Kritik: “House of the Dragon” Staffel 2 (2024)

Eine Gastkritik von Michael Gasch

House of the Dragon Staffel 2 2024

I did not think they would be so eager to die.

Endlich wieder Westeros, endlich wieder Lug, Trug, Intrigen und inmitten alldem: Die prächtigsten Schauwerte, die man sich nur wünschen kann. Ab dem 17. Juni 2024 geht House of the Dragon in die zweite Runde… wir durften vorab einen Blick in die ersten vier Folgen hineinwerfen und schauen, wie es mit dem Kampf um Macht im Haus Targaryen weitergeht. Aber auch generell stellten wir uns die Frage: Was macht House of the Dragon eigentlich so herausragend?

Darum geht’s: Viele Jahre regierte König Viserys Targaryen auf dem Eisernen Thron. Da er mit keinem Sohn beschenkt wurde, ernannte er seine erstgeborene Tochter Rhaenyra zur Thronerbin. Nach seinem Ableben spaltet sich das Haus. Auf der einen Seite stehen die Grünen: Alicent Hohenturm, die mit Viserys Söhne zeugte, die nun den Anspruch auf den Thron geltend machen. Auf der anderen Seite: Besagte Tochter Rhaenyra, die eigentlich das Erbe antreten soll, doch vielen wäre das ein Dorn im Auge. Dass sie sich in „bester“ Gesellschaft befindet (Onkel/Liebhaber Daemon und diverse Verwandte) trägt alles andere als zur Beruhigung bei. Nachdem am Ende der ersten Staffel ein Sohn Rhaenyras getötet wurde, verhärten sich die Fronten. Ein Krieg der Egos und Drachen steht unmittelbar bevor.

Nachdem Staffel 1 von zahlreichen Zeitsprüngen geprägt war, setzt Staffel 2 unmittelbar nach den Ereignissen der letzten Folge ein. Es gibt jetzt viel zu erzählen und zu zeigen, was in altbekannter, hoch elaborierter Weise geschieht. House of the Dragon erinnert uns damit sofort an seine Stärken: Die etablierten Figuren sind alles andere als dramatische Stereotypen, sondern besitzen bereits jetzt eine beeindruckende Charaktertiefe, die ständige Wechsel zwischen Sympathie und Antipathie ermöglicht. Ganz im Geiste von G.R.R. Martin durchzieht auch Staffel 2 eine ungeheure Dynamik, und nicht selten werden die Karten neu gemischt – besonders nach jedem weiteren Mord.

Stets fällt es schwer, sich für eine der beiden Seiten zu entscheiden, was auch daran liegt, dass interne Zerwürfnisse für wenig Kohärenz innerhalb der Gruppierungen sorgen. Ein heruntergebrochener Konflikt zwischen den beiden Thronerben wäre House of the Dragen vermutlich nicht einmal ansatzweise gerecht geworden, stattdessen gibt es allerlei Figuren, die mal eine bessere, mal eine schlechtere Position auf dem symbolischen Schachbrett genießen. Alle Spielsteine haben dabei genug Platz, um sich zu bewegen, wodurch sich eine interessante Lesung des Stoffs ergibt. Durch die akribische Platzierung aller Elemente kann sich die Handlung zu ihrer vollen Größe entfalten – und das gilt nicht nur für die Figuren.

House of the Dragon Staffel 2 Matt Smith

Alles befindet sich an Ort und Stelle, angefangen von den eindrucksvollen Sets und der generellen Ausstattung bis hin zur fließenden und dynamischen Narrative. Unterschwellig macht sich die grandiose Serie dabei einen Trick zunutze: Sie ist nicht nur auf den unmittelbaren Augenblick bedacht, sondern auch auf das, was folgen wird. Vereinzelte Elemente wie beispielsweise Schiffe, die bis dato noch nicht wirklich erzählerisch relevant waren, oder ein hinzugefügter Fokus auf Figuren, die bisher nur im Hintergrund zu sehen waren, sind dafür nur zwei Beispiele. Machen wir es uns jedoch nicht zu einfach und tun dies als stumpfes Foreshadowing ab, dafür ist House of the Dragon dann doch viel zu unberechenbar.

Auch Fans von Game of Thrones kommen mit der zweiten Staffel auf ihre Kosten, da ein Abstecher nach Winterfell und zur großen Mauer auch mit drin ist. Das birgt nicht nur nostalgische Momente, sondern auch einen holistischen Blick auf diese Welt. In Hinblick auf die nächsten Staffeln kann sich das bestimmt sehen lassen, wenn beide Serien sukzessiv verschmelzen und das Worldbuilding immer weiter ausgelotet wird. In Kombination mit grandiosen Schauwerten und elaborierten Charakteren, die es einem alles andere als einfach machen, sich für eine Seite zu entscheiden, zieht auch Staffel 2 erneut in den Bann. Insbesondere in Folge 4, die sich direkt einen Platz in der Liste der ganz großen Folgen der beiden Serien sichert

Letztlich sind es aber besonders die psychologischen Komponenten, die House of the Dragon so fesselnd machen. Ein Fachbegriff drängt sich hier auf: Psychologische Reaktanz, also der Drang, eingeschränkte oder verlorene Freiheiten zurückzugewinnen, trifft auf mehrere Figuren zu. Es bedarf kaum der Erwähnung, dass beide Seiten Regeln und Gesetze nach Belieben so zurechtbiegen, wie es ihnen beliebt, und somit die Konflikte immer weiter potenziert werden. Die zweite Staffel knüpft präzise an die erste an, indem sie diese Dynamik fortführt. Und somit lässt sich zusammenfassend sagen: Menschliche Komplexität ist in der unberechenbaren Welt von Westeros gleichermaßen wichtig wie die kriegerischen Auseinandersetzungen sowie die Drachenbegegnungen, die ihresgleichen suchen.

House of the Dragon Staffel 2 startet am 17. Juni 2024 exklusiv bei WOW (wöchentlich eine neue Folge).

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