Autor: Jan Görner
“You said you got out for a reason.”
“Dude, Captain America needs me. No better reason to get back in.”
Armer Captain America. Mit einem Budget von geschätzten 200 Millionen Dollar und einem weltweiten Einspiel von nur rund 350 Millionen stieß der erste Kinoausflug des rot-weiß-blauen Superhelden “Captain America: The First Avenger” (2011) besonders außerhalb der USA auf wenig Gegenliebe. Fraglich ist, ob es überhaupt zu einer Fortsetzung gekommen wäre, wenn “Cap” sich nicht unerlässlich für das Marvel Cinematic Universe (MCU) gemacht hätte. Vielleicht war das Problem, dass Joe Johnstons (“Jurassic Park 3”) träge inszeniertes Auftragswerk mit einem schwachen Drehbuch, mangelnder Chemie zwischen den Charakteren und einer unausgewogenen Struktur zu kämpfen hatte. Andererseits lässt sich aber auch vortrefflich einfach behaupten, dass die traditionelle Abneigung der Alten Welt gegen den amerikanischen “Hurra-Patriotismus” der Grund für den Misserfolg sei. Da mag es wie purer Trotz wirken, dass “Captain America: The Winter Soldier” hierzulande ohne einen Titelhelden auskommen muss. Denn der deutsche Titel -“The Return of the First Avenger”- wuchtert statt mit der verbrannten Marke “Captain America” lieber mit dem Pfund des Superhelden-Allstar-Teams Avengers, dessen erster Kinoausflug in deutschen Kinos prächtig lief. Kann der Zeitreisende wider Willen unter diesen Voraussetzungen auch endlich bei uns ankommen?
Nach den Ereignissen von New York hat Steve Rogers (Chris Evans) immer noch Probleme, sich an sein neues Leben im Hier und Jetzt zu gewöhnen. Als sein Alter Ego Captain America kämpft er zwar immer noch gegen allerhand Bösewichte, doch kommen Rogers mehr und mehr Zweifel, ob er damit auch automatisch auf Seiten der Guten steht. Als eines Tages ein die S.H.I.E.L.D.-Kollege auf offener Straße angegriffen wird, findet sich Captain America auf einmal inmitten einer gewaltigen Verschwörung wieder. Nicht sicher, wem sie noch trauen können finden Rogers und Black Widow (Scarlett Johansson) einen unerwarteten Verbündeten in dem Kriegsveteran Sam Wilson (Anthony Mackie), der fortan als Falcon an ihrer Seite kämpft. Doch das Komplott gegen die wackeren Helden ist mächtiger als zunächst angenommen und dann taucht auch noch ein ebenso mysteriöser wie kampfstarker neuer Gegenspieler auf: Der Winter Soldier (Sebastian Stan), den mehr mit Captain America verbindet als beide zunächst ahnen.
Nicht nur im deutschen Titel, auch im Plot von “The Return of the First Avenger” sind die Nachwehen der Ereignisse aus “The Avengers” nach wie vor deutlich spürbar. Wie schon seine Kollegen in “Thor: The Dark Kingdom” und “Iron Man 3” muss auch Captain America mit den Nachwirkungen Alien-Invasion fertig werden. Nicht nur muss es Rogers gelingen zu akzeptieren, dass er nun in einer Welt voller Magie, Außerirdischer und Götter lebt, er ist auch ein in eine fremde Zeit versprengtes Relikt, dem es schwerfällt menschliche Nähe zuzulassen. Rogers plagen Selbstzweifel, ob er in einer ausdifferenzierten Welt je wieder in den Status eines reinen Helden hineinwachsen kann. Dies gelingt einem gut aufgelegten Chris Evans wie schon in “The Avengers” recht gut zu vermitteln, auch wenn der sympathische Hüne weiterhin mit Händen und Füßen spielt.
Letztlich soll “The Return of the First Avenger” aber auch mehr als andere Phase-II-Projekte zu “Marvel’s The Avengers: Age of Ultron” (der bei uns vermutlich aus Tradition “Revenge of Ultron” oder so heißen darf) hinführen. Der Status Quo wie er über die gesamte erste Etappe installiert wurde, ist -soviel darf verraten werden- nach “The Return of the First Avenger” dahin. Durch die Macht des Retconning (also erst später an die Bedürfnisse der Story angepasste Kontinuität) wird mal eben das Marvel-Universum auf den Kopf gestellt. Dies ist allerding weniger mutig als Shane Blacks Entscheidung den Mandarin in “Iron Man 3” zu entzaubern, sondern eher unglaubwürdig. Der Twist lässt insgesamt Zweifel an Marvels Planfähigkeit aufkommen. Es war dann auch dieser Aspekt, der mich am meisten störte. Besonders ärgerlich kommt diese Geschichtsklitterung daher, weil sie etliche Logiklücken reißt und rückwirkend viele Entscheidungen unserer Helden schlicht sinnlos erscheinen lässt.
Davon ungerührt zelebrieren die Regisseure Joe und Anthony Russo (“Community”, “Arrested Development”) in “The Return of the First Avenger” ein Action-Spektakel erster Güte. Insgesamt deutlich mehr geerdet als die Kollegen Thor oder Iron Man muss sich Cap schon mal aus einem Aufzugsschacht prügeln oder einer Mittelstreckenrakete trotzen. Schon im Vorfeld bemühten die Russo-Brüder gerne die Verbindung ihres Comic-Sequels zu Paranoia-Thrillern der 70er Jahre (das S.H.I.E.L.D.-Hauptquartier steht nicht umsonst in Sichtweite des Watergate-Komplexes) und so werden auch die Action-Sequenzen durch zahlreiche rasante Autoverfolgungsjagden bestimmt, was allerdings spätestens beim dritten Aufguss einigermaßen aufdringlich wirkt. Dafür lässt sich der Etat von etwa 170 Millionen Dollar wirklich auf der Leinwand sehen. Highlight ist dabei eine Geheimoperation zur Rückeroberung eines Spionageschiffs am Anfang des Streifens. Anders als ihr Vorgänger verstehen es die Russos brachialen Krawall mit geschliffener Choreographie zu vereinen. Im Infight verlassen sich die Regisseure dabei gerne auf Handkameras, was zwar die Kampfszenen intensiviert, gleichzeitig aber auch die Übersicht schmälert.
Was “The Return of the First Avenger” daran hindert zu den Großtaten des MCU aufzuschließen, ist vor allem seine geschwätzige Erzählweise. Die Russos begehen den gleichen Fehler wie viele Verschwörungsthriller: Sie fürchten, dass das Komplott zu konstruiert ist und referieren daher lieber alle Einzelheiten. Dass diese Erzählweise aber logische Schwächen verzeiht, muss auch das Captain-America-Sequel lernen. Denn letztlich ist die Story nichts, wofür man zuhause anrufen würde. Und wie spürbar die Auswirkungen auf Marvels Filmuniversum sein werden, muss die Zukunft zeigen.
Fazit: “The Return of the First Avenger” ist solide Comic-Action mit einigen netten Einfällen und Querverweisen (z.B. auf Steven Strange). Anspruch und Wirkung stehen allerdings in keinem richtigen Verhältnis. Zu deutlich ist die Schlagseite zur Action, zu unterentwickelt die Geschichte. Eine Verbesserung zum ersten Film ist die Fortsetzung aber allemal.