Autor: Pascal Reis
“Sie beobachten uns seit Tagen.”
Masken jeder Art von Gestaltung und Manifestation sind seit jeher ein fester Bestandteil der generalisierten Filmhistorik. Dabei sind es nicht einmal nur die obligatorischen Kostümfilme, in denen ein rigoroser Ball mit seinem überwältigenden Maskenmeer als unvergesslicher Höhepunkt auf den Zuschauer wartet und diesen in im von blaublütiger Dekadenz getränkten Tanzsaal langsam an sich reißt und mit anmutiger Leichtigkeit verschlingt. Auch aus menschlicher Sicht spielen derartige Verkleidungen eine brisante Rolle für das eigene Seelenkorsett. Das Stichwort dabei ist die ‘Identitätssuche’, die es einem Menschen ermöglicht, das eigene Sein hinter einer losen Hülle zu verbergen, so seine Sehnsüchte gegebenenfalls konkret zu intensivieren und damit auch einen Schritt näher zu sich selbst zu finden. Masken verheißen aber auch Anonymität und erweisen sich nicht nur bei Banküberfällen als unverzichtbares Utensil, sondern sind auch im Horror-Sujet nicht mehr wegzudenken.
Und wenn wir bei der Slasher-Ikonographie des Genres anfangen, dann sind die Titanen schnell genannt: Michael Myers, Jason Vorhees und auch in der Scream-Quadrilogie sind die verschiedenen Serienmörder immer mit einer markanten Maske unterwegs. Natürlich werden mit dieser Form von (Eigen-)Verhüllung unsere Urängste angesprochen, in dem wir dem Bösen und dem Grauen keine Klarheit in ihrer Physiognomie zuordnen können, was natürlich unsere Phantasie konsequent anregt und den wahren Horror ermöglicht. Paradoxerweise war es ausgerechnet Joel Schumacher mit seinem weniger gelungenen Selbstjustiz-Kracher 8MM, der unsere Wahrnehmung in diesen Situationen in einer Szene folgerichtig auf den Punkt gebracht hat: Während Nicolas Cage mit dem ominösen Hardcore-Actor Machine kämpft und ihm schließlich die SM-Maske vom Kopf reißt, erstarrt der von Cages verkörperte Ermittler zu Stein, Machine erwidert: Was hast Du erwartet, ein Monster?. Natürlich hat er das. Wir alle haben etwas Derartiges erwartet.
In Adam Wingards Home-Invasion-Terror You’re Next tragen oder besser gesagt SOLLEN ebenfalls Masken ihren Teil zum Gruselfaktor des Geschehens beitragen. Nur leider erweist sich der Film, ähnlich wie schon James DeMonacos The Purge im März dieses Jahres, als schrecklich misslungenes Machwerk. Als wäre der Slasher-Film in den letzten Jahren nicht schon zu genüge vergewaltigt und diffamiert worden, geht Regisseur Wingard sogar so weit, sich nicht einen Funken um etwas inszenatorische Kreativität zu scheren und kurbelt all die abgestandenen Standards ab, an denen sich der Zuschauer über die Dekaden schon lange Zeit sattgesehen hat. You’re Next ist geradewegs aus der blutverschmierten und im Fahrwasser unzähliger Vorgänger wie zum Beispiel The Strangers – treibenden Mottenkiste entflohen und steht beinahe symptomatisch für den Niedergang eines liebgewonnen, natürlich immer mit bestialisch Gräueltaten gesättigten Kults.
Interessanterweise hätte You’re Next von vornherein nie den kommerziellen Sprung in die Kinos geschafft, wären Adam Wingards nachfolgende Projekte wie 22 Ways To Die, V/H/S, V/H/S 2 nicht mit einem enormen Erfolg verknüpft gewesen. Sein Dasein hätte You’re Next aber dennoch viel besser im Giftschrank fristen sollen, denn so unmotiviert und lasch wie sich hier eine ausnahmslos unsympathische Familie in einem netten Urlaubshäuschen im Wald gegen die Killer mit Tiermasken wehren muss, hat man es nicht mal mehr im Ansatz mit durchschnittlicher Stangenware zu tun. You’re Next scheitert in jeder Hinsicht, denn weder der Gore-Anteil weiß in irgendeiner Weise mal so richtig auf den Putz zu hauen, noch wird eine klaustrophobische Atmosphäre erzeugt, die dem Zuschauer durch die ständige Anspannung langsam die Luft zum Atmen nimmt. Jede Figur ist ein abstoßendes Abziehbildchen und selbst dem Final Girl zollt man keinerlei Interesse an ihrem Überlebenskampf. So sieht Dilettantismus in Reinform aus.
Fazit: You’re Next ist miserables und erschreckend lustloses Slasher-Kino der beinahe untersten Schublade. Ohne einen einzigen Höhepunkt wird ein Urlaubshäuschen zum Ort der dilettantischen Leere verdammt. Wer atmosphärisches Genre-Kino oder wenigstens ein blutig-spritziges Schlachtfest erwartet, wird von diesem unbrauchbaren, vehement verwackelten Klamauk in beiden Fällen maßlos enttäuscht. Einzig der Cameo von Ti West lässt ein kurzes Schmunzeln zu, denn immerhin wird man in diesem Moment noch daran erinnert, dass es tatsächlich noch Hoffnung für das Horror-Genre gibt, auch wenn er sich in Zukunft von Schund wie “You’re Next” distanzieren sollte.