Kritik: Brawl in Cell Block 99 (USA 2017)

© Capelight

I promise I can put a great big smile on each of those nuts.

Unbändige, gebündelte, konservierte Wut und die Kunst sie genau dann zu entfalten, wenn der einem Atombombeneinschlag gleichkommende Impact nur geringfügigen Collateral Damage beinhaltet. Die sind dann leider zur falschen Zeit am falschen Ort. Der in unzähligen Komödien (oder Gus Van Sants Psycho) über 20 Jahre praktisch fehlbesetzte Hüne Vince Vaughn wird endlich entdeckt. Von S. Craig Zahler, der schon mit Bone Tomahawk erste, dafür tiefe Spuren hinterließ. Brawl in Cell Block 99 ist wütendes, hemmungsloses Genre-Kino an der Grenze von Grindhouse und ehrlicher Charakterstudie, die nur in dieser Mischung erst so funktioniert. Ohne den notwendigen Unterbau wäre das eine einzige Gore-Schau, bei der die FSK seit einer gefühlten Ewigkeit mal wieder ihr einst gefürchtetes Veto einlegte.

Zwischen zersplitterten Knochen, zu Mus getretenen Köpfen oder am Boden aufgeschälten Visagen erzählt dieser Film tatsächlich eine echte, von Anfang bis zum Schluss stimmige und in seiner Konsequenz unfassbar straighte Geschichte von einem selbst-gezähmten Wüterichs, der gelernt hat mit seiner Zerstörungskraft zu leben. Sie nicht dann einzusetzen, wenn es Otto Normalbürger vielleicht tun würde. Dann, wenn er ohne Schuld gefeuert wird. Dann, wenn ihn Proleten an der Ampel provozieren. Wenn seine Mülltonne auf dem Rasen verteilt wurde. Selbst dann nicht, als er seine Frau beim Fremdgehen entlarvt. Da muss nur ihr Auto dran glauben. Zerlegt mit den bloßen Händen. Andeutend, wozu er fähig ist.

Und was er – nach seinem erfolgreichen Entzug – selbst-diszipliniert, überdacht und moralisch einwandfrei im Zaum hält. Wenn es raus muss, dann lieber kanalisiert auf leblose Materie. Auch die Inhaftierung zum gänzlich ungünstigsten Zeitpunkt lässt ihn nicht mit seinen Prinzipien und (anscheinend unabdingbaren) selbst-disziplinarischen Maßnahmen brechen. Auch wenn er seine ungeborene Tochter so erst zu ihrer Einschulung sehen wird, er wie ein Tier eingesperrt wird und sich mit endlosen Provokationen von außen konfrontiert sieht. Er lässt es über sich ergehen, begegnet dem höchstens mit knochentrockenem Zynismus an der Grenze zum Galgenhumor. Bis ihn eine fatale Kette von Umstände quasi dazu zwingt, das Biest Amok laufen zu lassen. Und nun: Rette sich wer kann!

Brawl in Cell Block 99 funktioniert trotz seiner unbändigen Gewaltdarstellung und der auf dem Papier schlichten Geschichte so phänomenal, weil er beides in einen in sich schlüssigen und gegenseitig unterstützenden Kontext verbindet. Der später wüste Rachefeldzug des Protagonisten erscheint – erschreckend – gerechtfertigt, selbst in dieser radikalen Form. Erst durch diese Investition in die Rahmenbedingungen ist es erst möglich, dass S. Craig Zahler so ein wutschnaubendes Monstrum wie dieses halbwegs integer verkaufen kann, was die wahre Kunst des Ganzen ist. Das verschobene, zermahlene, verschmierte Gerechtigkeitsverständnis des Zuschauers, es wird auf eine knüppelharte Probe gestellt. And the Winner is: S. Craig Zahler. Wie er das (trotzdem) schafft, das macht ihn (jetzt schon) groß.

Brawl in Cell Block 99 ist seit dem 26. April ungeschnitten im Handel erhältlich.

 

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