Kritik: Top Gun – Maverick (USA 2022)

Eine Gastkritik von Jan Benz

– gesehen im Rahmen des 75. Festival de Cannes (außerhalb des Wettbewerbs) –

Top-Gun-Maverick-2022-Tom-Cruise
© Paramount Pictures

The end is inevitable, Maverick. Your kind is headed for extinction.

“That was not going to happen ever. That was never going to happen.” Angesprochen auf einen möglichen Streaming-Start seines neuen Blockbusters Top Gun: Maverick, sprach sich Hollywoodstar Tom Cruise auf den Filmfestspielen in Cannes deutlich für das Kinoerlebnis aus. Trotz zahlreicher Verschiebungen des ursprünglich für 2019 (!) geplanten Films, stellt Cruise einen der wohl größten Verfechter des Kinos dar, was sein Auftritt in Cannes nur noch einmal untermauerte. 36 Jahre nach dem Original sorgte die heißerwartete Fortsetzung für jede Menge Furore. Unterlegt vom legendären Top Gun-Soundtrack „Danger Zone“ zogen Cruise und der Rest des Casts über den roten Teppich, während über ihnen die Kampfjets in Formation über die Croisette donnerten. Sein von stehenden Ovationen begleiteter Einzug in das Premierenkino sollte den „unvergesslichen Abend“ des Stars gebührend abschließen, immerhin überraschten die Filmfestspiele ihren größten Star bereits im Vorfeld der Premiere mit einem Honorary Award. Eine triumphale Rückkehr also, die den Rahmen für eine ebenso spektakuläre wie sehenswerte Fortsetzung gibt, die ihre Wirkung auf der großen Leinwand sicherlich nicht verfehlt.

Nach mehr als 30 Jahren im Dienst der Navy geht Captain Pete “Maverick” Mitchell (Tom Cruise) noch immer als Testpilot an seine Grenzen. Als sein guter Freund und Admiral Tom “Iceman” Kazansky (Val Kilmer) Maverick erneut zu „Top Gun“ abkommandiert, muss das Flieger-Ass einige junge Piloten um Gooses Sohn Rooster (Miles Teller) für eine fast unmögliche Mission trainieren.

Eine Gruppe von adrenalingesteuerten Draufgängern, die vor malerischen Sonnenuntergängen zu den Klängen von 80er-Hits wie „Danger Zone“ und „Take My Breath Away“ gefilmt werden, waren das Markenzeichen von Tony Scotts Kultfilm „Top Gun“ aus dem Jahr 1986. 36 Jahre später sieht die Top Gun-Welt noch genauso aus wie früher und die Fortsetzung wirkt so, als hätten Tom Cruise und Regisseur Joseph Kosinski (Tron: Legacy) einen 80er-Jahre-Film mit heutigen Möglichkeiten gedreht. Top Gun: Maverick pfeift folglich auf sämtliche progressive Ideen, von einer Frau im Fliegerteam mal abgesehen dienen, die weiblichen Charaktere höchstens als eindimensionales Love-Interest, und bietet lieber testosterongeschwängertes Macho-Kino inklusive dem gewohnten Militärpathos.

Ja, Top Gun: Maverick wirkt mitunter schon sehr aus der Zeit gefallen, was in Sachen Story auch zahlreiche Probleme mit sich bringt. Selten, und ich betone selten, habe ich einen Film gesehen, der dermaßen vorhersehbar daherkommt wie dieser. Wir haben mit Maverick einen Charakter, der auf gängige Regeln pfeift und damit bei seinen Vorgesetzten aneckt, nur um Ende dann doch den Tag zu retten. Wir haben im Team der jungen Kampfpiloten wieder den eingebildeten Bad Guy und den Underdog mit problematischer Vergangenheit, die am Ende trotzdem zusammenfinden. Und ich könnte noch ewig so weiter machen…

Top-Gun-Maverick-Jennifer-Connelly
© Paramount Pictures

Top Gun: Maverick versucht also gar nicht erst eine bessere Geschichte als sein Vorgänger zu erzählen, der aus heutiger Sicht etwas angestaubt daherkommt und durchaus einige Cringe-Momente bereithält. Leider ergeben sich daraus wieder einige unfreiwillig komische Momente und ein Storykonstrukt, das lange Zeit für keinerlei Spannung sorgen kann. Erst am Ende gelingt es Top Gun: Maverick dieses Ruder herumzureißen, indem Joseph Kosinski dem Publikum ein zwar ebenfalls völlig vorhersehbares, aber spektakuläres Finale serviert, bei dem wenigsten mal etwas auf dem Spiel steht. Eine starke letzte halbe Stunde, die den Film letzten Endes auf ein sehenswertes Niveau hievt.

