“Der Durango 95 schnurrte nur so los, richtig Horrorshow, und ein warmes Vibrato verbreitete sich in unserem Bauch. Und bald, meine Brüder gab’s überhaupt nur noch Bäume und Dunkelheit, die im Schwarz der Landnacht zusammenflossen.”
Stanley Kubrick. Ein Name der aus der Filmwelt nicht mehr wegzudenken wäre. Ein Regie-Titan der die Filmwelt mit seinen Filmen nicht nur bereicherte sondern auch ungemein prägte. Er hat uns kunstreiche und philosophische Welten eröffnet die uns heute noch berühren und beeindrucken wie am ersten Tag. Mit seiner visionären Gewalt-Odyssee ‘Uhrwerk Orange’ von 1971 erschuf Kubrick eine meisterhafte, brutale und zeitlose Zukunftsvision aktueller denn je.
Alex stiehlt, schändet und mordet wie ein gewissenloses Raubtier. Man verhaftet ihn und sperrt ihn ein. Er wird einem grausamen Verfahren unterzogen, das ihn wieder “gesellschaftsfähig” machen soll. Ohne Makel nach außen funktionierend, im inneren jedoch verkrüppelt und völlig zerrissen. Was kann aber die Gesellschaft noch für oder gegen ihn tun, nachdem seine “Kur” ihn völlig verteidigungsfähig gemacht hat und er neuen Gewaltanschlägen völlig ausgeliefert ist.
‘Uhrwerk Orange’ ist ein Bilderrausch sondergleichen. Seine futuristische und gleichzeitig dreckig-gegenwärtige Welt wird von John Alcott in unglaublich kräftigen aber auch erschreckend düsteren Bildern festgehalten. Eine visuelle Achterbahnfahrt durch jegliche Höhen und Tiefen. Die grandiose musikalische Untermalung findet der Film vor allem durch klassische Klänge. Dominierend durch den Helden des Hauptdarstellers Ludwig van Beethoven, der Alex in andere Dimensionen bläst. Selten hat ein Film eine derart befremdliche und erschreckend anziehende Atmosphäre besessen die den Zuschauer immer wieder aufs Neue fesselt.
Malcolm McDowell spielt Alex und ist somit der wichtigste Akteur der Geschichte. Eigentlich sogar der einzig erwähnenswerte, denn die anderen sind nur Randfiguren oder dienen als Mittel zum Zweck. McDowell bringt eine großartige Leistung, seine wohl beste Karriereleistung. Er meistert den gewissenlosen Alex und den umerzogenen Musterbürger mit grandiosem Facettenreichtum und wächst mit der Laufzeit des Films. Den großen Durchbruch konnte Dowell mit dem Film dennoch nicht schaffen, den schaffte aber auch leider irgendwie nie. In der Filmwelt war er zwar immer anwesend, hält sich aber eher im Hintergrund auf. Ein typischer Nebendarsteller. Was umso tragischer ist, denn hier hat Dowell direkt bewiesen zu was er in der Lage ist.
Gewalt ist überall. Gewalt ist in jeden von uns und wird so auch immer ein Teil von uns bleiben. Manche befriedigen sich durch die unbändige Brutalität die sie ausleben. Andere verschaffen sich Respekt dadurch, zwar einen fragwürdigen, aber dennoch Respekt. Wieder andere gebrauchen es um ihre Meinungen kundzutun. Um den nötigen Wind zu entfachen der einen gefährlichen Ruf schafft. Nutzlos ist sie genaugenommen schon, aber in manchen Fällen der einzige Ausweg, denn genauso effektiv ist sie eben auch. Auch die Formen der Gewalt sind variabel angesiedelt. Ist sie rein körperlich, ein Moment des Schmerzes. Ein Moment den man aber im besten Fall aber wieder auskurieren kann. Handelt es sich aber um psychische Gewalt, die noch brutaler als die physische ist, kann sie einen Menschen grundlegend verändern und schwerwiegende Auswirkungen auf das restliche Leben haben. In ‘Uhrwerk Orange’ treffen alle Aspekte ein und werden verquirlt zu einer Explosion aus Zorn und Ehrfurcht.
Mit Alex bekommen wir einen durch und durch verdorbenen Charakter. Sein Leben wird von Gewalt bestimmt. Auch die sexuelle Gewalt spielt hier ihre wichtige Rolle. Vergewaltigung, Prügeleien und Diebstahl bestimmen sein Leben. Ein Leben das er so verehrt. Ohne jegliche führende Hand im Leben, auch nicht durch die Eltern, lebt er jede Nacht sein Verlangen aus und stürzt sich von einem Rausch in den nächsten. Ohne Rücksicht und ohne Gewissen wütet er durch seine eigenkreierte Horrorshow. Sein eigener Wahnsinn wird dabei immer von Beethoven unterlegt, der ihn in unbeschreibliche Ektasen verfrachtet. Nachdem der eiskalte Gang-Anführer Alex von seiner Crew ein Bein gestellt bekommt, kommt er ins Gefängnis. Hier wird er ausgewählt und zu einem Experiment überredet, dass ihn schneller aus dem Gefängnis bringt. Alex muss sich einer Gehirnwäsche unterziehen. Die Gewalt, die Alex lebte wird ihn durch erschreckendes Filmmaterial ausgetrieben. Mit technischer Dornenkrone und Augenklammern versehen kann er sich dem Übel zu keiner Zeit entziehen. Das was ihn ausgemacht hat wird sein größtes Verhängnis. Er wird vom gnadenlosen Raufbold zum zahmen Gutmenschen. Jeder Gedanke an Sex oder Gewalt löst in ihm einen Strudel aus grober Übelkeit und blankem Schmerz aus. Auf freiem Fuß wird er mit den Menschen konfrontiert die er misshandelt hat und muss bezahlen. Die Gewalt die ihm ausgetrieben wurde, erlebt er nun am eigenen Körper. Doch die Gewalt selbst kennt noch andere Wege…
‘Uhrwerk Orange’ ist die einmalige Charakterstudie über einen Menschen, der Gewalt in jedem Ausmaß auslebt, erlebt und erfährt. Aber es ist auch eine Studie und eine Beleuchtung der Gewalt selbst und über ihre unbegrenzten Auswirkungsmöglichkeiten. Was dabei aber nie als gewaltverherrlichend dargestellt wird. Kubrick bleibt sich natürlich, wie gewohnt, durchgehend treu und zeigt die Brutalität in schonungslosen und abstoßenden Bildern, die durch seine perfekte Inszenierung immer wieder philosophisch, unglaublich gesellschaftskritisch und beeindruckend visionär erscheinen.
Fazit: ‘Uhrwerk Orange’ ist eines der besten und bedeutungsvollsten Werke der Filmgeschichte. Seiner Zeit weit voraus, verstörend, faszinierend, künstlerisch und absolut genial. Gesegnet mit einer grandiosen Bildersprache, einer provokativen Musikwahl, bizarren Dialogen und einem hervorragenden Malcolm McDowell. All das macht ‘Uhrwerk Orange’ zu einem Film, den jeder gesehen haben sollte, aber sicher nicht jedem gefallen wird. Ein typischer Kubrick – unvergesslich.
“Nichts ist grauenhafter als Brutalität! Genau das lernen Sie hier Ihr Körper lernt es!”
Bewertung: 10/10 Sternen