Eine Gastkritik von Michael Gasch
– gesehen im Rahmen der 76. Internationalen Filmfestspiele von Cannes –
Opposites react.
Gar nicht so lange ist es her, als Soul auf den Kinoleinwänden die Herzen der Menschen eroberte. Die Aussage, dass Pixar schon jahrzehntelang für Qualität steht, ist also sicherlich nicht übertrieben. Zu einprägsam sind die Geschichten, zu warmherzig und sympathisch die Charaktere. Wenig verwunderlich muss also jeder neue Film aus der Pixar-Schmiede sich mit den Vorgängern messen lassen. Elemental, den ich als Abschlussfilm beim Festival de Cannes gesehen habe, ist da keine Ausnahme. So steht die große Frage im Raum: Knüpft Pixar an seine letzten Erfolge an und schlägt ein kreatives neues Kapitel auf oder fällt die Neuproduktion doch eher etwas aus der Reihe?
Beides ist der Fall, besonders wenn man auf die Figuren blickt. Der Name lässt es schon vermuten – in diesem Film geht es um (vermenschlichte) Elementarwesen, die in einer Stadt zusammen koexistieren. Das Flammenmädchen und der Wasserjunge bestimmen dabei das Geschehen, wobei die Erd- und Luftwesen nur minimales Beiwerk abgeben. Pixar hat es sich dabei relativ einfach gemacht, indem die Elemente auch mit Persönlichkeitseigenschaften verbunden werden. Dass die weibliche Figur leidenschaftlich-feurig und hitzig ist, wohingegen die männliche Partei nahe am Wasser gebaut ist, passt zwar genau zu diesem generischen Pixar-Touch, ist aber alles andere als ein Geniestreich. Dafür fallen die Zutaten viel zu klassisch und auch zu bekannt aus.
Auf der anderen Seite fällt Elemental aber schon etwas aus der Reihe, was sich besonders an der Unüberlegtheit zeigt. Warum wird hier beispielsweise mit diesem Konzept der Elemente so sehr jongliert, wenn am Ende eh nur Feuer und Wasser die Geschichte bestimmen? Ebenso stellt sich die Frage, warum die Feuerwesen als nahöstlich und die anderen Kulturen mehr oder weniger total unspezifisch dargestellt werden. Rein ideologisch tut sich der Film damit keinen Gefallen, was sich auch beim vorgegaukelten integrativen Stadtleben zeigt. Die Elementwesen leben zwar friedlich in Harmonie miteinander, doch dann gibt es trotzdem kulturelle Ghettos und Formen von Separation und Ausstoßung, die einen seltsamen Nachgeschmack hinterlassen.
Gerade solche Themen, die eigentlich mehr Intelligenz erfordern, ziehen Elemental immer wieder herunter, zumal auch zu jeder Zeit der Vergleich mit einer anderen Produktion im Hinterkopf herumschwirrt. Die Animationsserie Avatar – The Last Airbender, in der es ebenso um die vier Elemente geht, wird nämlich nicht nur aufgrund der eingängigen Figuren und der Geschichte, die in ihren Bann zieht, gefeiert, sondern auch wegen ihrer Intelligenz. Kulturelle Hintergründe werden hierbei meisterhaft ausgelotet, während Elemental diesen Anspruch zu keinem Zeitpunkt verfolgt. Sind wir also ganz fair: Pixar, wie auch jedes andere Animationsstudio, hat keinen Freifahrtschein, um uns merkwürdige ideologische Komponenten vorzusetzen.
Um an den Anfang wieder anzuknüpfen: Elemental fällt deswegen aus der Reihe, weil dem Publikum zumindest in dem Fall nicht mehr so ganz eine intelligente Auseinandersetzung zugemutet wird. Stattdessen spielt sich das meiste auf einem kindlichen Niveau ab, komplexe Gefühlswelten hingegen sucht man vergebens. Eigentlich untypisch, wirft man einen Blick zurück auf die Vorgängerfilme, die natürlich auch kindlich aufbereitet sind, denen aber doch eine nicht zu unterschätzende Komplexität und pädagogische Wirkung innewohnen (Alles steht Kopf, Soul). Macht nicht gerade das diese Filme so herausragend?
Die Stärken von Elemental bleiben damit eher humoristischer Natur, die mit kindlichen Gags die meiste Zeit gut funktionieren. Auch die Animationen sowie Thomas Newmans begleitende Melodien verleihen dem neusten Pixar-Abenteuer gelegentlich Charme. Auf emotionaler Ebene hingegen wird jedoch insbesondere erzählerisch ziemlich viel Potential verspielt. Auch wenn das unmittelbare Seherlebnis im Kinosaal in der Gesamtheit solide ausfällt, fehlt es der Neuproduktion an Cleverness, an einer vielschichtiger gestalteten Welt und somit am Gefühl, etwas völlig Neuartiges zu sehen, um sich in die Reihe der animierten Meisterwerke einreihen zu können. Dafür mangelt es schlichtweg an einer filmischen Nachwirkung – dem Eindruck, dass man vom Kinobesuch etwas mitnehmen kann.
Fazit: Elemental ist von einem Pixar-Highlight wie Ratatouille leider weit entfernt und ordnet sich qualitativ eher im unteren Drittel des Outputs der Animationsschmiede ein. Der kurzweilige Spaß ist zwar garantiert, doch ihr solltet ohne einen zu hohen Anspruch ins Kino gehen.
★★★★☆☆☆☆
Durchschnittlich!
Pixars Elemental startet am 22. Juni 2023 deutschlandweit im Kino.