"The Gambler – Ein Spiel. Sein Leben" (USA 2015) Kritik – Das Leben auf des Messers Schneide

Autor: Pascal Reis

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„Fuck you.“

Es ist doch immer wieder eine Freude und simultan eine weitere Bestätigung dafür, warum man sich über all die Jahre so derart intensiv mit dem Medium Film auseinandergesetzt hat, Stunden über Stunden im Kino und vor der heimischen Mattscheibe verbrachte, wenn man mal wieder Zeuge einer handfesten Überraschung werden darf. „The Gambler – Ein Spiel. Sein Leben“ von Rupert Wyatt hat das Zeug dazu, für Verblüffung zu sorgen, Gesetz dem Fall, man lässt sich auf den Film, seine Mentalität, seinen inneren Flow ein, denn einfach macht er es einem letzten Endes nicht. Das Autorenduo um James Toback und William Monaghan jedenfalls zeigte sich dafür verantwortlich, den existenzialistischen New-Hollywood-(Semi-)Klassiker „Spieler ohne Skrupel“ mit James Caan zu modernisieren. Dass man die Geschichte um ihre drängende Schwere entschlackte, dürfte weniger absonderlich erscheinen, dass „The Gambler – Ein Spiel. Sein Leben“ aber doch permanent darauf intendiert, seinen eigenen Kopf durchzusetzen, selbst wenn ihn dafür durch die Wand brechen muss, kommt so unverhofft wie erfreulich.

Die Grundstory, also der rote Faden, der sich durch den gesamten Film schlängelt, könnte in seiner High-Concept-Formulierung nicht konventioneller respektive banaler daherkommen: Ein pathologischer Glücksspieler steht in der Kreide zweier äußerst unangenehmer Kredithaie (Michael K. Williams, John Goodman) und hat genau sieben Tage Zeit, das geliehene Geld aufzubringen, ansonsten erwartet ihn sein blaues Wunder. Kennt man so und hat man so auch eigentlich schon längst satt. „The Gambler – Ein Spiel. Sein Leben“ zielt jedoch nicht darauf ab, diese eher unterfordernde Geschichte möglichst reißerisch zu artikulieren, damit alle Klischees und Stereotypen auch wie auf dem Silbertablett bedient werden. Vielmehr erweist sich das Drehbuch als selbstsichere Menage aus vielerlei Genres: „The Gambler – Ein Spiel. Sein Leben“ ist da dem introspektiven Charakter-Drama ebenso zugeneigt, wie dem schroff-pulpigen Gangster-Thriller. Dass es aufgrund dieser nicht immer ganz runden Konstellation ein eher durchwachsenes Kritiker-Echo zu rezipieren gab, mag nachvollziehbar sein, erweckt aber auch wiederholt den Eindruck feuilletonistischer Verbissenheit.

„The Gambler – Ein Spiel. Sein Leben“ ist keinesfalls DIE filmische Apotheose des neuen Jahrtausends, ist aber mindestens so gut, dass man ihn nicht nach einer Woche schon wieder aus dem Gedächtnis gestrichen hat. Die Nachwirkung gebiert aus dem Auftreten seiner Superstars Mark Wahlberg. Sonst eher den Rollentypus des kernig-tumben Proleten bedienend, rudert Wahlberg als Jim Bennett auffallend zurück und weidet sich nicht am Machismo, sondern an der puren Selbstzerstörung. Keine Übertreibung ist es, wenn man diese Performance als die wohl stärkste seiner Karriere tituliert – Direkt nach Dirk Diggler in Paul Thomas Andersons „Boogie Nights“, versteht sich. Mark Wahlberg gelingt es in beachtlicher Fasson, die intrinsische Gleichgültigkeit seines Charakters zur Geltung zu bringen. Versteckt hinter einer schwarzen Sonnenbrille, ist Jim Bennett tagsüber Literaturprofessor, um sich des nachts die Stunden an den Spieltischen um die Ohren zu schlagen. Das Klappern der Kugel, die über das Rouletterad rauscht, wird für Bennett zur Symphonie vom metaphorischen Sonnenauf- sowie Sonnenuntergang.

Und da kommt „The Gambler – Ein Spiel. Sein Leben“ auch einem warnenden Fanal gleich, welches sich nicht nur auf die Sucht seiner Hauptfigur bezieht, die weiß wie es ist, wenn man gewinnt, aber noch besser weiß, wie es ist, wenn man alles auf die falsche Karte setzt, sondern auch das Umfeld der sinisteren Untergrundmilieus ebenso im schwarzen Dunst der Selbstverachtung hinausträgt: Das Glück ist eine Hure, die die einmal Befriedigung schenkt und dann gänzlich aus deinem Leben verschwindet. Wenn „The Gambler – Ein Spiel. Sein Leben“ die vom immer brillanten Fleischberg John Goodman vorgetragene Fuck-You-Philosophie auf sein gesamtes Gebaren projiziert, stellt sich eine weitere, ungemein reflektorische Frage: Aus welcher Motivation heraus ist man in der Lage, nach einer solchen Maxime zu verfahren: Mut oder Wut? Dass der Ausgang wohl absehbar um die Ecke geschlichen kommt, ist zwar ein Wermutstropfen, der sich bemerkbar macht, dem stimmungsvollen Film aber in seiner stilvollen Suggestion keinen sonderlichen Abbruch tut. Schließlich gibt es da einen Mark Wahlberg, der wirklich, wirklich gut veranschaulicht, wie sehr ihm doch die Absenz eines Selbstwertgefühls steht.

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