ironie und Melancholie an, er nimmt sich viel Zeit für die leisen Töne und die Charakterisierung seiner Figuren. Durch die Chemie von Paul Newman, Robert Redford und Katharine Ross spielt sich “Butch Cassidy und Sundance Kid” ab dem ersten Augenblick in die Herzen seiner Zuschauer und lädt aufgrund seines hohen Unterhaltungspotentials zum Wiedersehen ein.
Platz 4: “Spiel mir das Lied vom Tod” (IT/US 1968) von Sergio Leone
u.a. mit Charles Bronson und Henry Fonda
Platz 3: “Django” (IT 1966) von Sergio Corbucci
u.a. mit Franco Nero und José Bódalo
Bessere Worte wie der deutsche Filmkritiker Christian Kessler lassen sich für diesen Ausnahme-Western nicht finden: “‘Django’ ist einer der unglaublichsten Filme aller Zeiten. Corbucci malt ein Bild von der Welt, das an Pessimismus nicht zu überbieten ist. Django ist ein durch den Tod seiner Frau gebrochener Außenseiter, der sich nur noch selbst begraben möchte. Doch er muss eine Kreuzigungs- und Wiederauferstehungsgeschichte durchleiden, um am Schluss doch mit leeren Händen dazustehen. Corbucci schafft es Illusionen von Gerechtigkeit zu erzeugen, die letztlich auch zum Scheitern verurteilt sind. Hallo Meisterwerk.” Das kann ich nach unzähligen Sichtungen immer wieder bezeugen, denn mit nichts geringerem als einem zeitlosen, gesellschaftskritischen Meisterwerk haben wir es hier zu tun. Achja, nicht zu vergessen: Ein Hip-Hip-Hurra auf Franco Nero in der Rolle seines Lebens als titelgebender Held!
Platz 2: “Leichen pflastern seinen Weg” (FR, IT 1968) von Sergio Corbucci
u.a. mit Jean-Louis Trintignant und Klaus Kinski
Leichen pflastern seinen Weg ist ein eiskaltes, pechschwarzes und ein ebenso brillant inszeniertes wie gespieltes Stück Filmgeschichte, in dem Western-Meister Sergio Corbucci ohne Mitleid bitterböse mit den Untugenden der Gesellschaft abrechnet. Komplettiert wird das durchtriebene Geschehen von Ennio Morricone, der für Leichen pflastern seinen Weg einen der großartigsten Soundtracks überhaupt komponiert hat. Leichen pflastern seinen Weg ist ein brodelndes Meisterwerk der Herz- und Hoffnungslosigkeit, nach dessen Sichtung der Zuschauer die Welt mit anderen Augen sehen wird.
Platz 1: “Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford” (US 2007) von Andrew Dominik
u.a. mit Brad Pitt und Casey Affleck
Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford ist ein tiefgreifendes cineastisches Wunder und alles andere als ein gewöhnlicher Western. Obwohl Regisseur Andrew Dominik in vielerlei Hinsicht dem Genre treu bleibt, hat er vielmehr einen Sozialfilm im Western-Gewand gedreht und erzählt über demokratische Werte und über den Übergang in die (US-amerikanische) Moderne – und hinterfragt dabei das Menschsein. Nicht nur sind Jesse James (großartig Brad Pitt) und der gebrochene Anti-Held Robert Ford (noch besser Casey Affleck) zwei der interessantesten Filmfiguren, welche das Kino der 2000er Jahre hervorgebracht hat. Auch machen die nebenbei angesprochenen Themen (beispielsweise das Verehren von Stars) und all die negativen Auswirkungen, welche diese in der Gesellschaft hervorrufen können, dieses Werk zu einem rundum packenden wie nachhallenden Filmerlebnis, Und als ob all das noch nicht genug wäre, hat der Film eine hervorragende Kameraarbeit zu bieten, die in Symbiose mit dem ebenso außergewöhnlichen Soundtrack für einen cineastischen Sog sorgt, der einen wünschen lässt, dass der Film gar nicht mehr enden möge. Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford ist einer dieser wenigen Filme, bei denen einfach alles passt, so wie bei den ganz großen Meisterwerken der Filmgeschichte.
Liebe Westernfans,
ich danke Euch für diesen von großer Zuneigung zu einem extrem unterschätztem Genre motivierten Beitrag, der viel Fachkompetenz dokumentiert. Es haben sich nur ein paar kleine inhaltliche Fehler eingeschlichen : Das Bild, das Ihr dem Film “Der Gehetzte der Sierra Madre ” zugeordnet habt stammt aus dem Film “Für ein paar Dollar mehr”; auf den Bildern zu Red River und Mercenario werden Montgomery Clift und Tony Musante gezeigt, aber namentlich nicht erwähnt.
Stattdessen werden John Ireland und Jack Palance genannt; das kann bei einem weniger kundigem Leser zu Verwechslungen führen. Ich würde mich zudem freuen, wenn auch Westernmeilensteine wie Stagecoach , Erbarmungslos ,Little Big man oder der ein oder andere Anthony Mann Western (Winchester 73, Über den Todespass oder Meuterei am Schlangenfluss) irgendwann Erwähnung finden würden. Aber Geschmäcker sind halt unterschiedlich und das ist ja auch gut so; nochmals danke für Eure Arbeit und nachfolgend noch ein paar Empfehlungen für Liebhaber guter Western:
Zähle bis drei und bete, Der Galgenbaum, Zwei rechnen ab, Der letzte Wagen, Die gefürchteten Vier, Die glorreichen Sieben von 1960, Der Texaner, Mein großer Freund Shane, Rio Bravo und El Dorado.
Hallo Michael,
herzlichen Dank für dein Feedback, welches wir natürlich beherzigt und den Artikel entsprechend angepasst haben. Generell ist das mit der Erweiterung der Liste auch eine super Idee. Bei der nächsten Gelegenheit werden wir die Liste bestimmt auf 40 Filme ausdehnen. Derweil dürfen Leser auf jeden Fall deine Tipps ernst nehmen, du hast ein paar ebenfalls sehr gute Western aufgezählt. 🙂