"Im Tal von Elah" (USA 2007) Kritik – Krieg an der Heimatfront

“In Ländern wie dem Irak sollte man keine Helden schicken. Da ist alles im Arsch. Bevor ich dort war, hätte ich das nie gesagt, aber fragt man mich jetzt…Atomwaffen rein und zusehen wie Staub daraus wird.”

null

Der Krieg kennt nur Schattenseiten. Zu genüge wurden die grausamen Kämpfe an den verschiedensten Fronten beleuchtet. Viel interessanter sind inzwischen jedoch die Auseinandersetzungen an der Heimatfront mit dem Thema Krieg, sowohl für die Familien als auch für den Soldaten selbst. Paul Haggis, der für sein überbewertetes Rassismus-Drama ‘L.A. Crash’ schon zwei Oscars gewinnen konnte, beschäftigt sich 2009 in ‘Im Tal von Elah’ mit dem eigenen Krieg im Kopf und inszeniert eine feine Charakterstudie die leider nicht ihr volles Potenzial ausschöpft.

In trockenen und ausgefeilten Einstellungen fängt Roger Deakins stimmige Bilder der Ermittlungsarbeit und des Militäralltags ein. Das Ganze ist zwar atmosphärisch durchaus packend, liefert aber noch lange nichts Besonderes oder gar beeindruckendes. Anders als der Soundtrack von Mark Isham, der zwar immer den kleinen patriotischen Unterton besitzt, aber so genau ins Bild des Filmes passt und stark untermalt. Auch der Song ‘Lost’ von Annie Lennox, der am Ende des Films eingespielt wird, erzielt genau die richtige Wirkung und berührt ungemein.

Mit Tommy Lee Jones in der Hauptrolle hat Haggis genau der richtigen für den Charakter mit der harten Schale und dem weichen Kern gefunden. Denn diese Charaktere sind für Jones einfach wie geschaffen. Jones liefert wieder eine überaus überzeugende Leistung ab und meistert, wie gewohnt, die aufbrausenden und zerbrechlichen Momente. Jones ist hier die ganz klare Nummer Eins, die anderen Schauspieler haben hier nicht viel zu melden. Charlize Theron als gemobbte aber konsequente Detective Emily Sanders liefert hier eine durchwachsene Leistung ab. Immer auf dem schmalen Grat zwischen glaubwürdig und unglaubwürdig überzogen. Die Auftritte von Jason Patric und James Franco fallen kaum weiter ins Gewicht, dazu sind sie zu unauffällig und unwichtig.

Das Tal von Elah. Der Ort an dem David den übermächtigen Goliath besiegte. Wer in Haggis ‘Im Tal von Elah’ die Rolle des Goliaths und die des Davids einnimmt ist reine Interpretationssache und würde immer zu neuen Antworten führen. Die Amerikaner oder die Iraker? Mike oder Hank Deerfield? Völlig Irrelevant. Haggis geht es hier weder um den Krieg selbst, es geht ihm um die Auswirkungen. Die Auswirkungen auf die Soldaten und auf die Familien, die unweigerlich in diese Situationen gezogen werden.

Es geht um die jungen Männer, die in den Krieg geschickt werden und zu schrecklichen Taten gezwungen werden. Taten für die man trainiert wird, aber auf die man sich niemals vorbereiten kann. Es liegt an den Menschen selbst wie sie mit diesen Geschehnissen am Ende umgehen und ob sie besiegt werden oder ob sie an ihnen zerbrechen. Sie kommen wieder nach Hause, Frieden, doch der Kopf ist immer noch im Kriegsgebiet. Völlig aufgeladen und unter Strom enden die kleinsten und nichtigsten Auseinandersetzungen in blanker Gewalt und Tod. Gezwungen zur Überreaktion. Gedrillt um keine Gefühle in diesen Situationen zu zeigen. Ein tägliches Handeln, verlagert am falschen Ort.

