– Kritik erstmals zu lesen am 29. Juni 2024 –
In this business, until you’re known as a monster you’re not a star. (Bette Davis)
Die Schattenseiten Hollywoods haben schon immer die größten Regisseure fasziniert. Billy Wilders Boulevard der Dämmerung (1050), Robert Aldrichs Was geschah wirklich mit Baby Jane? (1962), David Lynchs Mulholland Drive (2001) und Damien Chazelles Babylon – Rausch der Ekstase (2022) beispielsweise werfen allesamt ihr ganz eigenes ungeschöntes Licht auf die “Traumafabrik”, um einmal Robert Lorenz’ Roman zu zitieren, der sich mit Filmen auseinandersetzt, welche die Dream Factory einer kritischen Betrachtung unterziehen. Während die ersten drei Filme längst als Klassiker gelten, braucht Chazelles oft missverstandenes Meisterwerk allerdings noch etwas Zeit, um diesen Status allgemein anerkannt zu bekommen. Aber das ist ein anderes Thema…
Nun tritt der aktuell begnadetste amerikanische Horrorfilmemacher Ti West (The House of the Devil) in die Fußstapfen dieser Regisseure. Mit MaXXXine präsentiert er uns den Abschluss seiner herausragenden Horrortrilogie – die mit dem bereits jetzt berüchtigten „Texas Pornhouse Massacre” X ihren sehenswerten Anfang nahm, gefolgt vom im Jahr 1918 spielenden Prequel Pearl, der ganz klar zu den herausragendsten Filmen von Ti West zählt. Zum dritten Mal kehrt Mia Goth vor die Kamera zurück. Nach ihrer traumatischen Erfahrung in X verkörpert sie erneut die Pornodarstellerin Maxine, die jetzt kurz vor ihrem Durchbruch in Hollywood steht. Die Handlung spielt im Jahr 1985, und Ti West erzählt erneut eine Geschichte, die meine Erwartungen ad absurdum geführt hat.
Denn meine Vermutungen, welche ich nach der Sichtung der Trailer hatte, wurden eher selten bestätigt. Beispielsweise bietet MaXXXine kaum schwer erträgliche Suspense-Szenen, obwohl Alfred Hitchcocks Motel aus Psycho prominent referenziert wird. MaXXXine ist vielmehr der humorvollste der drei Filme und erzählt eine satirische Geschichte über den Aufstieg einer Schauspielerin, die bereit ist, alle Hindernisse zu überwinden, damit ihr in Hollywood der Durchbruch gelingt. Weder der berühmt-berüchtigte Serienmörder Night-Stalker, der die Stadt in Angst und Schrecken versetzt und medial viel Aufmerksamkeit erhält, noch die Nachforschungen eines geheimnisvollen Privatdetektivs über ihre Vergangenheit sollen Maxine von ihrem Ziel abhalten.
Zwar scheut Ti West erneut keine blutigen Eskapaden, doch es gibt keine Szenen mit nervenzerreißendem Spannungsaufbau wie in seinen früheren Filmen. Sein Fokus liegt in MaXXXine auf anderen Aspekten – wie der Verarbeitung vergangener Traumata oder sich in einer feindlichen Umgebung durchzusetzen. Bereits in jungen Jahren betonte Maxine entschlossen: “Ich werde alles tun, was nötig ist.” Nun ist die Zeit gekommen, diese Worte in die Tat umzusetzen – auch wenn die Gefahr besteht, dabei selbst zum Monster zu werden.
Maxine hat sich über die letzten Jahre hinweg den nötigen X-Faktor sowie die entscheidende Kaltblütigkeit erarbeitet, um nun mit vollster Selbstüberzeugung und Tatendrang aus der Sexindustrie in die Welt der Massenunterhaltung aufzusteigen. Diese Hollywood-Selbstfindungs-Odyssee wird in betörenden Bildern erzählt, die einige der bekanntesten Schauplätze von Los Angeles auf unvergessliche Weise ins Rampenlicht rücken. Songs wie “Obsession” von Animotion untermalen das Geschehen immerzu passend.
Ti West hat mit seinen bisherigen Filmen eindrucksvoll bewiesen, wie meisterhaft er vergangene Jahrzehnte wieder zum Leben erwecken kann. Auch MaXXXine ist voller Referenzen, die glaubhaft in die Handlung integriert sind. Wahrscheinlich ist es der eleganteste 80er-Film, der nicht in den 80ern gedreht wurde – wie eine kleine, gemeine Schwester von Brian de Palmas Blow Out, William Friedkins Leben und Sterben in L.A. und Martin Scorseses After Hours. Mit Anspielungen auf politische Ereignisse, den italienischen Giallo, die VHS-Kassetten-Zeiten und Roman Polanskis Chinatown.
Das Finale von MaXXXine ist allerdings enttäuschend… wie der Schuss einer Feuerwerksrakete, der mit einem Funken statt mit einer Explosion endet… Hierzu werde ich natürlich an dieser Stelle keine weiteren Worte verlieren. Es ist aber schade, dass MaXXXine mich gerade in den letzten Minuten nicht so sehr vor Freude und Spannung in den Filmsessel gedrückt hat wie über die restliche Laufzeit hinweg. Denn dann hätten wir hiermit einen weiteren ernsthaften Anwärter auf den Horrorfilm des Jahres gehabt (bisher The Substance). Vielleicht ändert sich mein Eindruck bei einer zweiten Sichtung. Sicher ist: Nach allem, was MaXXXine zu bieten hat, werde ich ihn bestimmt nicht zum letzten Mal gesehen haben.
Kinostart: 4. Juli 2024
Heimkinostart: 19. September 2024
Regie, Drehbuch und Schnitt: Ti West
Darsteller: u.a. mit Mia Goth, Elizabeth Debicki, Kevin Bacon, Michelle Monaghan und Bobby Cannavale
FSK-Freigabe: ab 18
Verleih Dt.: Universal Pictures Germany
Laufzeit: 1 St. 44 Min.
★★★★★★☆☆