Eine Gastkritik von Jan Benz
We’re Eternals. We came here seven thousand years ago, to protect humans from the Deviants.
Man nehme einen namhaften Cast um Angelina Jolie, Salma Hayek und Richard Madden, in Chloé Zhao eine oscarprämierte Regisseurin und fügt die typische MCU-Formel hinzu, fertig ist der schlechteste Film des Marvel Cinematic Universe. Moment was? Tja, das hatten sich Kevin Feige und Co. sicher anders vorgestellt, doch auf den bekannten Kritikerplattformen wie Metacritic und Co. rangiert das neue Marvel-Abenteuer Eternals von allen 26 MCU-Filmen auf dem letzten Platz. Mit dem mäßigen Kritikerecho bestätigte sich auch der Eindruck, den der Trailer hinterließ, da dieser außer schönen Landschaftsaufnahmen nicht allzu viel zu bieten hatte. Die gewagte Kombination des größten Film-Franchise aller Zeiten und der gefeierten Indie-Regisseurin Chloé Zhao, die erst Anfang des Jahres für das großartige Drama Nomadland mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, scheint also nicht geglückt zu sein. Dachte ich mir jedenfalls, denn ganz so schlimm ist es am Ende nicht geworden und Eternals ist ein ganzes Stück weit davon entfernt der schlechteste MCU-Film zu sein.
Zur Verteidigung von Chloé Zhao und den drei weiteren Drehbuchautoren muss man natürlich sagen, dass ihnen eine wahre Mammutaufgabe bevorstand. Immerhin muss Eternals gleich zehn Helden auf einmal einführen und die Zeitspanne der Handlung beträgt dabei ca. 7000 Jahre – dem Publikum muss also nicht nur der uralte Konflikt zwischen den Celestials und den Deviants erklärt werden, sondern auch warum diese gottgleichen Helden den Avengers nicht im Kampf gegen Thanos beigestanden haben. Und zu allem Überfluss muss Eternals sowohl als eigenständiger Film funktionieren, als auch zukünftige Ereignisse des MCU vorbereiten. Eine Aufgabe, an der Zhao und Co. mächtig zu knabbern haben, was alleine schon an der ausufernden Laufzeit von 157 Minuten abzulesen ist, immerhin nochmals 25 Minuten mehr als zuletzt Black Widow und Shang-Chi. Dass das fehlende Eingreifen bei Thanos in einem Satz erklärt wird? Geschenkt. Schwerer tun sich die Macher schon bei der großen Zeitspanne. Während die Szenen in der Gegenwart ganz gut funktionieren, wirken die Rückblenden recht beliebig gewählt und der Erzählrhythmus gerät ganz schön aus den Fugen. Zumal der Film nicht nur in der Vergangenheit zahlreiche Schauplatzwechsel vollzieht (zum Beispiel ins alte Babylon), sondern auch in der Gegenwart, wo es die Helden von London über Australien bis nach Indien zieht. Die ständigen Ort- und Zeitwechsel sorgen für reichlich Chaos in einem ansonsten so ungewohnt ruhigen Marvel-Film. Chloé Zhaos Einfluss ist jedenfalls immer zu spüren und Eternals ist schon so etwas wie die MCU-Variante von Nomadland oder The Rider. Sicher wird das Ganze über den Humor und die Action aufgepeppt, die meiste Zeit über wird Eternals jedoch ruhig und bedächtig erzählt. Damit hebt sich der Film klar von seinen MCU-Kollegen ab, die eher für ihren bunten Look und ihr rasantes Tempo bekannt sind. Eternals ist hingegen klar entschleunigt und ich kann den Kritikern nur zustimmen, dass Eternals ein ungewöhnlicher MCU-Film ist. Die ruhige Erzählweise gefällt mir auf der einen Seite sehr gut, auf der anderen Seite verschärft sie jedoch auch die Probleme des Films.
Letzten Endes kommt Chloé Zhaos Ausflug in die Blockbusterweelt nämlich nie richtig in die Gänge. Es fehlt dem Film lange Zeit eine echte Bedrohung bzw. ein Bösewicht und das Familiendrama zwischen den zehn Charakteren sorgt auch nicht gerade für Hochspannung, wodurch sich das Abenteuer ganz schön in die Länge zieht. Eine Mammutaufgabe bestehen Zhao und Co. allerdings mit Bravour: Obwohl es in den Trailern nicht danach aussah, funktionieren die Charaktere erstaunlich gut dafür, dass der Film zehn Figuren einführen muss, die mit eindimensionalen Standardfähigkeiten (Einer kann fliegen, eine ist superschnell usw.) ausgestattet sind. Allerdings wird jede Figur ausreichend vorgestellt und bekommt ihre Minuten zum Glänzen. Bei der Masse an Charakteren keine Selbstverständlichkeit.
