"Star Trek Into Darkness" (USA 2013) Kritik – Weltraumaction ohne Stützräder

Autor: Jan Görner

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„Every ship should go down with her captain.“

Es war passenderweise J. Michael Straczynski, Schöpfer der Space Opera „Babylon 5“, welcher „Star Trek“ um die Jahrtausendwende mit einem Sportwagen verglich, den der Inhaber aus Angst vor Wertverlust in der Garage verstauben ließ. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Franchise den Zenit seiner Beliebtheit Mitte der 1990er bereits überschritten und entscheidende Entwicklungen der Film- und Fernsehlandschaft verschlafen. So war es letztlich unausweichlich, dass mit der Einstellung der Prequel-Serie „Star Trek: Enterprise“ nach nur vier Staffeln 2005 auch das gesamte Franchise (vorläufig) am Ende schien.

Vier Jahre später: Auftritt J.J. Abrams und die Geburt dessen, was das Fandom in Abgrenzung zum etablierten Strang des Trek-Kosmos als „Abramsverse“ bezeichnet. Mit der programmatisch schlicht „Star Trek“ betitelten Frischzellenkur begann der Regisseur nicht nur – um im Bild zu bleiben – wieder beim Dreirad, er entledigte sich im Handstreich auch gleich großer Teile des etablierten Kanons, der für den Unterhaltungswert von „Star Trek“ mehr und mehr zur Last geworden war. Zwar konnte Leonard „Spock“ Nimoy als Nestor Fans einigermaßen versöhnen, aber die Entwöhnung vom Geektum hin zur Masse war nicht mehr aufzuhalten. Mit „Star Trek Into Darkness“ muss das „Abramsverse“ nun das erste Mal beweisen, dass es auch ohne Stützräder bestehen kann.

Als ein Terrorangriff auf eine Sternenflotteneinrichtung in London 42 Leben fordert, ist Captain Kirk (Chris Pine) entsetz zu erfahren, dass die Spur in die eigenen Reihen führt. Ein gewisser Commander John Harrison (Benedict Cumberbatch) hat der Föderation den Krieg erklärt. Nach einem weiteren verheerenden Anschlag auf das Sternenflotten-Hauptquartier setzt sich der Flüchtige auf den klingonischen Heimatplaneten Qo’noS ab. Doch die Crew der Enterprise um den ersten Offizier Spock (Zachary Quinto) und die neue Wissenschaftsoffizierin Carol Marcus (Alice Eve) ist dem Verräter dicht auf den Fersen. Dabei ahnt keiner von ihnen, dass sie sich in die Höhle des Löwen begeben.

Ziemlich erbost reagierten Trekkies, wenn im Vorfeld von „Star Trek 2“ gesprochen wurde, wo „Star Trek Into Darkness“ gemeint war. Doch tatsächlich ist der Streifen letztlich einem zweiten Teil näher als einem zwölften. Kenntnisse über das 2009er Fast-Reboot hinaus sind ohnehin keine Voraussetzung. Hier und da werden die notorisch detailverliebten Trekkies natürlich trotzdem erfreuliche Verweise an ihr Franchise finden. So ist es ironischerweise gerade „Star Trek II – Der Zorn des Khan“, den Abrams immer wieder als Zitatquelle heranzieht, aber auch eine nur in aller Kürze gezeigte Ahnengalerie der Enterprise hält mit der XCV 330 einen Vertreter bereit, den sicher nur echte Die-Hard-Fans kennen. Doch dort, wo er den Erzählfluss behindert, wird der Kanon mitunter auf brachiale Weise ignoriert. Seien es „anerkannte“ Design-Grundregeln von Sternenflottenschiffen oder Details der interstellaren Kartographie, das Motto lautet: „Was nicht passt, wird passend gemacht“.

