"The Raid" (ID, USA 2011) Kritik – Feuergefecht im Treppenflur

“This is the thing. This is the pulse. This is what I do.”

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Dass Filme aus Indonesien auch im Ausland die Kinokassen klingeln lassen, gehört eher zur Seltenheit und aus dem Stegreif wüsste wohl kaum die Hälfte der Kinozuschauer, wo besagtes Land liegt. Umso erstaunlicher also, dass mit „The Raid“ ein waschechter Internet-Hype um einen indonesischen Film ausgebrochen ist, der schon seit Monaten in Internet-Foren rund um den Globus zelebriert wird. Für Regie und Drehbuch zeichnet jedoch kein gebürtiger Indonesier verantwortlich, sondern der geborene Waliser Gareth Evans („Merantau“), der bereits seit einigen Jahren in Indonesien lebt. Regisseur Gareth Evans scheint „The Raid“ bewusst auf ein westliches Publikum zugeschnitten zu haben, denn dieser ist ungewohnt gradlinig und schnörkellos erzählt und wirkt wie ein brutaler Mischmasch aus „S.W.A.T. – Die Spezialeinheit” und „Ong-Bak“. Damit gelingt es Gareth Evans wie keinem Zweiten den Spagat zwischen asiatischer Kampfkunst-Raffinesse und westlicher Action-Kino-Tradition zu schlagen.

Jakarta, Hauptstadt Indonesiens: Arbeitslosigkeit, Gewalt und Revierkämpfe zwischen rivalisierenden Banden gehören hier zur Tagesordnung. Die Fäden in der Stadt zieht Gangsterboss Tama Riyadi (Ray Sahetapy), der mit seinem Gefolge ein altes Hochhaus im Herzen der Stadt besetzt hält. Doch damit soll jetzt Schluss sein, denn ein 20-Mann starkes Einsatzteam unter der Leitung von Sergeant Jaka (Joe Taslim) soll den heimlichen Herrscher der Stadt ein für alle Mal unschädlich machen. Ein schwieriges Unterfangen, denn Riyadis Gefolgsleuten sind bis an die Zähne bewaffnet und warten nur darauf ein paar Polizisten kaltblütig umzulegen…

Die Plot-Idee ist so simpel wie genial: Zwanzig gut ausgebildete Sondereinsatzkräfte der Polizei stürmen ein Hochhaus, in dem es von Gangstern, Drogendealern und anderem Gesindel nur so wimmelt, und müssen sich ihren Weg bis zum Oberbösewicht freikämpfen. Fast könnte man meinen, man befände sich in einem Computerspiel, denn ähnlich wie in einem solchen müssen sich die Protagonisten von Ebene zu Ebene kämpfen, wobei der Schwierigkeitsgrad kontinuierlich zunimmt, bis es dann zur totalen Eskalation kommt. Dabei stoßen die Einsatzkräfte hinter jeder Ecke auf neue schwer bewaffnete Gangster, die das Hochhaus scheinbar im Überfluss zu beherbergen scheint. So muss erst Gegnerwelle nach Gegnerwelle erledigt werden, bis man endlich auf einen der „Endgegner“ trifft. Diese warten am Ende eines jeden Abschnitts auf die verbliebenen Polizisten, und vermögen mit bloßer Faust oder einer Machete mehr Schaden anzurichten, als all die kleinen Handlanger zuvor.

„The Raid“ ist klar erkennbar in einzelne Etappen gegliedert. Während man anfangs noch mit den Polizisten durch die Gänge schleicht und die Gegner lautlos ausschaltet, bricht schon bald das absolute Chaos herein. Zu einem wummernden Electro-Soundtrack fliegen Messer, Fäuste und vor allem Kugeln durch die Luft, die scheinbar spielend Wände, Decken und Zimmerböden durchbohren. Fast im Sekundentakt erwischt es dabei Gangster und Polizisten gleichermaßen, denn sicher ist man in diesem Hochhaus nirgendwo. Durch die gekonnte Kameraführung, die immer mitten im Geschehen bleibt, fühlt sich der Zuschauer bald als Teil dieser gesichtslosen Sondereinsatztruppe. Bezugspersonen gibt es zu diesem Zeitpunkt keine, da sämtliche Akteure in ihren Kampfmonturen kaum voneinander zu unterscheiden sind. Durch die schnellen Schnitte und den unaufhörlichen Beschuss verliert man dann und wann in den engen, dunklen Fluren schon mal den Überblick und fühlt sich dabei ähnlich überfordert und orientierungslos wie die Einsatzkräfte selbst. Eine Kinoerfahrung, die in Sachen Intensität ihresgleichen sucht.

Sobald aber die Masken fallen und einzelne Charaktere aus dem Schatten der deutlich dezimierten Gruppe heraustreten, verliert der Film leider merklich an Fahrt. Aufgrund von Munitionsmangel schießen sich die Protagonisten nicht mehr den Weg frei, sondern prügeln und treten sich von nun an in perfekt choreografierten Kampfszenen von einem Raum in den nächsten. So atemberaubend das auch die ersten Minuten erscheinen mag, so ermattend gestaltet sich diese Prügelorgie nach einiger Zeit, denn „The Raid“ gewährt dem Zuschauer kaum einen Moment der Ruhe. Und wenn doch, dann nur um den belanglosen Plot um ein ungleiches Brüderpaar voranzutreiben. Auch der anfängliche Realismus muss mit fortschreitender Handlung weichen, denn spätestens wenn die Polizisten beschließen, trotz teilweise schwerer Verletzungen und akuter Munitionsknappheit ihre Mission im Chuck-Norris-Style zu Ende zu bringen und nicht schnellstmöglich den gesicherten Rückzug anzutreten, hat das Ganze rein gar nichts mehr mit echter Polizeiarbeit zu tun.

Fazit: Solides Action-Kino aus Indonesien, das leider zu schnell all seine Trümpfe verschießt. Der gelungene Auftakt macht „The Raid“ trotzdem zu einem Kinoerlebnis, das nicht nur für Martial-Arts-Fans interessant sein dürfte.

Bewertung: 6/10 Sternen

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