„Kick-Ass 2“ (USA 2013) Kritik – Aus großer Kraft folgt große Verantwortung

Autor: Jan Görner

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„You don’t have to be a bad-ass to be a superhero. You just have to be brave.”

Als 2010 „Kick-Ass“ in die Kinos kam, ließen sich Zuschauer in dem Glauben in die Sessel fallen, ihnen stünde eine leichtherzige Comic-Persiflage bevor. Allenfalls Kenner der Vorlage wussten, dass der Trailer zu Matthew Vaughns vogelwilder Tour de Force nah an der Kundentäuschung vorbeischrammte. Trotzdem spielte die 30 Mio. Dollar teure Indie-Produktion genug ein, um eine Fortsetzung zu rechtfertigen. Diesmal mit einem Major-Studio im Rücken liegt natürlich die Vermutung nahe, dass sich Jeff Wadlow („Cry Wolf“), der das Ruder von Matthew Vaughn (immer noch als ausführender Produzent mit von der Partie) übernommen hat, in Sachen Gewalt und Kraftausdrücke zurücknimmt, um eine noch breitere Zuschauerschicht anzusprechen. Doch „Kick-Ass 2“ bleibt dem Original überraschend treu.

Zwei Jahre sind vergangen seit sich die selbsternannten Superhelden Kick-Ass (Aaron Johnson) und Hit-Girl (Chloe Moretz) mit kompromissloser Härte und Tapferkeit unsterblich gemacht und eine neue Generation maskierter Verbrechensbekämpfer inspiriert haben. Angeführt von Ex-Mafiakiller Colonel Stars and Stripes (Jim Carrey) fordert die Superheldentruppe Justice Forever Nacht für Nacht lichtscheues Gesindel heraus. Auch Mafiasprössling Chris D’Amico (Christopher Mintz-Plasse) hat sein Kostüm als Red Mist an den Nagel gehängt. Er macht Kick-Ass für den Tod seines Vaters verantwortlich und schwört seinem einstigen Vorbild blutige Rache. In seiner neuen Identität als Superschurke The Mother Fucker baut er eine Armee auf, um Kick-Ass und seine Kameraden ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen.

Ähnlich wie „Fight Club“ seinerzeit zur Gründung ähnlicher Schlägerringe geführt haben soll, steht auch bei Filmen wie „Kick-Ass“ oder „Watchmen“ zu befürchten, dass manche Zuschauer den Kern der Aussage schlicht fehlinterpretieren und sich selbst auf Verbrecherjagd machen könnten. Jedoch glorifiziert „Kick-Ass 2“ Gewalt ebenso wenig wie sein Vorgänger. Vielmehr zeigt er die gefährlichen (und komischen) Konsequenzen von Selbstjustiz. Auch wenn Comedy-Ass Jim Carrey das bei seiner medienwirksamen Kritik an der Gewaltdarstellung offenbar entgangen ist. Dies liegt darin begründet, dass „Kick-Ass“ die gleiche kindliche Ermächtigungsfantasie zugrunde liegt, die auch bei „Superman“ funktioniert. Mit dem Unterschied, dass sie mitunter konsequent zu Ende gedacht wird. Das können Blutfontänen und Kraftausdrücke nicht übertünchen. Diese Filme spielen nicht in ihrer eigenen Welt, ihre Logik unterscheidet sich nicht von der unseren.

Wie sein Vorgänger Vaughn inszeniert Wadlow seine Helden gerne mit allerhand Pathos. Wenn dann auch noch der wieder irrsinnig gute Soundtrack loslegt, kann es durchaus sein, dass sich der ein oder andere Zuschauer vielleicht wünscht, Teil des Geschehens zu sein. Sei es nun, um mit starrsinnigem Mut drei Schlägern entgegenzutreten oder als Bösewicht ein Polizeiauto in die Luft zu jagen. Dennoch wird es vermutlich eher beim euphorischen Fist-Pumping bleiben. Und tatsächlich wird der in „Kick-Ass 2“ konkret angesprochene Widerspruch, dass Mindys Vater (Nicolas Cage) seine Tochter einer normalen Kindheit beraubt hat, nie aufgelöst. Sicher, Mindy ist ein liebenswertes und toughes Großmaul, das auf sich selber aufpassen kann. Aber sie ist eben auch eine Mörderin.

Insofern ist „Kick-Ass 2“ eine narrativ überaus konsequente Fortsetzung, die sich wirklich für ihre Figuren interessiert. Der Regie von Jeff Wadlow gelingt es dabei sogar in Sachen Stil die Linie besser zu halten, als sein Vorgänger. Denn den Wildwuchs an Referenzen und Schwankungen im Ton, die Matthew Vaughns Arbeit bisweilen etwas eklektisch erscheinen ließ (man denke nur an den überaus coolen, aber in weiten Teilen zusammengeklaubten Soundtrack), kann Wadlow souverän zu einem eigenständigen Filmerlebnis zusammenfügen. „Kick-Ass 2“ wirkt bisweilen mehr wie aus einem Guss als sein Vorgänger. Dabei schießt der Regisseur auch schon mal über das Ziel hinaus. Denn wie genau Brechdurchfall in einer vollbesetzten Schulcafeteria aussieht, hätte man ruhig der Fantasie überlassen können. Aber das ist wohl eh Geschmackssache.

War „Kick-Ass“ in weiten Teilen bereits eine Coming-of-Age-Komödie, geht es auch in der Fortsetzung um Identitätsfindung. Denn so kurzweilig der Mummenschanz auch sein mag, für die Figuren hat er auch stets etwas Sinnstiftendes. Da ist der gelangweilte Werbetexter (Donald Faison), zu dessen Ausrüstung ein gewaltiges silbernes Phallussymbol gehört; dann der wiedergeborene Christ auf der Suche nach Absolution; und schließlich das Duo „Remembering Thommy“, das lediglich versucht, den Verlust ihres Sohnes zu kompensieren. Wenn Wadlow ein Problem hat, dann dass die Geschichte von „Kick-Ass 2“ so viele interessante Nebenstränge liefert, dass viele davon nur angerissen werden können. Und doch wird durch lebendige Figuren auch in der zweiten Reihe eine Realität geschaffen, die dicht und bunt ist. Charaktere wie Jim Carreys Colonel Stars and Stripes hätten mehr Aufmerksamkeit (oder vielleicht sogar einen eigenen Film) verdient. Dennoch wird dessen Bogen zu einem schlüssigen Ende geführt.

Fazit: Jeff Wadlow liefert mit „Kick-Ass 2“ eine konsequente Fortführung der Geschichte um den sympathischen Möchtegernhelden. Dabei bleibt auch das Sequel eine rabiate Steißgeburt, die mit Sicherheit nicht jedem gefallen wird. Wer aber bereits das Original mochte, bei dem wird auch „Kick-Ass 2“ genau den richtigen Ton treffen.

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