“Deadwood” 1. Staffel (USA 2004) Kritik zur Neuveröffentlichung auf Blu-ray

Autor: Philippe Paturel

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„You know the sound of thunder, Mrs. Garret?”

Nun gibt es die erste Staffel zur gefeierten, aber nicht gänzlich unumstrittenen US-Western-Serie „Deadwood“ endlich auch in Deutschland auf Blu-ray. Zeit also, einen genaueren Blick auf die erste Staffel der Serie zu werfen, welche man, Western-Fan oder nicht, unbedingt gesehen haben sollte.

Wir schreiben das Jahr 1876. Die blutige Schlacht um Little Bighorn ist zwar mittlerweile passé, doch in South Dakota, mitten in einem Indianergebiet, stehen bereits die nächsten Konflikte an. Dort entwickelt sich Deadwood, eigentlich nur ein Camp für Wegelagerer, abseits der amerikanischen Behörden zu einem Anziehpunkt für Verbrecher, Visionäre, Abenteurer, skrupellose Saloonbesitzer und andere zwielichtige Gestalten. Gut und Böse gibt es hier irgendwann nicht mehr, denn immer mehr entwickelt sich Deadwood zu einem dreckigen, stinkenden Moloch.

Mit „Deadwood“ hat David Milch eine der interessantesten Serien der letzten Jahre ins Leben gerufen, welche mit ihren realistischen Schilderungen des wilden Westens punkten kann und sich gleichzeitig auf die moderne Gesellschaft bezieht. Mit größter Authentizität – mal abgesehen von dem Dauergefluche der Figuren, welches immer wieder als zu viel des Guten wahrgenommen werden könnte – wird hier die Gründung des Camps Deadwood und dessen Entwicklung zu einer Kleinstadt (einem Ort der unbegrenzten Möglichkeiten?) geschildert. Wer hier große Schießereien erwartet, der wird hoffnungslos enttäuscht. „Deadwood“ ist durch und durch ein Charakterdrama, welches von den Beziehungen der Figuren lebt. Revolver bringen einen in Deadwood nicht weiter. Am besten man handelt auf eine Weise, die keinen Schatten auf einen selbst zurückwirft. Von daher lebt die Serie größtenteils von ihren Dialogen, den bis in kleinste Detail grandios gezeichneten und gespielten Figuren und den komplexen Beziehungen zwischen allen beteiligten Akteuren.

Dabei ist „Deadwood“ das vielleicht realistischste Bild vom wilden Westen, welches bisher den Weg in die Kino- und TV-Landschaft gefunden hat. Verschiedenste Parteien werden hier beleuchtet, vom Priester bis zum Doktor bekommt hier jedes Weltbild die nötige Huldigung. Doch dem Wandel des Camps zur korrupten Kleinstadt kann hier niemand entgegenwirken. Wie ein Tumor breitet sich die Gier nach Macht, Geld und Ansehen in Deadwood aus. Ein Tumor, der nach und nach die Menschen von innen heraus zerfrisst und ihnen jedweden Sinn für Nächstenliebe und edles Handeln nimmt. Fressen oder gefressen werden, im unzivilisierten Deadwood herrschen die Gesetze des Dschungels, in dem jeder an das eigene Überleben denkt. Die wenigen, die diesem Drecksloch eine herzlichere Seite zu verpassen versuchen, gehen gnadenlos unter oder müssen sich möglichst unbekümmert in Zurückhaltung wiegen.

„Deadwood“ ist jedoch nicht nur ein Schlachtfeld für (zumeist verbale) Gefechte und ein Abgesang auf den wilden Westen. Hinter all den Handlungen der Figuren schlummert viel mehr. Nicht ohne Grund bezieht sich David Milch auf reale Personen wie die Wild-West-Heldin Calamity Jane. Historisch, insofern möglich, korrekt nacherzählt dreht sich hier alles um die Macht des Kapitalismus, die Handlungsunfähigkeit ehrlicher Menschen in Anbetracht korrupter Bosse. Wer nicht spurt, wird mit einem Fingerschnipsen aus dem Weg geräumt. Wer sich den Großen entgegenstellt, muss sich vorsehen, dass er nicht am nächsten Tag den Schweinen zum Fraß vorgeworfen wird. Als gehorsamer Partner wird man womöglich geduldet, aber wehe man stellt sich in den Weg des skrupellosen Saloonbesitzers Al Swearengen (brillant: Ian McShane). In einer Stadt wie Deadwood, stellvertretend für die Probleme in unserer „zivilisierten“ Welt, kann eigentlich nur noch der Jüngste Tag einen positiven (?) Wandel herbeiführen, so glaubt man. Doch so einfach macht es sich die Serie glücklicherweise nicht. Immer wieder gibt es Schimmer der Hoffnung auf eine bessere Welt, in der es doch nicht so schwer sein kann, die Mitmenschen zu akzeptieren und Menschlichkeit zu zeigen. Ganz gibt David Milch seine und somit unsere moderne Welt nie auf. Er sieht das Gute in ihr und damit verbunden sucht er Wege für ein besseres Zusammenleben. Weg von der Ausbeutung der Mitmenschen, hin zu gemeinschaftlichem, sozialem Handeln. Der Weg dorthin ist steinig, dreckig und blutig, aber nicht unmöglich. Doch sollte sich allzu bald nichts ändern, wird es wohl nur einen unumgänglichen Ausweg geben: Irgendwann wird dieser brodelnde Kessel in die Luft gehen. Die Auswirkungen sind unberechenbar. Wohin der Weg letzten Endes geht, wird also nur die Zukunft offenbaren können.

Die erste Staffel von “Deadwood” wird zwar seiner Fülle an Figuren nicht immer gerecht, das ist allerdings zu verschmerzen, da es im Western-Genre bis Dato nichts gibt, was sich mit dem 12 Folgen umfassenden Serienauftakt vergleichen lassen könnte. Wer hier zahlreiche Schießereien und eine typische Westernballade erwartet, wird schnell überrascht. In „Deadwood“ sind das Gute und das Böse nur schwer auseinanderzuhalten. Hier wird nichts und niemand schön geredet und damit ist die von David Milch ins Leben gerufene Serie die vielleicht konsequenteste und historisch korrekteste Entromantisierung des wilden Westens und eine lebensnahe, ehrliche Verleugnung des amerikanischen Traums.

Die Blu-ray-Qualität überzeugt, abgesehen von wenigen grobkörnigen Szenen und dem manchmal nicht ganz optimalen Ton, fast durchgehend und trägt einen großen Teil zu der eh schon grandiosen Atmosphäre der Serie bei. Schade ist es nur, dass sich Paramount Home Entertainment nicht darum bemüht hat, Extras und Hintergrundinformationen zur Serie auf die Blu-ray zu packen. Das hätte “Deadwood” mehr als verdient gehabt.

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