Autor: Pascal Reis
Paddington (FR/GB/US/CA 2014)
von Paul King, u.a. mit Hugh Bonneville, Sally Hawkins und Nicole Kidman
Würde man einen Film rein auf seinen Sympathiewert abtasten und dementsprechend beurteilen: Paddington dürfte sich seines Platzes in den obersten Rängen ohne Frage sicher sein. Allerdings ist Paul Kings Leinwandadaption des quirligen Bären aus dem dunkelsten Peru so oder so ein Geschenk des Himmels. Mit einer Detailverliebtheit im Repertoire, wie man sie so vielleicht nur im mit Zuckerguss glasierten Kino eines Wes Anderson oder Michel Gondry lokalisiert, beweist die vitale Inszenierung von Anfang an, das sie jede Menge ungezügelte Lust darauf besitzt, verschiedenste Stilmittel zu kombinieren, ohne den Film indes unter diesen womöglich zu begraben. Form und Inhalt halten sich die Waage, reichen sich in kameradschaftlicher Vertrautheit die Hand, erschaffen eine herzerweichende Allianz und sind in den Panoramaeinstellungen des südamerikanischen Dschungels genauso effektiv, wie in der ausgestanzten Miniaturrekonstruktion des Familienhaushaltes. Wenn unser knuddeliger Held im fernen London eintrifft und sich auf der Suche nach einer Herberge macht, entwächst Paddington zur durchaus cleveren und definitiv wunderbaren Migrations-Parabel, die neben der Bekräftigung familiärer Statuten (jeder gehört irgendwo dazu, das Herz braucht nur manchmal länger als der Kopf, um das zu begreifen) auch eine herrlich anarchische Taktung in den treffsicheren Witz legt, der Klein und Groß gleichermaßen erquickt. Ein echter Gewinn, dieses hinreißende Abenteuer.
Blackhat (USA 2015)
von Michael Mann, u.a. mit Chris Hemsworth, Viola Davis und Wei Tang
Schaltkreise, Einheiten und Signale wirbeln hysterisch umher, überschlagen sich, brechen durch verschiedenste Schichten, fetzen über Ebenen, scheuchen sich gegenseitig durch ein elektronisches Labyrinth, suchen nach dem entscheidenden Hohlraum, der die codierte Katastrophe aus dem virtuellen Raum in die Wirklichkeit transferiert: Michael Manns furioser Blackhat bringt die globale Bedrohung unseres Seins auf den Punkt Den Cyberterrorismus. Ein ungreifbarer Feind entlädt sich, lässt Ziffern und Faktoren rotieren, um jeden Gewehrschuss mit der kurzen Betätigung der Enter-Taste in den Schatten zu stellen: Das Böse nämlich wird zum Schatten, der unsere Welt in verwischte Fragmente zergliedert. Man kann Blackhat viel vorwerfen, das Drehbuch ist gesäumt mit so mancher Entbehrlichkeit, mit narrativem Ballast und dramaturgischen Sackgassen, doch so emphatisch-konzentriert, so stilsicher und eindringlich, wie Michael Mann das Immaterielle gegen das Physische ausspielt (und andersherum), ist man doch irgendwo gezwungen, diesem unterkühlten Hacker-Thrill achtungsvoll auf die Schulter zu klopfen. Stuart Dryburghs famose Kamera fungiert als dokumentarisches Instrument, sie reißt mit, entlang der schalen Neonröhren in den Pfützen des Asphalts, den spiegelnden Außenfassaden der Wolkenkratzer, den durchlöchterten Frachtcontainern und dem Showdown, ohne Keyboard, dafür mit analog geballter Faust. Immer noch ein Großer, dieser Michael Mann.
The Boy Next Door (USA 2015)
von Rob Cohen, u.a. mit Jennifer Lopez, Ryan Guzman und John Corbett
Das Narrativ bockt schon beim ‘One-Night-Stand’ gewaltig herum, da kann ja nichts Sinnhaftes mehr draus entstehen. Wenn man die Prämisse dann noch vervollständigt, wird man ohne großen Widerwillen zustimmen wollen: Ein One-Night-Stand mit fatalen Folgen. Ein großes Gähnen zieht durch die Lichtspielhäuser, aber immerhin besteht trotz der totgetrampelten Ausgangslage ja immer noch die Hoffnung auf reißerische Genre-Kolportage. Von einem gewissen Rob Cohen unter die Ägide genommen, der sich ja bekanntlich als durchaus fähiger Handwerker in der Filmwelt etablierte, in der Vergangenheit zumeist aber Drehbücher auf den Schreibtisch geworfen bekommen hat, die jedem Grundkurs in kreativem Schreiben den Schock durch die Glieder feuern gelassen hätte, war optimistische Aussicht auf einige atmosphärische Set Pieces durchaus gegeben. Denkste! The Boy Next Door ist ein synthetischer Luftikus, der Leidenschaft denkbar uninspiriert in Besessenheit transferiert und sodann eine Verkettung unlängst erschlaffter Klischees zu einer Nummernrevue des Dumpfbackentums formiert. Milf Jennifer Lopez darf den 50 Shades of Grey-Lippenbiss in edlen Dessous wagen, Stelzbock Ryan Guzman spannt den Bizeps ganz dolle, die amouröse Verstrickung verläuft sich dann alsbald auch passenderweise in ähnlich weichspülte Dimension der Hausfrauen-Prüderie. Ein schmalspuriger Psycho-Thriller, genauso befreit von jedem Eigengeschmack, wie es zu erwarten war.