TIFF-Kritik: Raw (FR 2016)

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Das Langfilmdebüt der Französin Julia Ducournau hat auf dem Toronto International Film Festival erst einmal dadurch die große Runde gemacht, dass zwei Zuschauer während der Premiere kollabiert sind. Raw war insofern also genau der richtige Film, um in der Sektion Midnight Madness des Festivals zu starten.

Der Film ist in der Tat nur schwer zu verdauendes Horrorkino, das sich, kurz zusammengefasst, um eine junge, streng erzogene Vegetarierin dreht, die mit 16 Jahren auf eine Schule für Tiermedizin wechselt und dort eher unfreiwillig ihre unbändigende Lust auf rohes Fleisch jedweder Couleur entdeckt.

Julia Ducournau hat mit Raw einen Genre-Bastard auf die Welt losgelassen, der sicherlich noch in einigen Ländern bei seiner Veröffentlichung für Furore und Diskussionen sorgen wird. Das ist allerdings gut so, denn nur selten gibt es heutzutage noch Debütfilme zu sehen, die es sich trauen so sehr Grenzen auszuloten, ohne dabei jedoch ausschließlich selbstzweckhaftes Ekelkino zu bieten, wie es allzu oft der Fall ist.

Sicherlich ist Raw eine äußerst blutige Angelegenheit, doch letzten Endes geht es Ducournau um deutlich mehr, als den Zuschauer einfach nur mit Blut bei der Stange zu halten. Ducournau erzählt eine Coming-of-Age-Geschichte, die sich beispielsweise mit dem Entdecken und dem lieben und kontrollieren Lernen des eigenen Körpers, dem Versagen elterlicher Erziehung und dem sich Zurechtfinden in einer neuen Umwelt aus der Sicht einer Schülerin auseinandersetzt.

Viele Debütfilme scheitern jedoch daran, eine an sich brillante Story auch entsprechend zu inszenieren. Ducournau legt jedoch auch bei der Inszenierung unfassbar gutes Gespür und Einfallsreichtum an den Tag. So ergeben der wundervolle Score von Jim Williams, die hochklassige Gestaltung der Effekte und die offensichtlich gute Arbeit mit der Besetzung ein homogenes Konstrukt, das fast keine Wünsche offen lässt.

Raw wird mit Sicherheit beim Publikum als blutig-groteske, enorm schwarz-humorige, smarte und durchweg diskussionswürdige Kannibalismus-Komödie in Erinnerung bleiben. So bleibt zu hoffen, dass wir von der Französin Julia Ducournau in Zukunft noch mehr gleichermaßen intelligente wie innovative Filme sehen werden.

Raw erscheint in Deutschland am 26. Oktober 2017 auf DVD und Blu-ray und erhält leider keine Kinosauswertung.

Gesehen im Rahmen des 41. Toronto International Film Festivals 2016

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