"Der Gott des Gemetzels" (FR, DE, PL 2011) Kritik – Bitterböses Dialogfeuerwerk mit Traumbesetzung

Nancy Cowen: Ich finde es gut, dass unser Sohn Ihrem Sohn in die Schnauze gehauen hat und ich wisch mir den Arsch mit ihren Menschenrechten!

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2006 wurde das Stück „Der Gott des Gemetzels“ der französischen Schriftstellerin Yasmina Reza am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt und avancierte innerhalb kürzester Zeit zu einem modernen Klassiker. Nun hat sich Regisseur Roman Polanski („Der Ghostwriter“) dieser Gesellschaftssatire angenommen und bereits der erste Trailer machte klar, dass der Film seiner Vorlage im bitterbösen Witz in nichts nachstehen wird. Kein Wunder, schließlich erarbeitete Polanski gemeinsam mit der „Der Gott des Gemetzels“-Autorin Yasmina Reza das Drehbuch, das man als eine leicht aufgefrischte Version des Theaterstücks sehen kann. Auch der hervorragende Cast verpasste der Vorfreude keinen Dämpfer, wurden doch Jodie Foster („Die Fremde in Dir“), Kate Winslet („Der Vorleser“), Christoph Waltz („Inglorious Basterds“) und John C. Reilly („Die Stiefbrüder“) für das bissige Dialogfeuerwerk verpflichtet. Leider lassen Lorbeeren vor Kinostart die Erwartungen oftmals in Höhen schießen, denen das Endprodukt in keinster Weise gerecht werden kann, im Falle von Polanskis neustem Regiestreich jedoch, waren die Vorschuss-Lorbeeren mehr als berechtigt, denn mit „Der Gott des Gemetzels“ hat der Ausnahmeregisseur einen der intelligentesten, bösesten und unterhaltsamsten Filme des Kinojahres 2011 geschaffen.

Eine Meinungsverschiedenheit endet für zwei Elfjährige in einer Keilerei, bei der einer dem anderen mit einem Stock zwei Zähne ausschlägt. Wenig später treffen sich die Eltern des Stockschwingers, Alan (Christoph Waltz) und Nancy Cowen (Kate Winslet), mit den Eltern des Opfers, Michael (John C. Reilly) und Penelope Longstreet (Jodie Foster), um gemeinsam den Tathergang festzuhalten und das Problem schnellstmöglich zu lösen. Man bedauert die Umstände, unter denen man sich kennenlernen musste, und kommt schnell zu einer Einigung, die scheinbar beide Seiten zufriedenstellt. Als alles bereits geregelt scheint, lassen sich die Cowens noch zu einem Friedens-Kaffee überreden. Schlimmer Fehler, denn jetzt nimmt das Unheil seinen Lauf. Nach und nach fallen die Gutmenschmasken und die zivilisierten Großstädter zeigen ihr wahres Gesicht.

Es ist nur schwer zu leugnen: Manchmal wünscht man sich doch, seinem Gegenüber richtig die Faust ins Gesicht zu drücken, gesellschaftlicher Anstandskodex hin oder her, denn manchmal löst ein simpler Fausthieb oder ein zünftiger Wutanfall das, was sich auch nach stundenlangen Diskussionen nicht lösen ließe. Schließlich sind solche Gefühlsausbrüche eine grundehrliche und tief verankerte Form seine Meinung klar und vor allem unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen – Kinder wissen das, Erwachsene nicht mehr. So auch die vier Hauptfiguren in „Der Gott des Gemetzels“, denn statt ihrem Unmut Luft zu machen und sich richtig schön die Meinung zu geigen, machen diese Großstädter gute Miene zum bösen Spiel. Mit zunehmender Zeit und steigendem Alkoholpegel beginnen die Moral-Masken aber zu bröckeln und letztendlich ist jeder der zivilisierten und gebildeten Menschen als das enttarnt, was er nun mal ist: Ein egoistisches Arschloch.

Hier werden Fronten aufgebaut, verlagert, aufgegeben und das im Minutentakt. Deckt man zu Beginn des Streitgesprächs seinem Partner noch uneingeschränkt den Rücken, ist dies nach einem Glas Whisky plötzlich gar nicht mehr sicher. Hier kämpft nicht nur Pärchen gegen Pärchen, es ist ein Kampf der Geschlechter und ein Kampf der moralischen Wertevorstellungen. Polanski erschafft durch diesen ständigen Wechsel der Konfliktpartner und Themenschwerpunkte eine rasant pointierte und bitterböse Dialogachterbahn, die dem Zuschauer während der kurzen, aber genau richtig bemessenen Spielzeit von 79 Minuten kaum Möglichkeiten zum Verschnaufen gibt.

Natürlich ist ein gutes Drehbuch nur die halbe Miete. Dass der Film zu einem abgerundeten Gesamtwerk wird, ist der großartigen Schauspielleistung der vier Hauptdarsteller zu verdanken. Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz und John C. Reilly bilden ein perfektes Vierergespann, bei dem schauspielerisch keiner dem anderen in irgendeiner Weise nachsteht. Jeder von ihnen teilt kräftig aus, und muss ordentlich einstecken. Glücklicherweise gesteht Polanski jedem seiner Stars seinen großen Moment zu, den jeder der Akteure auch dankend anzunehmen weiß. Sind es am Anfang noch Christoph Waltz, als zynischer Staranwalt, dessen permanente Telefonate das Elterngespräch von der ersten Sekunde an unterbrechen, und Jodie Foster, als moralisch gefestigte Weltverbesserin, die ihrem Gast immer wieder Paroli bietet, die im Vordergrund stehen, haben Kate Winslet und John C. Reilly im Mittelpunkt ihre großen Momente. Beide können brillant aufspielen, wenn sie ihrem dominanten Partner endlich einmal die Stirn bieten. Besonders der eher aus Klamauk-Komödien bekannte John C. Reilly macht eine wunderbare Figur als gezähmter Macho, der von dem nervigen Weltverbesserungsgedöns seiner Frau so richtig die Nase voll hat. Bleibt zu hoffen, dass Reilly in Zukunft wieder öfter in Filmen dieses Kalibers zu sehen sein wird.

Fazit: Großartiges Drehbuch, großartige Besetzung, Polanskis Adaption des Theaterstücks „Der Gott des Gemetzels“ ist ein Feuerwerk der intelligenten Unterhaltung.

Bewertung: 9/10 Sternen

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