“Harry Potter und der Stein der Weisen” (USA/GB 2001)
It does not do to dwell on dreams and forget to live, remember that.
Und wahrscheinlich ein letztes Mal zurück an die Startlinie. Alles auf Anfang. Wenn ich noch einmal die Chance hätte, Harry Potter und der Stein der Weisen durch die unschuldigen Augen des überwältigten 9 Jährigen zu sehen, ich würde die Chance sofort ergreifen und mich wie im Jahre 2001 mit Sicherheit durchgehend verzaubern lassen. Heute sieht das alles natürlich ganz anders aus. Die kleineren Schwächen fallen schnell auf und leiten wieder ganz andere, schwerwiegendere Makel ein. Dabei muss man jedoch vorher erst einmal Regisseur Chris Columbus (Kevin Allein zu Haus) für seine Romanadaption in Schutz nehmen: Dass er mit seiner gut 150 minütigen Adaption nicht die Komplexität und Detailvielfalt der literarischen Vorlage einfangen kann, sollte vor dem Sehen bereits bewusst sein. Das Problem von Harry Potter und der Stein der Weisen liegt aber an der gleichen Stelle begraben. Drehbuchautor Steven Kloves, der tatkräftig von Joanne K. Rowling unterstützt wurde, ist auf signifikante Kürzungen angewiesen gewesen. Die Handlung um den bekanntesten Zauberschüler der Welt wirkt nicht selten etwas abrupt erzählt, der Facettenreichtum der Hauptfiguren wurde mit dem konventionellen Bügeleisen bearbeitet und jede charakterliche Unstimmigkeit, die vielleicht für einen etwas Ambivalenz gesorgt hätte, ausradiert und verworfen.
Was bleibt sind durchweg glatte Charaktere, kindgerecht und familientauglich zusammengepresst und eine Inszenierung, die sich zeitweilen als erschreckend abwechslungsarm und lasch betiteln lassen muss. Daniel Radcliffe, Rupert Grint und Emma Watson geben sich zwar redlich Mühe ihre großen Vorbilder mit der sympathischen Würze zu verkörpern, doch die schauspielerische Unerfahrenheit macht sich an vielen Ecken und Enden bemerkbar, wie sollte es auch anders sein, bei einer derartigen Großproduktion, gerade auch in den Momenten, wenn die Kinderlein es mit Darstellern wie Alan Rickman, Richard Harris und Maggie Smith zu tun bekommen, die in jeder Augenbraue mehr Ausstrahlung haben, als unsere drei Helden zusammen. Aber Harry Potter und der Stein der Weisen hat auch seine guten Seiten. Da wäre die wunderbare Ausstattung, gerade die Kulisse der Zauberschule Hogwarts ist eine Augenweide, genau wie der düstere und von Nebelschwaden durchzogene Wald, in dem es wohl zum visuell besten Filmaugenblick kommt. Dazu dann auch John Williams meisterhafter Score, der nach wie vor die größte Magie versprühen kann und den Zuschauer geradewegs in das perfekte Feeling versetzt, auch wenn der erste Teil diesem Anspruch nicht gerecht wird.
“Harry Potter und die Kammer des Schreckens” (USA/GB 2002)
Voldemort is my past, present, and future.
Harry Potter und der Stein der Weisen mauserte sich problemlos zu einem der kommerziell erfolgreichsten Filme aller Zeiten (knappe 975.000.000 Dollar spülte er weltweit in die Kassen) und die Vorfreude auf den Nachfolger konnte sich in den strahlenden Kinderaugen zu keiner Sekunde verstecken. Dass Harry Potter und die Kammer des Schreckens in der großartigen Romanvorlage eine viel düstere Grundstimmung verliehen bekam, macht sich in der filmischen Umsetzung leider erst viel zu spät bemerkbar. Wieder durfte Familienkinospezialist Chris Columbus auf dem Regiestuhl Platz nehmen, hatte nun aber nicht mehr den Vorteil, dass er die goldenen Grundsteine für etwas Großes legen durfte und sich dabei auf die Erklärungen der Charaktere wie Handlungsstrukturen stürzen konnte, sondern er musste seine Geschichte weitererzählen, der Reiz des Unbekanntem ist ein stückweit verflossen, der Zuschauer wusste, in welche Welt es ihn ziehen wird und welche Möglichkeiten man dort ausschöpfen könnte. Das Ergebnis ist ein ähnliches wie im Vorjahr, nur mit dem angesprochenen Nachteil, dass sich der Betrachter bereits einmal ins Potter-Universum eingetaucht ist.
