Eine Gastkritik von Jan Benz
This dream you’re chasing… where you end up at the top of the mountain… it’s the one you never wake up from.
Mit seinen ersten beiden Horrorfilmen hat sich der eigentlich als Comedian bekannte Jordan Peele schon zu einer eigenen Marke entwickelt. Nach seinem gefeierten Regiedebüt Get Out, wofür Jordan Peele 2018 den Oscar für das beste Originaldrehbuch gewann, und dem etwas umstritteneren Nachfolger Us war das Marketing zu seinem neuen Streich Nope ganz bewusst auf den Namen des Mannes hinter der Kamera ausgelegt. Und so konnte es sich die Marketingabteilung von Universal auch erlauben Trailer zu veröffentlichen, die rein gar nichts über die Handlung verrieten. Zwar waren einige der Meinung, nach dem zweiten Trailer bereits den ganzen Film zu kennen, das stellt sich jedoch als falsch heraus. Stattdessen ist Nope, für den Jordan Peele erneut mit Oscar-Preisträger Daniel Kaluuya (Judas and the Black Messiah) in der Hauptrolle zusammenarbeitet, ein geheimnisvoller Horror-Thriller geworden, der gerade auf der großen Leinwand eine beeindruckende Wucht entwickelt.
Die Story von Nope dreht sich um die beiden Ranch-Besitzer James (Daniel Kaluuya) und Jill (Keke Palmer), die mit mäßigem Erfolg Pferde für den Einsatz bei Dreharbeiten in Hollywood trainieren. Als sie eines Nachts auf einige unerklärliche Phänomene am Himmel stoßen, wittern die beiden die Chance, mit einem Beweis für die Phänomene endlich das große Geld zu machen.
Himmelsphänomene? UFOs? Außerirdische Lebensformen? Die allgemeine Richtung, die der Horrorfilm einschlagen würde, war im Vorfeld einigermaßen klar. Was jedoch wirklich vor sich geht, bleibt bis kurz vor Filmende spannend. Entsprechend werde ich es auch dabei belassen, denn über die geheimnisvolle Handlung von Nope solltet ihr so wenig wie möglich wissen. Nur so viel: Der Film beginnt mit einer kryptischen Eröffnungsszene mit einem blutverschmierten Affen bei den Dreharbeiten einer Sitcom. Ein Einstieg, der lange Zeit wie ein Fremdkörper im fast westernhaften Film wirkt, doch wer Jordan Peele kennt, weiß, dass solche Szenen mehr sind als nur eine selbstreferenzielle Absurdität – so hat der eingeblendete Name von Peeles Produktionsfirma „Monkeypaw“ nichts mit der Szene zu tun. Zwischen den Zeilen nimmt die Geschichte des Sitcom-Affen hingegen eine gewichtige Rolle ein und wirft direkt zu Beginn viele Fragen auf. Der Weg zu des Rätsels Lösung ist dadurch von Anfang bis Ende interessant und sorgt für eine Menge Spannung. Da schadet es auch nicht, dass Nope nicht so viel Subtext enthält wie seine beiden Vorgänger, sondern etwas geradliniger wirkt.
Interessant ist, dass sich Nope quasi in drei Phasen unterteilt. Nach dem kryptischen Einstieg wird der Film zunächst sehr ruhig und lässt sich ausgesprochen viel Zeit für seine Charaktereinführung. Wegen den etwas oberflächlichen Figuren und dem gemächlichen Erzähltempo vermutlich die schwächste Phase des Films, die zudem untypisch für einen Horrorfilm keinen wirklichen Spannungsaufbau betreibt. Umso plötzlicher kommt der Schwenk in die Horrorrichtung, die mit ihrem effektiven Grusel für einige hochgradig spannende Momente und Gänsehautszenen sorgt. Jordan Peele gelingt es dabei, in der besten Phase des Films für eine beeindruckende Anspannung zu sorgen. Dabei kommt Nope ohne explizite Gewaltszenen aus, stattdessen blendet Jordan Peele konsequent ab und lässt den Horror im Kopf des Zuschauers stattfinden, was dank der furchteinflößenden Soundeffekte auch wunderbar funktioniert. Die FSK-12-Freigabe kommt dennoch überraschend, denn für zwölfjährige Kids ist der Film (der auch mal Blut regnen lässt) meiner Meinung nach zu starker Tobak. Gleichzeitig spielt Jordan Peele in dieser Phase gekonnt mit einigen Horrorklischees und führt das Publikum ein ums andere Mal aufs Glatteis, setzt ein paar wenige, aber sehr effektive Jump-Scares ein und sorgt dafür, dass der Name des Films Programm ist. Das Wort “Nope” hört man in den 130 Minuten nämlich des Öfteren und wird vor allem dann clever eingesetzt, wenn sich die Figuren eben nicht wie typische Horrorklischees verhalten, sondern auch mal „Nope“ sagen und sich von der Gefahr wegbewegen oder einfach sitzen bleiben, statt in Richtung Verderben zu rennen.
