"The Best Offer" (IT 2012) Kritik – Die Authentizität der Fälschung

Autor: Florian Feick

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„What is it like, living with a woman? – It’s like taking part in an auction sale: You never know, if yours will be the best offer.“

Der Kunstexperte und Auktionator Virgil Oldman (Geoffrey Rush) ist ein mustergültiger Einzelgänger und Snob. So geht er beispielweise nie ohne ein Paar edle Lederhandschuhe aus dem Haus und hüllt seinen Telefonhörer in weißen Samt, der ihn vor Keimen schützen soll. Seinen einzigen Zugang zur Außenwelt stellen sein guter Freund Billy (Donald Sutherland) und sein Assistent Lambert (Dermot Crowley) dar. Eines Tages erhält er den anonymen Anruf einer seltsamen Frau, die ihn um ein Gutachten der Villa ihrer verstorbenen Eltern bittet. Mysteriöse Vorfalle geschehen, Leben werden auf den Kopf gestellt und schwerwiegende Entscheidungen getroffen.

Thematisch behandelt „The Best Offer“ das Prinzip des Vertrauens, der Authentizität und die Vereinbarkeit von Arbeit (in diesem Fall die Leidenschaft zur Kunst) und Liebe. Inmitten seiner seltenen Kunstwerke und Antiquitäten führt Virgil ein Eremitendasein, vermeidet sozialen Kontakt, so weit es geht, und war noch nie mit einer Frau zusammen. Allmählich jedoch nagen Selbstzweifel an ihm – war die Entscheidung richtig, zugunsten seiner tiefen Leidenschaft für Vergangenes beinahe gänzlich auf menschliche Nähe zu verzichten?

Diesen Gedankengang fängt Giuseppe Tornatore in stilsicher komponierten Bildszenerien ein, denen trotz aller auf den (ur-)alten Möbeln abgesetzten Staubpartikel stets eine gewisse Sterilität anhaftet, und fängt damit den inneren Charakter Virgils stimmungsvoll ein. Der Soundtrack der einstigen Filmmusik-Gottheit Ennio Morricone besticht derweil mit einem wunderbar nuanciert-subtilen, doch teilweise zu aufdringlichen Score, welcher entgegen aller Kritik jedoch den Zeitgeist des Films wiederzugeben im Stande ist. Inmitten dieses fesselnden Zusammenspiels aus Kulisse und musikalischer Untermalung triumphiert mehr als einmal das Übernatürliche über die rationale Figur Virgils, ein inszenatorischer Sog aus Mystik und archetypischer Begierde entwickelt sich. Geoffrey Rush besticht durch ausnahmslos eindringliches Schauspiel, das jedoch sichtlich von der plakativ vorgetragenen Symbolik Tornatores gebremst wird: Inmitten von perfekt geschnittenen Designer-Herrenanzügen, akribisch gefärbten Haaren und Handy-Aversion kann der gebürtige Australier diesmal leider nicht mit subtilen, mimischen Botschaften begeistern, welche seine Leistung vom Überdurchschnittlichen ins Überragende hätten heben können.

Eine „The Best Offer“ angemessene Kritik zu verfassen, fällt schon allein deshalb sehr schwer, weil man für eine äquivalente Auseinandersetzung mit dem Werk des einstigen Cannes-Jury-Mitglieds unweigerlich auf die 180°-Wendung eingehen muss, mit welcher der Film daherkommt. Täte man dies allerdings zu tiefgehend, könnte man dem potenziellen Zuschauer womöglich den ganzen Kinobesuch verderben. Dieser „Twist“ ist es nämlich, der das in Europa produzierte Werk vor der Durchschnittlichkeit errettet, welche ihn ungefähr ab der Mitte des Films zu ereilen droht, und partiell auch für einige Längen sorgt. Tatsächlich avanciert die ursprünglich psychologisch recht interessante Charakter-Konstellation ab der Enthüllung der Unbekannten immer mehr zum klassischen Romantik-Kino, was hingegen – und das muss man „The Best Offer“ zugestehen – der inhaltlichen Bedeutung wegen geschieht, an der bloßen Tatsache und besagtem Leerlauf aber nichts ändert.

Das jähe Ende kommt plötzlich, einem überschrillen Geigenspiel gleich, parallel vorhersehbar und überraschend; die gesamte vorangegange Handlung wird gnadenlos demontiert, und hinterfragt damit auch gleichzeitig die standardisierten Emotionsmechanismen des Kinos und den für Manipulationen jeglicher Art empfänglichen Zuschauer. Wenn dem Publikum jeglicher Boden brutal unter den Füßen weggerissen wird, ja, dann entfaltet der Film des sizilianischen Regisseurs seine volle Wirkung und tritt in seiner weiteren inhaltlichen Entwicklung nochmal beherzt nach dem sich bereits am Boden windenden Zuschauer.

Doch obwohl „The Best Offer“ in seiner schonungslosen Kompromisslosigkeit gegen Ende beeindruckt, ist die zugrunde liegende Idee, auf welcher er basiert, leider nicht allzu neu. Das Schema der Kino-Kritik war bereits der essentielle Bestandteil einiger „Filme über Filme“ (FüF) vor ihm. Unabhängig davon bleibt fraglich, inwieweit der Zuschauer auch bei einer weiteren Sichtung noch von dem eingangs erwähnten Sog mitgerissen werden kann, wenn die große Kehrtwende bereits bekannt ist. Somit bleibt das 2013 gedrehte Werk aufgrund einiger dramaturgischer Schwächen und seinem einseitigen Subtext ein „FüF“ mit überraschend geringer Halbwertszeit, was in Anbetracht seiner großen Ambitionen fraglos sehr schade ist, den spannenden Kinobesuch deswegen aber dennoch nicht gleich vereiteln muss.

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