"47 Ronin" (USA 2013) Kritik – Die herrenlosen Samurai im Würgegriff Hollywoods

Autor: Pascal Reis

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„Rivers of blood and mountains of corpses will not stand in our way.“

Es war die manipulative Kraft der schwarzen Magie, die den geachteten Lord Asano letztlich dazu bewegen konnte, im Beisein des Shoguns Tsunayoshi das Schwert gegen seinen ewigen Kontrahenten Lord Kira zu erheben. Sein Schicksal und letzter Ausweg lautet schließlich Seppuku, der ehrenvolle, rituelle Selbstmord. Die Hexe, die Asano zu seinem Anschlag auf Kira verführte, stand natürlich selbst unter dem Kommando von Lord Kira und nachdem das Land des Asano nun ohne Herrscher auskommen muss, soll Asanos Tochter auch gleich mit Kira verheiratet werden. Die einstigen Samurai unter Asanos Wort folgen nun dem Weg der Ronin und schmieden unter der Ansage von Oishi unerlaubte Pläne, sich an Kira und seinen zahlreichen Untertanen zu rächen: Die 47 Ronin machen sich bereit für den tapferen Kampf gegen einen eigentlich übermächtigen Gegner und treffen dabei nicht nur auf Widersacher in menschlicher Gestalt…

Dass sich die Traumfabrik gerne an den verschiedensten Mythen und Legenden aus der ganzen Welt vergreift, ist jeher weitreichend bekannt. Dass es der Traumfabrik dabei aber auch nur selten gelingt, sich diesen Mythen und Legenden rechtmäßig anzunehmen und mit dem nötigen Respekt zu behandeln, ist ebenfalls kein Geheimnis. Die japanische Mythologie zum Beispiel ist bereits in sämtliche Hollywoodproduktion eingeflossen und hat zuletzt mit der blutleeren Comic-Adaption „Wolverine – Der Weg des Kriegers“ wieder einmal von ihrer eher enttäuschenden Handhabung der schriftlichen Chroniken Japans bewiesen – Wenngleich sich Hugh Jackman dort in einem modernen Japan wiederfand, den Grundsätzen der Prähistorik aber gleichwohl auf den Leim ging. Ebenso – in diesem Fall ungerechterweise – verschrien wurde Edward Zwick mit seinem dramatischen Epos „Last Samurai“, in dem Tom Cruise als von Schuldgefühlen geplagter Alkoholiker den Verhaltenskodex der Samurai, den Bushidō, kennenlernt und sein Leben nach und nach an diesen anpasst.

Im Prinzip spricht nichts dagegen, auch mal eine andere Kultur zu thematisieren, die eben nicht den Gepflogenheiten der eigenen entspricht und einen Nationalmythos auch für die Menschen bekanntzumachen, die nicht schon Schwierigkeiten damit haben, sich mit den Sagen des eigenen Wurzeln selektiv zu arrangieren. Problematisch ist es nur, wenn ein Land es krampfhaft versucht, sich in eine Kultur einzuarbeiten, obwohl sie diese offensichtlich in keiner Weise verstehen kann respektive verstehen möchte. Carl Rinsch muss sich mit seiner Umsetzung der Folkloreerzählung der „47 Ronin“, die für die Bevölkerung Japans mit einem gar astronomischen Wert bestückt ist, genau dieser Prädestination fügen und scheitert mit dem 200 Millionen Dollar-Koloss eigentlich auf ganzer Linie. Natürlich soll das an dieser Stelle nicht bedeuten, dass der bis dato vollkommen unerfahrene Rinsch allein für das Missglücken des potenziellen Blockbusters verantwortlich gemacht werden darf: In „47 Ronin“ versagt man auf zu vielen Positionen, all dass man die Schuld einem Einzelnen zuweisen könnte.

Gut, es war von vornherein abzusehen, dass sich „47 Ronin“ nicht strikt an seine parabelhafte Vorlage halten würde, und wie das so mit der Legendenbildung und dem grundsätzlichen Wahrheitspotenzial ist, neigen die Menschen dann und wann auch gerne dazu, die Legende über all die Jahre immer weiter auszuschmücken und auszubauen – Bis zu einem Punkt, an dem das Ganze irgendwie absurd, irgendwie überzeichnet erscheinen könnte. Carl Rinsch und sein Autorenduo Hossein Amini und Chris Morgan ist dieser Punkt aber schlichtweg egal und die Geschichte wird nicht nur mit dem Halbblut Kai (Keanu Reeves) angedickt, welches als plakatives Bindeglied für den nichtasiatischen Zuschauer arbeitet, sondern es werden auch überdimensionale Fantasiekreaturen eingestreut, die die Narration aber nun zu keiner Zeit unterstützt, sie vorantreibt oder in ihrer Zusammensetzung und thematischen Strukturierung eine echte Daseinsberechtigung besitzen. Und selbst ihren Zweck als computergenerierter Schauwert für überquellende Augen im Kinosaal können die Monster nicht gerecht werden, denn dafür sind sie zudem noch äußerst mäßig animiert.

„47 Ronin“ möchte seinen adaptierten Kern in einer seltsam verzwickten Dialektik reflektieren: Erpicht auf Authentizität im Umgang mit seinen Charakteren, entreißt das Drehbuch seinem eigentlichen Hauptdarsteller Kai ziemlich zügig den führenden Rang und lässt ihn keinen der gravierenden Kämpfe austragen, sondern immer im Schatten von Oishi (Hiroyuki Sanada) verblassen. Dass „47 Ronin“ in seiner Vorlage ein wunderbares Sinnbild für die Treue und Ehre der herrenlosen Samurai ist, lässt sich auch in Rinschs Interpretation mühelos verifizieren – es fühlt sich nur nie echt an, auch wenn sich die üppigen Settings hier und da im sinnlichen Farbgewand des Fernen Osten treiben lassen, bleibt „47 Ronin“ in seinen wenigen passablen Augenblicken ein Film für das Auge, aber nicht für das Hirn und schon gar nicht für das Herz. „47 Ronin“ ist lieblos, gefühllos und anstrengend, weil er sich in seiner amerikanisierten Gestaltung viel zu ernst nimmt und den Geist des Nationalmythos nie zu greifen bekommt. Ein artifizielles und sich selbst ständig ausbremsendes (Nicht-)Epos, welches nie genau weiß, in welche Richtung es sich denn nun wirklich entwickeln soll. Nicht mal zu ordentlichem Pathos hat es gereicht!

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