Doch der Mord und die Krimigeschichte ist nur der Grundton des Films. Wer die Mörder sind und worum es sich wirklich handelt ist dem Zuschauer leider schnell klar. Dafür handelt Haggis in seiner Inszenierung nicht komplex genug und viel zu oberflächlich. Was ‘Im Tal von Elah’ wirklich ausmacht und in diesem Fall auch überdurchschnittlich ist die Charakterisierung von Tommy Lee Jones Charakter Hank Deerfield. Deerfield, der sich in die Ermittlungen einschaltet, zuckt Anfangs kaum mit der Wimper als er von dem Tod seines Sohnes erfährt. Tod gehört für ihn zum Soldatenleben dazu. Wie gesagt, die harte Schale zum Vorschein. Gefasst auf alles. Doch Deerfield ist schon längst zerrissen, nur zu Stolz um Gefühle zu zeigen. Immer war er der gestandene Mann der Familie, den Ruf muss er verteidigen. Hier nimmt sich Haggis die Zeit und lässt uns nicht nur einmal den Charakter von Hank Deerfield analysieren. Immer tiefer dringt er in seine Psyche ein und Stück für Stück entblättert er ihn, bis er am Ende lesbar wie ein offenes Buch vor uns steht und die Szenen nur so vor Menschlichkeit brodeln. Hier sind es vor allem die grandiosen Stellen in denen Hank erfährt wie Mike in Wahrheit im Irak gehandelt hat und was für furchtbare Taten er begangen hat. Erwähnen muss ich auch noch die Stelle in der Jones im Restaurant sitzt und von einer Kellnerin angesprochen wird und er daraufhin versucht sich an die Frau zu erinnern. Eine kleine, völlig unbedeutende Szene die mich aber doch so unglaublich beeindruckt hat, dass ich gar nicht erwähnen möchte wie oft ich diese Szene zurückgespult habe und immer und immer angesehen habe. Emily Sanders kann in keinem Fall mit dieser Vielschichtigkeit mithalten, zu keiner Zeit. Sie ist die gemobbte Polizistin, immer verachtet wegen ihrer Weiblichkeit, entwickelt sich aber im Laufe der Geschichte zur typischen selbstbewussten Ermittlerin, die Deerfield natürlich stark unter die Arme greift. Dieser Charakter bietet rein gar nichts Neues. Natürlich ist auch Tommy Lee Jones Charakter nichts neues, aber im Gegensatz zu Theron verkörpert Jones seine Figur eindrucksvoll und unglaublich intensiv.

Was ‘Im Tal von Elah’ aber nun vom Meisterwerk abhält sind zum ersten die Defizite in der Charakterzeichnung. Dazu kommt noch der Krimiplot der rätselhafter und spannender sein will als er wirklich ist. Denn wie gesagt, der erfahrene Zuschauer hat schnell verstanden woher der Hase läuft. Das normale Ende ist dann nochmal symbolisch nett gemacht, aber insgesamt viel zu platt. Hier empfehle ich das deutlich bessere alternative Ende, wobei hier dann leider das schöne Lied ‘Lost’ verloren geht. Leider braucht der Film auch seine Zeit um wirklich richtig in Schwung zu kommen und zu fesseln. Dennoch, ‘Im Tal von Elah’ bleibt überdurchschnittlich und gewährt einen fast durchgehend spannenden Einblick in die tiefen Bewältigungsversuche eines Vaters, der dem Tod zwar ins Gesicht sehen kann und die Wahrheit jagt, ihr aber niemals gewachsen sein wird.

Fazit: Paul Higgis inszenierte mit ‘Im Tal von Elah’ ein größtenteils spannendes und interessantes Charakter-Drama, bei dem aber vor allem den Nebenfiguren der nötige Tiefgang fehlt und eine wirklich durchgehend packende Umsetzung. Überdurchschnittlich wird der Film vor allem wegen Tommy Lee Jones fantastischer Darstellung, die den Film allemal sehenswert macht. Ein Verbrechen ist es jedoch auch nicht, wenn man den Film erst mal links liegen lässt.

“Sir, leider müssen wir ihnen mitteilen, dass ein Leichnam gefunden wurde. Wir glauben es handelt sich um die Überreste ihres Sohnes.”

Bewertung: 7/10 Sternen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.