"Stonehearst Asylum" (USA 2014) Kritik – Es gibt kein Heilmittel gegen die menschliche Natur

Autor: Pascal Reis

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„Hat man einmal entdeckt, was ein Mensch am meisten fürchtet, so hat man den Schlüssel zu seinem Wahnsinn gefunden.“

Handwerklich überhaupt nicht unbegabt, schwanken die Filme des Brad Anderson immerzu zwischen knackigem Geheimtipp oder vergessenswerter Schleuderware hin und her: Vom fröstelnden Thriller „Der Maschinist“, der vor allem durch Christian Bales emphatischer Performance im Gedächtnis blieb, der sich auf die spindeldürre Statur eines KZ-Häftlings herunter hungerte, bis zum Endzeit-Kalauer „Die Herrschaft der Schatten“, der vollkommen zu Recht in den hintersten Reihen der Videothekenregale verschwand. Ein zweites Standbein hat Anderson dann auf dem Serienmarkt finden können, wo er wiederholt einzelne Folgen von Erfolgsformaten wie etwa „The Killing“, „Person of Interest“ oder auch „Boardwalk Empire“ unter seine Fittiche genommen hat. Nun aber heißt es der seriellen Struktur für einige Zeit den Rücken zu kehren, denn Andersons neuster filmischer Streich hat es auch nach Deutschland geschafft: „Stonehearst Asylum“, eine Verfilmung der 1845 veröffentlichten Kurzgeschichte „The System of Doctor Tarr and Professor Fether“, verfasst von niemand geringerem als dem großen Edgar Allan Poe.

Und wo Edgar Allan Poe draufsteht, lässt das für ihn gänzlich charakteristische morbide Flair nicht allzu lange auf sich warten. In den ersten Minuten verdeutlicht die Bildsprache von „Stonehearst Asylum“ auch auf dem direkten Wege, dass es hier in den nächsten gut 110 Minuten schön finster vonstatten gehen wird. Der junge Nervenarzt Edward Newgate (Jim Sturgess) jedenfalls möchte in der titelgebenden Irrenanstalt für einige Zeit anheuern, um klinische Erfahrung sammeln zu können. Seine Ankunft in der Psychiatrie zeichnet dann auch gleich einen der atmosphärischsten Augenblicke des Filmes ab: Wie Edward durch die dichten, mit leichten Schneehauben bedeckten Wälder streift und die grauen Mauern von Stonehearst Asylum sich langsam aus den omnipräsenten Nebelschwaben hervor schieben, das hat schon etwas Gespenstisches, besitzen derlei Institutionen ohnehin von Grund auf etwas durch und durch Schauriges – Vor allem, wenn sie – wie hier – irgendwo im Nirgendwo gelegen sind und die Schreie der Insassen in einem ewiglichen Echo versiegen.

Trifft Edward dann auf den etwas suspekten, aber durchaus kultivierten Anstaltsleiter Silas Lamb (Ben Kingsley), werden sanfte Erinnerungen an Martin Scorseses „Shutter Island“ geweckt. Lamb hat eine neue therapeutische Methode zur Rehabilitierung seiner Gefangenen gefunden: Er behandelt sie nicht mit Elektroschocks und lässt sie nicht in das Eisbecken tauchen, sondern gewährt ihnen Freiheit zur persönlichen Entfaltung, um ihnen so ihre Würde zurück zu schenken. Dass „Stonehearst Asylum“ in seiner Essenz da auch als philosophische Unterredung über Wahnsinn, Vernunft und ihre grauen Bindeglieder sein möchte, verhindern vor allem die rein auf Funktionalität gebürsteten Figuren, die nie eine Chance ergreifen können, wirklich etwas tiefer zu bohren, stattdessen lebt die auf Twists und Turns geschniegelte Dramaturgie. Stimmungsvoll ist „Stonehearst Asylum“ ohne Zweifel, die Bilder suggerieren einen wohligen Grusel, und auch das Starensemble agiert verhältnismäßig, inhaltlich aber ist es nur ein solider Thriller, vorhersehbar und den Zuschauer kein Stück herausfordernd. Ein Film für den verregneten Sonntag Nachmittag.

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