Wovon ebenfalls im Vorfeld zu lesen war, ist der misslungene Humor des Films. Und tatsächlich geht es in Eternals überraschend ernst zu, wodurch anfängliche Sprüche eher deplatziert wirken. Im Verlauf des Films ändert sich das jedoch und der eingestreute Marvel-Humor trifft sein Ziel treffsicherer. Einen zweiten Guardians of the Galaxy sollte man hier aber natürlich nicht erwarten. Für die meisten Humorspitzen zeichnen sich Comedian Kumail Nanjiani und sein Film-Butler Harish Patel aus, die einen Hauch von Bollywood ins MCU bringen. Die beiden sind Nebencharaktere in einem selbstverständlich großen Cast, der vor allem durch seine große Diversität auffällt. Die Mitglieder der Eternals sind aus Asien, Indien und Mittelamerika und mit The Walking Dead-Star Lauren Ridloff ist sogar eine taubstumme Schauspielerin an Bord. Das mag dem einen oder anderen wieder zu viel des Guten sein, in einer großen Truppe wie den Eternals macht diese Entscheidung jedoch nur Sinn und die unterschiedlichen Ethnizitäten werden auch nicht großartig thematisiert. Viel interessanter ist da schon, dass die großen Namen um Angelina Jolie und Salma Hayek eher im Hintergrund agieren und hier klar als Nebencharaktere fungieren. Die beiden Eternals mit der meisten Screentime sind wohl Gemma Chans Sersi und Richard Maddens Superman-Verschnitt Ikaris. Übrigens ein weiterer Grund dafür, dass Eternals fast schon mehr an einen DC- als an einen MCU-Film erinnert. Mit Ikaris hat das MCU jetzt nicht nur einen eigenen Superman, auch die anderen gottgleichen Helden und der recht düstere Look erinnern an das DC-Universum. Und dann kommen natürlich noch alle Game of Thrones-Fans auf ihre Kosten, denn neben der Reunion von Richard Madden und Kit Harrington, steuert Ramin Djawadi den eher unauffälligen Soundtrack zum Film bei. Harrington selbst bleibt übrigens auffällig im Hintergrund, zu sehr bei einem bekannten Gesicht wie ihm und natürlich offenbart die zweite Abspannszene noch eine größere Rolle für den Jon Snow-Darsteller. Der Name, der dort fällt, dürfte jedoch nur für Comic-Leser spannend sein, interessanter ist da schon die Mid-Credit-Scene, die einen echten Popstar ins MCU holt, was in meiner Kinovorstellung auch zu einem unüberhörbaren Kreischen bei einigen jungen Zuschauer*innen geführt hat.
Zu guter Letzt noch ein Wort zur Action bzw. zum allgemeinen Look des Films. Dieser ist hauptsächlich in warmen Goldtönen gehalten, wozu die diversen Aufnahmen vor Sonnenunter- bzw. aufgängen wunderbar passen. Die Action ist ebenfalls gut in Szene gesetzt, es fehlt dem Film aber wie schon bei der Erzählung an einem echten Highlight wie zuletzt der Busszene aus Shang-Chi. Das Kreaturendesign der Deviants ist derweil gelungen, nur verstehe ich die Entscheidung der Macher nicht ganz, aus den humanoiden Robotern in den Comics gesichtslose Kreaturen zu machen. Ist ja nicht so, dass wir davon im MCU nicht schon genug gehabt hätten.
Fazit: Das Wichtigste vorweg: Nein, Eternals ist nicht der schlechteste Film des MCU geworden, da fallen mir einige Beispiele ein, die klar schwächer waren (wie zum Beispiel der erste Captain America-Film). Letzten Endes wird das mäßige Kritikerecho der Tatsache geschuldet sein, dass kaum einer hellauf begeistert den Kinosaal verlassen wird. Dafür ist Eternals ein zu ruhiges und langatmiges Abenteuer geworden, dem es eindeutig an Highlights und Spannung mangelt. Allerdings funktioniert die zehnköpfige Heldentruppe besser als gedacht und auch der Humor zündet im Verlauf des Films zuverlässiger, als es anfangs den Anschein hat. Eternals ist trotzdem ein überraschend ernster Film geworden, der mit seinem düsteren Look und seinen gottgleichen Helden eher an einen Film aus dem Hause DC als an einen MCU-Film erinnert. Chloé Zhaos Indie-Einflüsse sind jedenfalls deutlich zu spüren, die Kombination mit dem Mega-Franchise schlechthin will jedoch nicht so richtig funktionieren. Und so ist Eternals am Ende bei Weitem kein schlechter Film, die Begeisterung hält sich aber ebenfalls in Grenzen.
Eternals startet am 3. November 2021 bundesweit im Kino. Ab dem 24. Februar 2022 ist der Film dann bereits für das Heimkino* erhältlich.
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