Es gibt in Harry Potter und die Kammer des Schreckens erschreckend viele Szenen, die nicht nur in ihrer Inszenierung zusammenhangslos erscheinen, sondern auch vollkommen abgeharkt wirken, Hauptsache sie wurden irgendwie in den Film eingebaut und der Zuschauer kann sich an der magischen Grenzenlosigkeit ergötzen, ob es nun in den narrativen Handlungsverlauf passt oder nicht ist nebensächlich. Und auch wenn es hier zeitweilen eine Spur finsterer zur Sache geht und die kleinen Zuschauer leicht verschreckt in die Sitze rutschen durften, ist auch der zweite Teil viel zu poliert und hat keinerlei Ecken oder Kanten zu bieten. Die sprunghafte Inszenierung ist das Stichwort allen Übels und Rupert Grint als Ron geht immer wieder gehörig auf den Senkel. Die Vorteile liegen nach wie vor in den Schauwerten und der wahre Held ist ebenfalls immer noch John Williams, wenngleich ein gutgelaunter Kenneth Branagh als Gilderoy Lockhart durchaus für etwas Spritzigkeit sorgt. Schlussendlich bleibt zu sagen: Harry Potter und die Kammer des Schreckens ist als Romanverfilmung eine Katastrophe, was aber abzusehen war, doch auch wenn man sich von der Vorlage loslässt, bleibt nur ein enttäuschendes und unstetes Fantasy-Abenteuer.
“Harry Potter und der Gefangene von Askaban” (USA/GB 2004)
Finally, the flesh reflects the madness within.
2004 war seine Zeit dann schließlich abgelaufen und Regisseur Chris Columbus musste seine Sachen packen und den Staffelstab nach seinen doch enttäuschenden Harry Potter und der Stein der Weisen und Harry Potter und die Kammer des Schreckens an einen äußerst interessanten Filmemacher übergeben: Alfonso Cuarón. Dem Mexikaner, der im Jahre 2006 seinen großen Streich Children of Men auf die Welt losließ, wurde nun die Ehre zuteil, den dritten Teil der Harry Potter-Saga umzusetzen und vielleicht endlich in die richtige Spur zu finden. Und eines kann man vorweg sagen: Harry Potter und der Gefangene von Askaban ist nicht nur eine minimale Verbesserung zu den beiden schlappen Vorgängern, sondern richtig gute Fantasy-Unterhaltung, die den Kassenboom von rund 800 Millionen Dollar weltweit wirklich verdient hat. Dabei könnten die Hardcore-Fans der erfolgreichen Buchreihe an Steven Kloves Drehbuch jede Menge herummäkeln, denn genau wie bei den beiden Vorgängern musste der Stoff rapide gekürzt werden, Handlungsabschnitte umgeschrieben und vollkommen neue Abläufe wurden hineingeschrieben, mit dem kleinen Unterschied, dass Cuaróns schlussendliche Umsetzung nicht wie eine halbgare und schludrige Abwanderung der einzelnen Momente wirkt, sondern die Quiddität, die Substanz der Vorlage einfängt und wunderbar entfalten kann.
Allgemein schlägt Harry Potter und der Gefangene von Askaban einen vollkommen neuen Ton an. Die Grundstimmung ist geprägt von der auflauernden Gefahr, die Charaktere sind keine naiven und zuweilen nervige Dreikäsehochs mehr und das Coming-Of-Age-Segment wird mit dem nötigen Feinsinn angesprochen, ohne sich aber in irgendeiner Form in den Vordergrund zu drängen, vielmehr sind es die ruhigen, leicht melancholischen Augenblicke, die die eigentliche Tiefe der Figuren immer wieder zum Vorschein bringen, aber natürlich nicht die Bandbreite des Romans erreichen kann. In Harry Potter und der Gefangene von Askaban geht es in erster Linie um die Frage nach Wahrheit, um die wahre Identität von Sirius Black und um die Bedeutung der eigenen Realität. Symbolisch lässt Cuarón die Kamera immer wieder auf verschiedenste Uhren und Zeitanzeigen richten, um zum einen den philosophischen Wert vom Hier und Jetzt darzustellen und auf der anderen Seite die Spannung in der Zwischenwelt weiter anzuziehen. Auch visuell ist Harry Potter und der Gefangene von Askaban ein Hochgenuss, die Sets und Kulissen wurden vorteilhaft verändert, die CGI-Effekte sind wunderbar anzusehen und John Williams leistet, wie immer, ganze Arbeit. Mit dem charismatischen David Thewlis und dem grandiosen Gary Oldman gesellen sich dazu zwei neue Größen in den vielseitigen Cast und machen die dritte Adaption des weltberühmten Zauberer-Abenteuers zu einem düsteren wie gefühlvollen Highlight.