Als Aufhänger der Werbekampagne hatte das Team um Abrams ein cleveres Spiel um die Identität des Bösewichts aufgezogen. Und tatsächlich fragten sich nicht nur Trek-Unkundige, was denn dieser ominöse John Harrison für ein Gegenspieler sein soll. Jegliche Spoiler verbieten sich an dieser Stelle freilich. Aber so viel sei gesagt: Benedict Cumberbatch legt seine Figur deutlich anders an als den blasierten Soziopathen Sherlock in der zu Recht gefeierten BBC-Serie gleichen Namens. Sein John Harrison ist konsequent bigger than life. Dementsprechend pompös ist stellenweise auch das Spiel des Engländers und erinnert lustigerweise eher an das manipulative Mastermind Professor Moriaty. Allem Pathos zum Trotz ist Cumberbatchs Antagonist dennoch deutlich charismatischer als der von Eric Bana verkörperte Nero aus „Star Trek“. Im Vergleich zu 2009 legt auch Chris Pine mit einer pointierten Leistung nochmals eine ganze Schippe drauf. Kirk erweist sich als Mittelpunkt der Erzählung, während dem Rest der Crew jeweils mindestens eine gute Szene zukommt.

Handelte „Zorn des Khan“ je nach Lesart vor allem vom Älterwerden, bildet das Thema Erwachsenwerden den Kern von „Into Darkness“. Erst in zweiter Linie drehen sich beide Inkarnationen um Rache. Ebenso wie das „Abramsverse“ muss auch Kirk lernen mit den Konsequenzen seiner Entscheidungen zu leben. Der Mann, der nicht an ausweglose Situationen glaubt, erkennt seine eigene Fehlbarkeit. Dies sind die Momente, die „Star Trek Into Darkness“ wirklich sehenswert machen. Wenn der Captain sich seiner Crew zuwendet und um Verzeihung bittet. Wenn er zugibt, nicht zu wissen, was er tun soll, verleiht das der Weltraumikone Kirk die dringend benötigte Tiefenlotung. Zachary Quintos Spock seinerseits tritt erzählerisch ein wenig auf der Stelle, muss er doch erneut die Lektion lernen, dass ihn seine menschliche Hälfte erst komplettiert. Dennoch kommen ihm einige maßgebliche Szenen zu, über die in den kommenden Jahren unter Fans sicher noch lange diskutiert werden wird.

Als der ehemalige Pilot Gene Roddenberry „Star Trek“ 1966 aus der Taufe hob, ging es ihm darum zu zeigen, dass technischer Fortschritt auch soziale Entwicklung bedingen kann. Inmitten zahlloser Dystopien galt „Star Trek“ stets als das optimistische Pendant, in dem Konflikte bevorzugt auf diplomatischem Wege beigelegt wurden. Auf der großen Leinwand – für das Franchise immer nur ein Nebenschauplatz – hingegen, setzte sich dieser Gründungsmythos nicht durch. Mit Ausnahme des kontemplativen „Star Trek – Der Film“ 1979 und der Komödie „Star Trek IV – Zurück in die Gegenwart“ waren alle Kinoausflüge der Enterprise-Crew mehr oder weniger auf Action gepolte Crowdpleaser. Und so fügt sich „Star Trek Into Darkness“ dann doch gar nicht so schlecht in die Reihe. Denn eines ist dieses zweite Weltraum-Abenteuer aus dem Hause Abrams mit Sicherheit nicht: langweilig. Kaum eine Minute Ruhe gönnt der Regisseur dem Zuschauer. Das Budget von schätzungsweise 185 Millionen Dollar ist dabei gut angelegt und verschafft wirklich atemberaubende Sci-Fi-Tableaus. Und so kommt erwartungsgemäß jeder, der auf hochklassig inszenierte Space-Action steht, auf seine Kosten.

Fazit: Mit den Augen eines lebenslangen Star-Trek-Fans gesehen, handelt es sich bei „Star Trek Into Darkness“ sicherlich um eine Abnabelung. Als Filmfan im Allgemeinen sehe ich einen flotten Sci-Fi-Actioner, der über die gesamte Länge gut unterhält und mit dem Blick ins DVD-Regal kommt das gute Gefühl, dass das „alte“ Trek immer da sein wird.

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