Was hingegen richtig gut funktioniert, sind die gelungenen Charaktermomente und der Humor. Top Gun: Maverick ist kein Marvel-Film, der seine One-Liner im Minutentakt abfeuert, wenn witzige Elemente ihren Weg in den Film finden, zünden diese aber auch extrem zuverlässig. Entsprechend macht die Fortsetzung um einiges mehr Spaß als der Vorgänger, der sich etwas zu ernst genommen hat. Gleichzeitig verfehlt der Film aber auch seine emotionale Wirkung nicht. In bester Tradition der letzten Jahre schwingt auch Top Gun: Maverick gehörig mit der Nostalgiekeule, den Machern gelingt es aber ähnlich wie Ghostbusters: Legacy seinen Fanservice und die Nostalgie auf sympathische Art und Weise einzubauen. Gerade die Rückblicke um Mavericks verstorbenen Wingman Goose und die daraus resultierende Beziehung zu dessen Sohn Rooster bilden das emotionale Fundament des Films. Darüber hinaus bekommt Maverick eine Romanze mit der heillos unterforderten Jennifer Connelly (Requiem for a Dream) spendiert, die allerdings ganz nett geworden ist und die beiden einzigen Rückkehrer aus dem Original, Tom Cruise und der an Kehlkopfkrebs erkrankte Val Kilmer, teilen sich eine rührende Abschiedsszene. Die bekannten Darsteller um Jon Hamm (Mad Men) und Ed Harris (The Rock) bekommen dabei nicht viel mehr zu tun, außer grimmig in die Kamera zu starren, während bei den Neuzugängen Miles Teller (Whiplash) am ehesten überzeugen kann, allerdings auch die komplexeste Figur des Films spielen darf. Wer hingegen wieder eine gelungene Figur ist Tom Cruise, der sich als Sunnyboy durch den Film strahlen darf und seiner Leidenschaft der gefährlichen Stunts nachgeht.

Womit wir beim größten Verkaufsargument der Fortsetzung wären: Der handgemachten Action. Nach seinen legendären Stunts in der Mission: Impossible-Reihe setzen sich Tom Cruise und der Rest des Casts um Miles Teller ans Steuer echter F18-Kampfjets und sorgen damit für einige imposante Aufnahmen. Gerade die Cockpitaufnahmen vermitteln ein ungeheureres Mittendringefühl, was dank bombastischer Soundeffekte nur noch mal intensiviert wird. In seinen Jet-Sequenzen lässt Top Gun: Maverick definitiv seine Muskeln spielen und kreiert Bilder, die für die große Leinwand gemacht sind. Ob die Actionszenen tatsächlich weniger imposant gewesen wären, hätte man die Darsteller auf klassischem Wege vor einem Greenscreen abgedreht, sei aber mal dahingestellt. Auf das Risiko hin jetzt als Buhmann dazustehen: Anders als bei ein paar Szenen der M:I-Filme ist mir bei Top Gun: Maverick nie die Kinnlade runtergeklappt. Und ganz ohne CGI kamen die Macher natürlich auch nicht aus, gerade die Rauchschwaden der Torpedos fallen visuell dabei doch merklich ab. Aber sei’s drum: Am Ende ist die Action mehr als gelungen, zumal der fantastische Schnitt gerade das Finale zu einem echten Highlight macht. Und bevor einer der wichtigsten Aspekte des Originals untergeht. Auch der Soundtrack von Harold Faltermeyer und Hans Zimmer ist wieder gelungen, gleich zu Beginn schallt „Danger Zone“ aus den Lautsprechern und Lady Gaga liefert einen soliden Titelsong ab. Nicht auf einer Stufe mit dem Original, aber ein nostalgischer und gelungener Soundtrack. Wie der Rest des Films eben.

Fazit: Top Gun: Maverick ist im Prinzip der gleiche Film wie der Vorgänger aus dem Jahr 1986 und wirkt damit sehr aus der Zeit gefallen. Fans des Originals werden bei der nostalgischen Fortsetzung voll auf ihre Kosten kommen, alle anderen werden sich bei der völlig vorhersehbaren Handlung um eine Gruppe von testosterongeschwängerten Machos aber verwundert die Augen reiben. Nach den starken Kritiken hatte ich mir hier einfach mehr erwartet. Immerhin funktionieren die Humoreinlagen zuverlässig und der Film bietet einige emotionale Charaktermomente um Mavericks Geschichte mit Gooses Sohn Rooster und dem rührenden Wiedersehen zwischen Tom Cruise und dem krebskranken Val Kilmer. Das spektakuläre und stark inszenierte Finale von Regisseur Joseph Kosinski entschädigt dann auch für die spannungsarmen Trainingseinheiten zuvor und die handgemachte Action sorgt für ein gelungenes Mittendringefühl. Top Gun: Maverick ist mit seinen waghalsigen Stunts und bombastischen Soundeffekten definitiv ein Film für die große Leinwand und für Fans des Actionkinos der 80er-Jahre geworden.

Hier geht es zum Trailer auf Youtube.

Top Gun: Maverick startet am 26. Mai 2022 deutschlandweit in den Kinos. Ab dem 3. November 2022 ist der Film fürs Heimkino erhältlich.*

 

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