Wir haben nicht gegen den Feind gekämpft, wir haben gegen uns selbst gekämpft, der Feind war in uns.
Wer könnte besser über das Kriegsgeschehen, seinen Alltag und deren Auswirkungen berichten, als jemand, der selber dabei gewesen ist? Niemand. Deswegen lässt sich nun auch leicht ableiten, wer denn am fähigsten wäre, einen Film über einen Krieg zu drehen, ohne sich im übertriebenen Vaterlandsstolz und Verfälschungen zu verlaufen. Natürlich jemand, der das ganze Grauen mit eigenen Augen sehen und am eigenen Leib erfahren musste. Und hier stoßen wir auf den Regisseur Oliver Stone: In der Gegenwart ist mit dem einstigen Meister nicht mehr viel los und Filme wie Wall Street 2 oder World Trade Center sollten am besten mit dem Schleier des ewigen Schweigens bedeckt werden. Gehen wir jedoch in die 80er Jahre zu, direkt zu seinem Debütfilm, dann dürfen wir mit großen Augen feststellen, zu welchen Meisterwerken Oliver Stone in der Lage gewesen ist. Die Rede ist natürlich vom Antikriegsfilm Platoon aus dem Jahre 1986, in dem Oliver Stone seine eigenen Erlebnisse verarbeitet hat, die er in Vietnam 1967 und 68 an der Front gesammelt hat.
Alles beginnt im Jahre 1967, in dem sich der Studienabbrecher Chris Taylor freiwillig zum Kampfeinsatz in Vietnam meldet. Seine Motivation? Er will seinem Land treu dienen und endlich ein Held sein. In Vietnam angekommen blickt er der Wahrheit allerdings schnell ins Gesicht und seine edlen Gedanken werden in wenigen Sekunden aus seinem Kopf geblasen. Hier gibt es keine Helden, hier gibt es niemanden, der Helden zulassen würde und genauso wenig gibt es hier Soldaten, die gerne Helden sein würden. Hier hat ein Menschenleben keine Bedeutung, keinen Wert und der anfängliche Idealismus von Chris schlägt um zu einem herunterzählen von den verbleibenden 365 Tagen. Chris wird Teil dieses erbarmungslosen Krieges, sieht wie die anderen Männer an der Wahrheit zerbrechen, oder diese mit Drogen verfälschen wollen. Eine steht von Anfang an fest: Chris wird nie wieder der sein, der er vor dem Einsatz war.
Die schwül-hitzigen Dschungelaufnahmen von Robert Richardson saugen den Zuschauer ein, belasten ihm mit der Schwere des Krieges und lassen ihn genau wie die Soldaten durch einen unüberwindbaren Abgrund schreiten. Ebenso der Score von Georges Delerue und Samuel Barber, der gänzlich auf amerikanischen Patriotismus verzichtet und das grausige Geschehen mit seiner ganzen Eindringlichkeit begleitet. Und auch schauspielerisch hat Oliver Stones Werk so einiges zu bieten. In der Hauptrolle sehen wir den blutjungen Charlie Sheen, den man heute wegen seiner sämtlichen Eskapaden jeden Tag in den Nachrichten gesehen hat. Als Chris Taylor hat er der Welt gezeigt, was für ein grandioser Schauspieler in ihm steckte. Als Neuling Taylor wird er zur Bezugsperson in “Platoon”, man kann mit ihm fühlen, sieht seinen inneren Schmerz und die bittere Verzweiflung. Einfach eine ehrliche Leistung, ohne übertriebene Gesten, und die beste in Sheens Karriere. Dann wären da Tom Berenger als Sgt. Barnes und Willem Dafoe als Sgt. Elias, die gegensätzlicher kaum sein könnten und beide, genau wie Sheen, zu grandiosen Leistungen auffahren können, dabei aber die verschiedenen Gefühle der Zuschauer auf sich ziehen können. In den kleinen Nebenrollen gibt es dann noch Darsteller wie John C. McGinley, Forest Whitaker und auch Johnny Depp zu sehen.
Der Krieg ist jetzt für mich vorbei, aber er wird immer bestimmend sein.
In Platoon gibt es keinen stählernen Patriotismus, keine mutigen Heldentaten, keine Begeisterung oder Befürworter des Krieges. Hier treffen wir auf den Frischling Chris Taylor, der uns seine Geschichte erzählt, Sgt. Barnes und Sgt. Elias, und in ihrem Leben gibt es nur noch eine Sache die zählt: der Krieg. Krieg mit dem Vietcong, Krieg mit den eigenen Männern, Krieg mit sich selbst. Aus dem pochenden Vaterlandsstolz, dem Verlangen nach Anerkennung und der stumpfen Naivität, wird das traumatisierendste Erwachen überhaupt. Die Sinnlosigkeit trifft auf die enttäuschende und zerstörerische Wahrheit von Vietnam, Männer rennen hier ihrem eigenen Verderben in die Arme. Der Dschungel wird zur ausweglosen, grünen Hölle, die alles in sich zieht und nie wieder loslässt. Überall lauert der Tod, ob durch Krankheiten, die Wildnis selbst, oder die versteckten Vietcong, die überall ihre Fallen positioniert haben. “Platoon” zeigt uns, was Krieg wirklich bedeutet und wie dieser Krieg die Psyche der Soldaten ab der ersten Sekunde vergewaltigt. Jeder Weg führt hier in das eigene Ende, der psychische K.O.-Schlag, der erdrückende Gefühlstod, bis nur noch eine leere Hülle der Humanität übrigbleibt. Eine Hülle, die niemals dem Grauen entfliehen kann. Hier geht es nicht um das Vertreten eines Landes, oder irgendwelche ehrwürdigen Werte. Stone eröffnet uns eine Welt, in der es kein Mitgefühl, Verständnis oder Einsicht gibt, sondern nur den tiefen Schmerz, die anspannende Angst und den Verlust der letzten Menschlichkeit. Ein schonungsloser, verstörender und ebenso ehrlicher Marsch durch die innere Hölle eines jeden Soldaten, egal auf welcher Seite er stand oder noch stehen wird.
Fazit: Vergiss amerikanische Patrioten, die die Flagge mit ihrem ganzen Stolz in die Luft stemmen und sich für ihr geliebtes Vaterland in jedem Moment opfern würden. Vergiss die breitgrinsenden Kriegshelden, die heroisch ihre Auszeichnungen an die Brust geheftet bekommen und von der Menge für das Töten gefeiert werden. Platoon ist sowohl einer der wichtigsten, als auch einer der besten Kriegsfilme der Filmgeschichte. Mit erschütternder Ehrlichkeit, extremer Eindringlichkeit und einer zermürbenden, fast dokumentarischen Inszenierung geht Oliver Stone durchgehend seinen konsequenten Weg. Ohne Helden, ohne Pathos und ohne falschen Stolz. Platoon dringt in die verrottete Seele des Krieges, wird zu Stones eigener Verarbeitung und führt uns einen Film vor, den jeder gesehen habe sollte und danach sicher nie wieder vergessen wird. Vollkommen zu Recht konnte Platoon die Oscars für den Besten Film und die Beste Regie gewinnen.
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