Kritik: Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings (USA 2021)

Eine Gastkritik von Jan Benz

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© Walt Disney Studios Motion Pictures

Mit dem inzwischen 25. Film im Marvel Cinematic Universe kehrt Disney im großen Stil in die Kinos zurück. Nachdem der Konzern bei Black Widow noch auf eine parallele Veröffentlichung mit VIP-Zugang auf Disney+ gesetzt hatte, erscheint Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings nun exklusiv in den Lichtspielhäusern. Dabei blickt angeblich ganz Hollywood auf den Erfolg oder Misserfolg des Films, der als neuer Gradmesser in Zeiten der Pandemie gilt und bei Misserfolg neue Verschiebungen nach sich ziehen könnte. Tatsächlich eignet sich Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings jedoch nur bedingt als Gradmesser für die Filmindustrie, immerhin ist bei einer Origin-Geschichte nur schwer vorherzusehen, ob der Film eher unter dem Radar fliegt (wie Ant-Man), oder zum Überflieger wird (Black Panther). Zu Letzterem kann man derweil definitiv einige Parallelen ziehen. Nachdem Schwarzafrikaner bzw. Afroamerikaner ihren ersten MCU-Helden feiern durften, ist nun die asiatische Community an der Reihe. Die Premiere des chinesisch-stämmigen Superhelden ist dabei definitiv gelungen, auch wenn dem Film im letzten Drittel leider die Puste ausgeht.

Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings dreht sich um den gleichnamigen Titelhelden (Simu Liu), der fernab seiner Heimat ins Netz der mysteriösen Terrororganisation Ten Rings gerät. Deren Anführer ist ausgerechnet sein Vater (Tony Leung) und so muss sich Shang-Chi seiner düsteren Vergangenheit stellen.

Der neuste MCU-Film erzählt also mal wieder eine Origin-Story und behandelt einen typischen Vater-Sohn-Konflikt. In Sachen Story erfindet man das Rad also definitiv nicht neu. Obwohl Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings dadurch zu einer klassischen Heldenreise mutiert, weiß Regisseur Destin Daniel Cretton das altbewährte Konstrukt ansprechend in Szene zu setzen. Cretton, dem 2013 mit dem herausragenden Sozialdrama Short Term 12 der Durchbruch gelangte, der zuletzt aber nur durchschnittliche Arbeiten wie Schloss aus Glas und das Gerichtsdrama Just Mercy inszenierte, gelingt es die Story kurzweilig und unterhaltsam zu inszenieren. Die Chemie zwischen den Helden stimmt, gerade der bisher unbekannte Hauptdarsteller Simu Liu und Awkafina seien hier erwähnt, die gut miteinander harmonieren und den gewohnten Witz in die Geschichte bringen. Dazu besitzt der Film einen guten Bösewicht, der von Tony Leung nicht nur furchteinflößend und menschlich zugleich gespielt wird, sondern erstaunlich viel Zeit eingeräumt bekommt. Die Motivation des Schurken ist zu jeder Zeit nachvollziehbar, da sich das Drehbuch ungewohnt ausführlich mit seiner Vorgeschichte beschäftigt. Einziges Problem hierbei: Der Bösewicht ist fast spannender als der Titelheld, dessen Charakter etwas blass bleibt. Gerade im Finale der Origin-Story fehlt ein großer Moment, in dem Shang-Chi aus sich herauskommen kann. Auch Michelle Yeoh stößt erst spät dazu und wirkt somit etwas verschenkt. Interessant ist hingegen die Repräsentation der chinesischen Kultur. Viele Kampfszenen sind von klassischen asiatischen Actionfilmen inspiriert, Mythen und Legenden erwachen zum Leben und Marvel hat sich sichtlich Mühe gegeben, respektvoll mit der chinesischen Kultur umzugehen. Das hat bei der Netflix-Marvel-Serie Iron Fist noch ganz anders ausgesehen. Spannend ist im Übrigen auch die Vertonung, die auf unkonventionell viele Untertitel setzt. Viele Dialoge werden auch in der deutschen Fassung auf Chinesisch gesprochen.

Ebenfalls gut gefallen haben mir die Actionszenen. Anders, als bei jüngeren Schnittgewittern wie Snake Eyes: G.I. Joe Origins, ist die Action stets übersichtlich und ruhig gefilmt. Einzelne Takes dauern gerne mal mehrere Sekunden und es zeigt sich, wie viel Kampfsporttalent bei Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings vor aber auch hinter der Kamera stand. Allen voran bleiben zwei Actionszenen im Gedächtnis: Der Überfall der Ten Rings in einem Bus (übrigens mit dem deutschen Schauspieler und Creed II-Bösewicht Florian Munteanu als gelungenem Schurken) und der Kampf an der Außenfassade eines Hochhauses. Die rasanten und klasse inszenierten Actionszenen machen eine Menge Spaß, was einem gerade im letzten Drittel auffällt. Dort verkommt Shang-Chi leider wieder zum typischen Effektgewitter (inklusive einer gesichtslosen Monsterarmee) und die Übersichtlichkeit in der Action hat darunter stark zu leiden. Ich weiß nicht, ob die Macher ihr Publikum darauf vorbereiten wollen, dass das MCU nach Thanos noch viel größere und mächtigere Bedrohungen heraufbeschwören wird, aber leider wirkt auch dieses Spektakel am Ende wieder völlig unnötig. Die beiden erwähnten und deutlich geerdeteren Kampfszenen haben jedenfalls deutlich mehr Eindruck hinterlassen, als die seelenlose CGI-Schlacht am Ende. Auch der Soundtrack gerät im letzten Drittel in der Hintergrund, der zuvor mit launigen Hip-Hop-Klängen zu gefallen wusste und damit ebenfalls an Black Panther erinnerte. Ähnlich wie Black Widow steht der Film ansonsten ziemlich gut auf eigenen Beinen. Die Ten Rings und der Mandarin waren zwar bereits in Iron Man 3 Thema, weswegen es nicht schadet den Film gesehen zu haben, bis auf einige wenige Charaktere aus Doctor Strange und Der unglaubliche Hulk halten sich die Macher jedoch auffällig zurück.

Fazit: Obwohl der Film nur eine weitere Origin-Story mit Vater-Sohn-Konflikt erzählt, weiß Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings in seinen 132 Minuten gut zu unterhalten. Die Chemie zwischen den Helden stimmt, die Action ist überaus gelungen und die chinesische Kultur wird respektvoll präsentiert. Leider geht Shang-Chi im letzten Drittel die Puste aus, da der Film wieder zum üblichen Effektgewitter ausartet und eine seelenlose CGI-Armee auf unsere Helden loslässt. Diese Eskalation ist auch deswegen so unnötig, da die Actionszenen zuvor deutlich mehr Eindruck hinterlassen. Zumal Regisseur Destin Daniel Cretton sie mit der nötigen Ruhe und Übersicht inszeniert. Shang-Chi ist am Ende trotzdem ein sehenswerter Blockbuster geworden, auch wenn der Held etwas blass bleibt und erzählerisch noch mehr drin gewesen wäre.

Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings startet am 2. September 2021 deutschlandweit in den Kinos.

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