Kritik: Legend (GB 2015)

© Studiocanal
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Me and my brother, we’re gonna rule London!

Dekadenz, Gewalt, Respekt. Es scheint so, als wären genau dies die Grundpfeiler, auf denen die Existenz der legendären Kray-Zwillinge errichtet wurde. Reggie und Ronnie Kray gehören wohl zu bekanntesten Gesichtern, die das organisierte Verbrechen seit jeher hervorgebracht hat. Die Besonderheit: Sie sind eineiige Zwillinge; Reggie ist ein Ebenbild von Ronnie und andersherum. Doch nicht nur die äußerliche Gleichheit einte die Brüder, es war auch das krampfhafte Verlangen, London Hand in Hand hoheitlich regieren zu wollen. Dieser schroffe Gangster-Stoff, den das Leben mehr oder weniger geschrieben hat, eignet sich natürlich immer noch einwandfrei, um ihn für die großen Leinwände aufzubereiten: Da darf man unentwegt maskuline Posen und die Faszination des Bösen bestaunen, um durch die in dieser Halbwelt allgegenwärtige Gewalt immer wieder in Abscheu demgegenüber zu geraten. Der Gangster-Film parallelisiert Verbrecher und Heroen in der Regel nicht, er fusioniert sie vielmehr und führt sie auf einen effektiven typologischen Nenner – Den Anti-Helden.

„Legend“ von Brian Helgeland (Drehbuchautor von „Mystic River“) nimmt sich nun den Kray-Brüdern an und erzählt genau von diesem Kosmos, in dem sie ihre delinquenten Machenschaften anfangs äußerst rentabel ausgelebt haben. Die Könige von East End waren allseits gefürchtet, ihr Einfluss innerhalb der Metropole beachtlich, ihre Konkurrenz wurde einfach aus dem Weg geräumt. Wenn die Krays Politiker geschmiert haben, blieben ihnen die Polizisten vom Hals, was ihnen wiederrum die Chance gab, ihr Imperium immer weiter auszubauen. Seinen Interessenschwerpunkt destilliert „Legend“ daraus, dass er seine Crime-Saga an einer elementaren Frage abarbeitet: Ist Blut zwangsläufig dicker als Wasser? Während sich Reggie (Tom Hardy) oberflächlich als etwas besonneneres Gemüt zu erkennen gibt, der ebenso darauf erpicht ist, seine Beziehung zu Frances (Emily Browning) aufrechtzuerhalten, ist sein seit Kindertagen eifersüchtiger Bruder Ronnie (Tom Hardy) ein schnaubender Geisteskranker, dem ein psychologischen Gutachten während eines Aufenthalts in der Nervenheilanstalt bereits eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert hat.

Dass diese Beziehungskonstellation reichlich unter Strom steht, erklärt sich von allein. „Legend“ ist allerdings zu keiner Zeit in der Verfassung, seine zwischenmenschlichen Gefühlsknoten adäquat zu behandeln und flüchtet sich über beinahe endlose erscheinende 120 Minuten in trübe Genre-Klischees, die man schon im kürzlich erschienenen „Black Mass“ mit Johnny Depp voller Gleichgültigkeit über sich ergehen lassen musste: Vom händeringenden Versuch, dem halbseidenen Gewerbe zu entfliehen, bis zu der Erkenntnis, dass man den schwarzen Fängen dieser Parallelgesellschaft nicht entkommen kann, weil das Damoklesschwert mafiöser Macht über jedem Handgriff schwebt, schabloniert „Legend“ in seiner pulpigen Ausstaffierung die großen Vorbilder ohne falsche Scham, vergisst dabei aber vollständig, eigene Akzente zu setzen. Eine Rechtfertigung, sich „Legend“ anzuschauen, ist, neben dem stimmigen Zeit- und Lokalkolorit, selbstredend Tom Hardys erwartungsgemäß ordentliche Doppelperformance, der sich wieder mit seiner berauschenden Präsenz und dem gottgegebenen Charisma ins Zeug wirft. Schade nur, dass er sich in diesem Fall an derart verdrießliche Dutzendware verschwendet.

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