Die letzte Phase umspannt wiederum die letzte halbe Stunde des Films, wenn die Bedrohung identifiziert ist. Dann wird Nope zu einem echten Spektakel und feuert ein überraschend actionreiches Finale ab. Für einen Horrorfilm befindet sich Jordan Peeles erst dritter Film dabei am oberen Ende des Budgetdurchschnitts, woran man erst merkt, wie beliebt die letzten Filme des Regisseurs eigentlich waren. Und spätestens dann zeigt sich auch, warum der Film ein absoluter Pflichttermin für einen Kinobesuch ist. Nope glänzt zum einen mit einer herausragenden Soundkulisse, die einem einen kalten Schauer über den Rücken jagt, zum anderen mit traumhaften Bildern von Christopher Nolans Stammkameramann Hoyte van Hoytema (Interstellar), der wunderbar mit der zum Himmel gerichteten Kamera spielt. Audiovisuell ist Nope ein absoluter Hochgenuss, der definitiv auf die große Leinwand gehört und zu Hause viel von seiner Intensität einbüßen wird. Letztlich ist der Film nämlich ein Erlebnis mit Gänsehautgarantie, der zumindest bei der Erstsichtung seine Wirkung nicht verfehlt. Eine Zweitsichtung dürfte, wie bei vielen Filmen dieser Art, aber eher schwierig werden. Wer die Gelegenheit hat, sollte Nope aber im Kino sehen, ich hatte einen solch effektiven Horror-Blockbuster jedenfalls nicht erwartet.
Dafür habe ich mir von den Darstellern etwas mehr erwartet, die jedoch Opfer ihrer, wie schon erwähnt, oberflächlich gezeichneten Figuren werden. Gerade Steven Yeun wirkt in seiner kleinen Nebenrolle ziemlich unterfordert. Daniel Kaluuyas Charakter ist derweil sehr schüchtern und schweigsam ausgelegt, im krassen Kontrast zu seiner energetischen jungen Schwester, gespielt von Keke Palmer, die aus dem Cast noch den besten Eindruck hinterlässt. Gerade bei ihrem Charakter zeigt sich auch der Humor, der im Film immer wieder durchscheint. Der Fokus von Nope liegt aber eindeutig auf der Story und Inszenierung und weniger bei den Schauspielern.
Fazit: Nope ist ein ziemliches Brett. Die geheimnisvolle Story um einige unerklärliche Himmelsphänomene sorgt von Anfang bis Ende für Spannung und wirft Fragen auf, die im Verlauf auch zufriedenstellend und kreativ beantwortet werden. Zumindest für all jene, die auch mal zwischen den Zeilen lesen können. Begeistert war ich zudem von der audiovisuellen Umsetzung, die dank der großartigen Kameraarbeit von Hoyte van Hoytema und einer herausragenden Soundkulisse definitiv auf die große Leinwand gehört. Spätestens ab der Halbzeit entwickelt sich Nope somit zu einem überraschend großen Spektakel mit zahlreichen Gänsehautmomenten und einigen hochspannenden Szenen. Einen reinen Horrorfilm dürft ihr jedoch nicht erwarten, denn der Film sorgt nur in der Mitte für Grusel und geht daher eher als Thriller mit Horrorelementen durch. Größter Kritikpunkt sind derweil die oberflächlichen Figuren und die lediglich soliden Leistungen der Darsteller, die Story und Inszenierung stehen klar im Vordergrund. Und so sortiert sich Nope zwischen Get Out und Wir ein, aber deutlich näher an Jordan Peeles Debütfilm. Ein spannendes und intensives Erlebnis, das gerade bei einer Erstsichtung im Kino seine Wirkung nicht verfehlt.
Hier geht es zum Trailer auf Youtube.
Nope startet am 11. August 2022 deutschlandweit im Kino. Ab dem 10. November 2022 ist der Film fürs Heimkino erhältlich.*
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