Eine Gastkritik von Marc Trappendreher
“Deliver her from evil.”
Der Horrorfilm hat mit dem Nunsploitation-Film eine Ausprägung gefunden, die es ermöglicht, sowohl das affektierende Moment des Ekels und der Schauer als auch Oberflächenreize des Horrorfilms wirksam mit einer mal mehr mal weniger harschen Religionskritik auf verstörende Weise zu verbinden. Gerade in Italien, wo der katholische Glaube in Europa sehr stark ausgeprägt ist, erlebte der Nunsploitation-Film in den Siebzigerjahren eine Konjunkturphase. Das zentrale Konfliktfeld dieser Geschichten – die religiöse oder sexuelle Natur, z.B. religiöse oder sexuelle Unterdrückung durch das Leben im Zölibat – begrenzte sich aber nicht nur auf die Siebzigerjahre und das europäische Filmschaffen. Alles begann mit Filmen wie Jess Francos Die Nonnen von Clichy (1972). In den USA wurde die Themen mit Abel Ferraras Ms 45 (1981) behandelt, und in Australien mit Dominic Deacons Bad Habits (2009). Zuletzt widmete sich Paul Verhoeven dem Nunsploitation-Genre mit Benedetta (2021), wieder im Gewand des europäischen Mittelalters.
Der US-amerikanische Regisseur Michael Mohan reiht sich mit Immaculate sehr bewusst in diese Filmtradition ein, verortet sein Geschehen ebenso in Italien. Immaculate erzählt von der jungen amerikanischen Novizin Cecilia (Sydney Sweeney), die in ein abgelegenes Kloster geschickt wird, um sich um pflegebedürftige Schwestern zu kümmern. Doch als die dem Zölibat verpflichtete junge Frau plötzlich schwanger wird, wird sie im Kloster kultisch verehrt. Nach und nach kommt Cecilia den wahren Umständen dieser unbefleckten Zeugung näher und deckt dabei ein schauriges Geheimnis auf.
Michael Mohan versteht es zunächst gut, die für den Horrorfilm so bedeutsame Atmosphäre der unterschwelligen Bedrohung zu inszenieren. Dass da alles auf eine Katastrophe hinauslaufen muss, ist nach den ersten unscheinbaren und geradezu idyllischen Bildern dieses ruralen Klostergeländes offenkundig. Je mehr er sich indes auf sein Konfliktmoment aus christlichem Machtmissbrauch und Manipulation durch Glaube zubewegt, verliert er an Stringenz. Freilich stellt der Film den von Laura Mulvey definierten ‚male gaze‘ selbstreflexiv aus: Diese Cecilia ist das Objekt der männlichen Schaulust und des männlichen Begehrens.
Sie ist es, die angesehen wird: von den italienischen Polizeibeamten während ihrer Einreise, von Pater Sal Tedeschi (Alvaro Morte) und von Kardinal Franco Merola (Giorgio Colangeli) während des Zeremoniells. Indes ist da nicht immer ganz zu bestimmen, inwieweit Mohans Kamerablick sich dazu selbst in Distanz setzt. Mohans Film ist eine zwiespältige Mischung inhärent, weil der Film sich nicht recht entscheiden kann zwischen seiner Kritik an der patriarchalischen, christlichen Kirchenordnung, mit seinen chauvinistischen, männlichen Amtsträgern und den ihnen unterwürfigen Nonnen, sowie seinem nahezu lustvoll-erotischen Blick auf die Nonne als übersexualisierte Männerphantasie.
Die genüssliche Zurschaustellung der intensiven, affizierenden Folterszenen, die die Zerstörung des weiblichen Körpers sehr explizit inszenieren, scheint auch dieser ehemaligen Tendenz des italienischen Horrorkinos der Siebzigerjahre zu entspringen. Immaculate vereinnahmt diese Verbindungen zu früheren filmhistorischen Vorbildern, ohne dabei aber seinen entschieden zeitgenössischen Stellenwert untergraben zu wollen. Die Verführungsstrategie des Films bleibt unverändert, indem er sich selbst und seine neue Scream-Queen, Sydney Sweeney, als Star anpreist.
Capelight Pictures hat Immaculate in 4K für den Heimkinomarkt veröffentlicht, sodass die atmosphärische Formsprache des Films besonders zur Geltung kommt: Harsch wirken die Farb- und Schattenkontraste, diffus die spärlichen Kerzenlichter, die die visuell barocke Inszenierungsweise begleiten. Auch das beiliegende 24-seitige Booklet zeichnet mit zahlreichen Hintergrundinformationen die Entstehungsgeschichte des Films nach. Darüber hinaus ist Immaculate seit dem 25. Juli 2024 auch auf Blu-ray, DVD und als Video on Demand erhältlich.
Kinostart: 4. April 2004
Regie: Michael Mohan
Darsteller: u.a. mit Sydney Sweeney und Álvaro Morte
FSK-Freigabe: ab 18
Verleih Heimkino: Capelight Pictures
Laufzeit: 1 St. 29 Min.
★★☆☆☆☆☆☆